keine anderen Argumente anzubieten als die schon gegen die lex Gabinia vorgebrachten, sodass Cicero sich ausgiebig uber sie lustig machen konnte. »Was will uns Hortensius denn nun sagen?«, fragte er spottisch. »Dass, wenn man nur einen Mann mit dem Oberkommando betraue, Pompeius genau der Richtige sei, dass man aber das Oberkommando nicht nur einem Mann ubertragen durfe? Diese Art Argumentation ist erledigt, sie ist widerlegt, und zwar nicht durch Worte, sondern durch die Ereignisse. Du warst es, Hortensius, der den mutigen Gabinius dafur gescholten hat, ein Gesetz eingebracht zu haben, das fur den Kampf gegen die Piraten einen alleinigen Befehlshaber forderte. Und jetzt frage ich dich im Namen der Gotter: Wenn das romische Volk damals deiner Meinung und nicht seinem eigenen Wohl und seinen wahren Interessen gefolgt ware, konnten wir dann heute den gleichen Ruhm genie?en, und konnten wir dann auch behaupten, die Herrscher uber ein weltumspannendes Reich zu sein?« Und wenn Pompeius, so Cicero weiter, Gabinius zu einem seiner Legionskommandeure machen wolle, dann solle er es werden, denn kein Mann, au?er Pompeius selbst, habe so viel zum Sieg uber die Piraten beigetragen wie Gabinius. »Und was mich betrifft«, schloss er seine Rede, »so werde ich die mir zur Gebote stehende Hingabe, Weisheit, Tatkraft und Begabung sowie das ganze Gewicht meines Amtes als Prator, das ihr mir ubertragen habt, dafur einsetzen, dieses Gesetz zu unterstutzen. Und ich rufe alle Gotter als Zeugen an - vor allem die Huter dieses geheiligten Ortes, die tief in die Herzen all derer blicken, die ins offentliche Leben eintreten -, dass ich weder so handle, um Pompeius gefallig zu sein, noch in der Hoffnung, irgendwelche Gefalligkeiten von ihm zu erhalten, sondern ausschlie?lich, um meinem Land zu dienen.« Damit verlie? er unter respektvollem Beifall die Rostra. Das Gesetz wurde angenommen, Lucullus seines Kommandos enthoben und Gabinius damit betraut. Was Cicero betraf, so hatte er zwar ein weiteres Hindernis auf dem Weg zum Konsulat genommen, war den Aristokraten aber nun noch verhasster als je zuvor.

In einem Brief an Cicero schilderte Varro Pompeius' Reaktion auf die Nachricht, dass er nun die vollstandige Kontrolle uber die romischen Streitkrafte im Osten habe. Als sich die Offiziere in seinem Hauptquartier in Ephesus um ihn drangten, um ihm zu gratulieren, verzog er das Gesicht, schlug sich auf die Oberschenkel und sagte (laut Varro »mit uberdrussiger Stimme«): »Eine Muhsal nach der anderen ladt man mir auf die Schultern. Und da soll man nicht schwermutig werden? Wenn einem gar keine Erholung vom Militardienst vergonnt ist, wenn man nie dem Neid entfliehen und nie darauf hoffen kann, mit seiner Frau ein ruhiges Landleben zu fuhren, dann ware ich lieber einer der vielen Menschen, die niemand kennt.« Seine Scheinheiligkeit war nur schwer zu ertragen, vor allem weil alle Welt wusste, wie begierig er auf das Kommando gewesen war.

*

Der gesellschaftliche Aufstieg, den das Amt des Prators mit sich brachte, bedeutete auch, dass Cicero zu seinem Schutz jetzt sechs Liktoren hatte, die ihn auf jedem Weg begleiteten. Er machte sich nicht das Geringste aus ihnen. Liktoren waren grobschlachtige Kerle, man heuerte sie an, weil sie kraftig waren und ihnen Gewalttatigkeiten leicht von der Hand gingen: Wenn ein romischer Burger zu einer Strafe verurteilt wurde, dann fuhrten sie sie aus. Was Auspeitschungen und Enthauptungen anging, waren sie sehr geschickt. Weil sie fest angestellt waren, hatten sich manche von ihnen uber die Jahre so an ihre Macht gewohnt, dass sie auf die Magistrate, zu deren Schutz sie abgestellt waren, herabschauten - vorubergehende Erscheinungen, Politiker, heute noch wichtig, morgen schon nicht mehr. Cicero hasste es, wenn sie ihm rude den Weg freimachten oder Mannern befahlen, in Gegenwart eines Prators die Kopfbedeckung abzunehmen oder vom Pferd zu steigen. Schlie?lich waren die so gedemutigten Leute allesamt Wahler. Er wies die Liktoren an, hoflicher zu sein, was sie dann eine Zeit lang auch waren, um schon bald wieder in ihre alten Gewohnheiten zu verfallen. Ihr Anfuhrer, der proximus lictor, der dazu verpflichtet war, nie von Ciceros Seite zu weichen, war besonders widerwartig. Sein Name fallt mir gerade nicht ein, aber er erzahlte Cicero immer den neuesten Klatsch uber die anderen Pratoren und merkte gar nicht, dass ihn das in Ciceros Augen zutiefst verdachtig machte. Die Geschichten wurden ihm naturlich von seinen Kollegen hinterbracht, und Cicero wusste nur zu gut, dass Klatsch Handelsware war und das Zahlungsmittel dafur Berichte uber seine eigene Person waren. »Diese Leute«, klagte Cicero eines Morgens mir gegenuber, »sind eine Warnung fur jeden Staat, der einen festen Beamtenstab unterhalt. Am Anfang sind sie unsere Diener, und am Ende bilden sie sich ein, sie seien unsere Herren.«

Mit Ciceros Status verbesserte sich auch meiner. Wenn man der bekannte Privatsekretar eines Prators war, so stellte ich fest, legten die Leute, selbst wenn man Sklave war, eine ungewohnte Hoflichkeit an den Tag. Cicero hatte mir schon im Voraus erzahlt, dass Bittsteller mir sicher Geld anbieten wurden, damit ich meinen Einfluss geltend machte. Als ich leidenschaftlich beteuerte, dass ich mich nie bestechen lassen wurde, fiel er mir gleich ins Wort. »Du solltest ruhig etwas eigenes Geld haben, Tiro. Warum nicht? Ich bitte dich nur, mir zu erzahlen, wer dir etwas bezahlt, und jedem, der dir etwas anbietet, klarzumachen, dass man mein Urteil nicht kaufen kann und ich meine Entscheidung immer aufgrund sachlicher Erwagungen falle. Alles andere uberlasse ich deinem Urteilsvermogen.« Diese Unterhaltung bedeutete mir sehr viel. Ich hatte immer gehofft, dass Cicero mich eines Tages in die Freiheit entlassen wurde; dass er mir erlaubte, etwas eigenes Geld zu sparen, betrachtete ich als Vorbereitung auf diesen Tag. Die einlaufenden Betrage waren klein - funfzig Sesterzen hier, hundert da. Als Gegenleistung erwartete man zum Beispiel von mir, dass ich dem Prator ein bestimmtes Dokument zur Kenntnis brachte oder ein Empfehlungsschreiben aufsetzte und ihm zur Unterschrift vorlegte. Die Munzen wanderten in eine kleine Geldborse, die ich hinter einem losen Stein in der Wand meiner Schlafkammer aufbewahrte.

Als Prator wurde von Cicero erwartet, dass er vielversprechende Schuler aus guten Familien aufnahm, die bei ihm die Rechte studierten. Im Mai, nach der Sitzungspause des Senats, kam ein neuer Schuler ins Haus. Es war der sechzehnjahrige Marcus Caelius Rufus aus Interamnia, der Sohn eines reichen Bankiers und prominenten Funktionars des Wahlbezirks Velina. Politische Gefalligkeit, das war wohl der Hauptgrund, warum Cicero sich bereitfand, fur zwei Jahre die Ausbildung des Jungen zu beaufsichtigen. Danach, so kam man uberein, wurde der junge Mann fur den Rest seiner Lehrzeit in einen anderen Haushalt wechseln - und zwar, wie es der Zufall wollte, in den von Crassus, der ein Geschaftspartner von Caelius' Vater war. Der Bankier war sehr darauf bedacht, dass sein Sohn lernte, wie man ein gro?es Vermogen verwaltete. Der Vater war einer von diesen abscheulichen Geldverleihertypen, klein und verschlagen, der seinen Sohn anscheinend fur eine Investition hielt, die keinen angemessenen Profit abwarf. »Er braucht regelma?ig seine Prugel«, verkundete er, kurz bevor er seinen Sohn in Ciceros Arbeitszimmer rief. »Intelligent ist er, aber auch widerspenstig und leichtlebig. Du hast meine Erlaubnis, ihn, sooft du willst, die Peitsche spuren zu lassen.« Cicero schaute den Bankier argwohnisch an, in seinem ganzen Leben hatte er noch niemanden mit der Peitsche maltratiert.

Glucklicherweise stellte sich heraus, dass er gut auskam mit dem jungen Caelius, der seinem Vater nicht unahnlicher hatte sein konnen. Er war gro? und attraktiv und stand allem, was mit Geld und Geschaften zu tun hatte, entschieden gleichgultig gegenuber. Cicero fand das komisch, ich weniger. Denn in der Regel blieben all die oden Arbeiten, die eigentlich Caelius hatte ausfuhren mussen, vor deren Erledigung er sich aber druckte, an mir hangen. Trotzdem, ruckblickend muss ich zugeben, dass er ein liebenswurdiger Bursche war.

Ich werde mich nicht lange mit den Einzelheiten von Ciceros Pratur aufhalten. Schlie?lich ist das hier kein Lehrbuch fur Juristen, und ich spure schon, wie man formlich danach giert, dass ich endlich zum Hohepunkt meiner Geschichte komme - der Konsulatswahl. Es genugt wohl, wenn ich sage, dass man Cicero fur einen unparteiischen und rechtschaffenen Richter hielt und dass er der Aufgabe mit seinen Fahigkeiten muhelos gewachsen war. Stie? er doch einmal auf ein besonders sperriges Thema der Jurisprudenz und benotigte eine zweite Meinung, dann wandte er sich entweder an seinen alten Freund und Kommilitonen aus gemeinsamen Studientagen bei Molon, Servius Sulpicius, oder suchte den angesehenen Prator des Gerichtshofes fur Wahlrecht, Aquilius Gallus,in dessen Villa auf dem Viminal auf. Der gro?te Fall, dem er vorzusitzen hatte, war der von Gaius Licinius Macer, einem Verwandten und Parteiganger von Crassus, der wegen seiner Taten als Statthalter von Makedonien angeklagt war. Am Ende der Anhorung, die sich uber mehrere Wochen erstreckt hatte, zog Cicero ein gerechtes Fazit, konnte sich aber eine witzige Bosheit nicht verkneifen. Der Kern der Anklage war, dass Macer sich widerrechtlich eine halbe Million Sesterzen in die Tasche gesteckt hatte. Anfangs leugnete Macer. Die Anklagevertretung konnte beweisen, dass exakt die gleiche Summe bei einer von Macer kontrollierten Kreditfirma eingezahlt worden war. Darauf anderte Macer seine Geschichte und behauptete, ja, er erinnere sich an die Geldzahlung, habe aber geglaubt, sie sei legal gewesen. »Nun, es mag ja sein«, sagte Cicero zu den Geschworenen, wahrend er auf einige Beweispunkte hinwies, »dass der Angeklagte das geglaubt hat.« Er machte eine gerade so lange Pause, dass ein paar vereinzelte Lacher zu horen waren, worauf er ein gespielt strenges Gesicht aufsetzte. »Nein, nein, vielleicht hat er es geglaubt. In welchem Fall ...« Wieder eine kurze Pause. »... man allerdings mit einiger Logik folgern kann, dass er vielleicht fur den Posten eines romischen Statthalters zu dumm war.« Ich hatte in genugend Gerichtssalen gesessen, um an dem sturmischen Gelachter sofort erkennen zu konnen, dass Cicero den Mann gerade so sicher verurteilt hatte, als wenn er selbst der Vertreter der Anklage gewesen ware. Macer war keineswegs dumm, im Gegenteil, er war sogar sehr

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