Frugis Tullia aufgenommen hatten, worauf die schon eine ganze Zeit lang bedrohlich schweigsame Terentia erwidert hatte, dass sie sich tatsachlich sehr gut benommen hatten - in Anbetracht der Umstande.

»In Anbetracht welcher Umstande?«, fragte Cicero verdrossen. Offensichtlich hatte er sich damit abgefunden, dass ein Streit mit Terentia so unausweichlich sei wie ein verdorbener Magen nach einer schlechten Auster und dass er die Angelegenheit am besten gleich heute Abend hinter sich brachte.

»In Anbetracht der Verbindungen, die sie hergestellt haben«, erwiderte sie und kam dann sehr schnell zu den Themen, uber die sie sich am leidenschaftlichsten erregen konnte - die schandliche Art, wie sich Cicero Pompeius und seiner Provinzsippschaft an den Hals werfe, dass sich deshalb die Familie in Widerspruch zu den ehrenwertesten Familien im Staat befande, und die zunehmende Macht des Pobels, die erst durch die gesetzwidrige Annahme der lex Gabinia moglich geworden sei. Ich kann mich zwar nicht mehr an alles erinnern, aber was spielt das schon fur eine Rolle? Wie bei den meisten Ehestreitigkeiten ging es nicht um die Sache selbst, sondern um etwas vollig anderes - namlich um ihr Versagen, keinen Sohn geboren zu haben, und die daraus resultierende, fast vaterliche Zuneigung Ciceros zu Frugi. Allerdings entsinne ich mich an Ciceros schroffe Reaktion: dass Pompeius vielleicht nicht ohne Fehler, aber unbestritten ein herausragender Soldat sei und dass er, nachdem man ihm das Sonderkommando ubertragen habe, eine Kriegsflotte aufgestellt und die Seeraubergefahr in nur neunundvierzig Tagen aus der Welt geschafft habe. Genauso gut erinnere ich mich aber auch an Terentias vernichtende Replik, dass, wenn man die Piraten tatsachlich in sieben Wochen vollig vernichtet habe, die Bedrohung vielleicht gar keine so gro?e gewesen, sondern diese von Cicero und seinen Freunden nur aufgebauscht worden sei. An dieser Stelle schaffte ich es, unbemerkt aus dem Zimmer und in mein Kammerchen zu schleichen, sodass ich uber den Rest der Unterhaltung keine Auskunft geben kann. Allerdings blieb in den folgenden Tagen die Stimmung im Haus so zerbrechlich wie neapolitanisches Glas.

»Siehst du jetzt, unter was fur einem Druck ich stehe?«, jammerte Cicero mir am nachsten Morgen vor und massierte sich mit den Handknocheln die Stirn. »Nirgendwo lasst man mich in Ruhe, nicht in der Politik und in meiner Freizeit auch nicht.«

Was Terentia anging, so steigerte sie sich immer mehr in ihre vermeintliche Unfruchtbarkeit hinein. Sie ging jetzt taglich zum Beten in den Tempel der Bona Dea auf dem Aventin. Auf dem Gelande, dessen innerstes Heiligtum kein Mann betreten durfte, wimmelte es von harmlosen Schlangen, die die Fruchtbarkeit fordern sollten. Eins ihrer Madchen erzahlte mir, dass sie in ihrem Schlafzimmer einen kleinen Schrein fur die Gottin Juno aufgestellt hatte.

Ich glaube, dass Cicero insgeheim Terentias Meinung uber Pompeius teilte. So ruhmreich sein Sieg war, so verdachtig schnell lief die Operation ab (»am Ende des Winters organisiert«, wie Cicero formulierte, »Anfang Fruhling begonnen, in der Mitte des Sommers abgeschlossen«). Man konnte sich schon fragen, ob ein auf dem ublichen Weg berufener Kriegsherr die Aufgabe nicht genauso gut erledigt hatte. Trotzdem gab es an Pompeius' Erfolg nichts zu rutteln. Die Piraten waren wie ein Teppich aufgerollt worden - aus den Gewassern zwischen Sizilien und Afrika Richtung Osten durch das Illyrische Meer bis nach Achaea. Dann wurden sie aus ganz Griechenland vertrieben und schlie?lich von Pompeius selbst in ihrer letzten gro?en Festung in Coracesium in Kilikien festgesetzt. In einer gewaltigen Schlacht zu Wasser und zu Land wurden zehntausend Piraten getotet, viertausend Schiffe zerstort und weitere zwanzigtausend Mann gefangen genommen. Allerdings lie? er diese nicht kreuzigen, wie es Crassus sicher getan hatte, sondern siedelte sie samt ihrer Frauen und Familien in den entvolkerten Stadten im Landesinneren von Griechenland und Kleinasien wieder an. Mit der ihm eigenen Bescheidenheit benannte er eine der Stadte in Pompeiopolis um. Nichts von all dem tat er in Absprache mit dem Senat.

Cicero verfolgte das fantastische Vorrucken seines Gonners mit gemischten Gefuhlen (»Pompeiopolis! Bei allen Gottern, wie vulgar!«). Nicht zuletzt deshalb, weil er wusste, je aufgeblasener Pompeius durch seinen Erfolg wurde, desto langer wurde der Schatten, den er auf seine eigene Karriere warf. Akribische Planung und uberwaltigende zahlenma?ige Uberlegenheit: Das waren die von Pompeius' bevorzugten Strategien auf dem Schlachtfeld wie in Rom, und sobald Phase eins seines Feldzugs - die Vernichtung der Seerauber -abgeschlossen war, lief auf dem Forum Phase zwei an. Gabinius begann dafur zu agitieren, Lucullus das Kommando uber die Legionen im Osten zu entziehen und Pompeius zu ubertragen. Dabei griff er zum gleichen Trick wie schon fur seine lex Gabinia. Er nutzte seine Vollmachten als Volkstribun und lie? auf der Rostra Zeugen aufmarschieren, die dem Volk ein erbarmliches Bild vom Krieg gegen Mithridates zeichneten. Einige Legionen, die schon seit Jahren nicht mehr bezahlt worden seien, hatten sich schlicht geweigert, aus ihrem Winterlager auszurucken. Der Armut der kampfenden Truppe stellte Gabinius den gewaltigen Reichtum ihres aristokratischen Befehlshabers gegenuber, der so viel Kriegsbeute nach Rom habe schaffen lassen, dass er sich vor den Toren der Stadt einen ganzen Hugel habe kaufen konnen und dort jetzt einen gro?en Palast baue, dessen prunkvolle Gemacher nach den Gottern benannt seien. Gabinius lie? Lucullus' Architekten vorladen und zwang sie, auf der Rostra dem Volk alle Plane und Modelle des Palastes zu zeigen. Seit jener Zeit ist Lucullus' Name ein Synonym fur unverschamten Luxus. Die aufgebrachten Burger verbrannten auf dem Forum eine Puppe von ihm.

Im Dezember schieden die Tribunen Gabinius und Cornelius aus ihren Amtern aus, und eine neue Pompeius-Marionette, der designierte Volkstribun Gaius Manilius, wahrte von nun an dessen Interessen in den Volksversammlungen. Als Erstes brachte er ein Gesetz ein, das vorsah, Pompeius den Oberbefehl im Krieg gegen Mithridates sowie die Verwaltung der Provinzen Asia, Kilikien und Bithynien zu ubertragen - die beiden letzteren wurden von Lucullus verwaltet. Sollte sich Cicero auch nur leise Hoffnungen gemacht haben, das Thema moge unbemerkt an ihm voruberziehen, so wurden sie zerstort, als Gabinius ihn mit einer Botschaft von Pompeius aufsuchte. Darin brachte der General knapp seine besten Wunsche zum Ausdruck sowie die Hoffnung, dass er, Cicero, die lex Manilia »mit all ihren Bestimmungen« nicht nur hinter den Kulissen, sondern in aller Offentlichkeit -auf der Rostra - unterstutzen moge.

»Mit all ihren Bestimmungen«, wiederholte Gabinius und grinste hochnasig. »Du wei?t, was das bedeutet.«

»Ich nehme an, das schlie?t eine Verfugung ein, dir das Kommando uber die Legionen am Euphrat zu ubertragen, was wiederum bedeutet, dass du nach Ablauf deiner Amtszeit als Volkstribun Immunitat vor jeglicher Strafverfolgung genie?t.«

»In der Tat.« Gabinius streckte grinsend die Brust vor und lieferte mit schnaufender Stimme eine passable Pompeius-Imitation ab. »>Ist er nicht klug, meine Freunde? Hab ich's nicht immer gesagt?<«

»Reg dich wieder ab, Gabinius«, sagte Cicero verdrossen. »Du kannst sicher sein, dass ich mir niemanden vorstellen kann, den ich lieber am Euphrat sahe.«

Den Prugelknaben fur einen gro?en Mann abzugeben ist in der Politik eine gefahrliche Rolle. Aber genau die musste Cicero jetzt spielen.

Manner, die sich offen nie ausfallig oder kritisch gegenuber Pompeius au?ern wurden, konnten ungestraft auf sein Advokatensprachrohr eindreschen, und jeder wurde wissen, wer gemeint war. Aber vor dem direkten Befehl eines Oberkommandierenden gab es kein Entkommen, und so erhielt Cicero zum ersten Mal Gelegenheit, auf der Rostra zu sprechen. Er gab sich enorm viel Muhe mit der Rede, diktierte sie mir schon mehrere Tage vorher und gab sie dann Quintus und Frugi zur Stellungnahme. Er war umsichtig genug, sie Terentia nicht zu zeigen, denn er wusste, dass er vorab eine Abschrift an Pompeius schicken und deshalb tief in den Honigtopf greifen musste. (Beispielsweise sehe ich anhand des vor mir liegenden Manuskripts, dass Pompeius' »uberirdische Genialitat als Heerfuhrer« auf Quintus' Empfehlung hin in »uberirdische und unglaubliche Genialitat als Heerfuhrer« abgeandert wurde.) Um Pompeius' Erfolgsbilanz auf den Punkt zu bringen, fiel ihm ein brillanter Slogan ein - »ein Gesetz, ein Mann, ein Jahr«. Mit dem Rest der Rede plagte er sich noch stundenlang herum. Wenn er auf der Rostra versagte, das wusste er sehr genau, bedeutete das einen Ruckschlag fur seine Karriere. Seine Feinde wurden behaupten, ihm fehle einfach die Volkstumlichkeit, um das Herz des einfachen Mannes anzuruhren. Am Morgen der Rede wurde ihm vor Aufregung schlecht. In der Latrine stand ich mit dem Handtuch neben ihm, wahrend er sich ein ums andere Mal ubergab. Er war so wei? und sah so zerschlagen aus, dass ich mich wirklich fragte, ob er es bis aufs Forum schaffen wurde. Aber er glaubte fest daran, dass ein gro?er Redner vor dem Betreten der Buhne, und sei er noch so erfahren, immer Angst haben muss - »die Nerven mussen gespannt sein wie Bogensehnen, wenn die Pfeile fliegen sollen«. Als wir die Ruckseite der Rostra erreichten, war er bereit. Selbstredend hatte er keine Notizen dabei. Wir horten, wie Manilius ihn ankundigte und dann Applaus ertonte. Es war ein herrlich klarer und heller Morgen; die Menschenmenge war riesig. Er zupfte die Armel zurecht, richtete sich auf und stieg langsam hinauf in den Larm und in das Licht.

Wieder waren es Catulus und Hortensius, die die Opposition gegen Pompeius anfuhrten. Aber sie hatten

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