nach dieser Unterhaltung beunruhigende Neuigkeiten fur Cicero. Caelius war damals siebzehn und, wie sein Vater schon gesagt hatte, ziemlich unbotma?ig. Er war gro? und gut aussehend und ging mit seiner tiefen Stimme und dem kleinen Spitzbart, der bei ihm und seinen eleganten Freunden gerade in Mode war, leicht als Mann von Anfang zwanzig durch. Abends, wenn Cicero noch uber seiner Arbeit sa? und alle anderen bereits schliefen, schlich er sich im Dunkeln aus dem Haus und kehrte oft genug erst kurz vor Morgengrauen wieder zuruck. Er wusste, dass ich mir ein wenig Geld zusammengespart hatte, und versuchte dauernd, mich anzupumpen. Eines Abends, nachdem ich wieder einmal Nein gesagt hatte, ging ich in meine Kammer und stellte fest, dass er mein Versteck gefunden und ausgeplundert hatte. Nach einer elenden Nacht, in der ich kein Auge zugetan hatte, stellte ich ihn am nachsten Morgen zur Rede und drohte, alles Cicero zu erzahlen. Da traten ihm die Tranen in die Augen, und er versprach, alles zuruckzuzahlen, was er, das muss ich gerechterweise sagen, mit gro?zugigen Zinsen auch tat. Ich suchte mir daraufhin ein anderes Versteck fur mein Geld und erzahlte niemandem von diesem Vorfall.

Bei seinen nachtlichen Steifzugen zog Caelius saufend und hurend mit einer Gruppe ubel beleumundeter junger Adliger durch die Stadt. Einer von ihnen war Gaius Curio, der einundzwanzigjahrige Sohn eines ehemaligen Konsuls, der ein gro?er Forderer von Verres gewesen war. Ein anderer war Hybridas Neffe Marcus Antonius, der damals achtzehn Jahre alt gewesen sein muss. Der eigentliche Anfuhrer der Bande, vor allem weil er der Alteste und Reichste unter ihnen war und die anderen zu Dummheiten verfuhrte, die ihnen nicht einmal im Traum eingefallen waren, war Clodius Pulcher. Er war etwa Mitte zwanzig und hatte im Osten acht Jahre Militardienst abgeleistet, wobei er in alle Arten von Schwierigkeiten geraten war - unter anderem hatte er eine Meuterei gegen Lucullus angezettelt, der zufallig sein Schwager war, und war dann von den Seeraubern, die er eigentlich bekampfen sollte, gefangen genommen worden. Aber jetzt war er wieder in Rom, suchte nach einer Moglichkeit, sich einen Namen zu machen, und hatte eines Abends verkundet, dass er jetzt wisse, wie er das anstellen wurde. Es sei eine verwegene und riskante, aber auch spa?ige und unterhaltsame Unternehmung (das waren laut Caelius exakt seine Worte) - er wurde die Klage gegen Catilina einreichen.

Als Caelius am nachsten Morgen in Ciceros Arbeitszimmer sturmte, um ihm die Geschichte zu erzahlen, wollte der sie zunachst nicht glauben. Was er von Clodius wusste, war nur das uberall umlaufende skandalose Gerucht, dass er mit seiner eigenen Schwester geschlafen hatte. Allerdings hatte das Gerucht erst kurzlich dadurch Substanz erhalten, dass Lucullus selbst dies als einen der Grunde fur die Scheidung von seiner Frau angefuhrt hatte. »Was hat so eine Kreatur in einem Gerichtssaal verloren«, hohnte Cicero, »au?er als Angeklagter?« Worauf Caelius auf seine freche Art nur erwiderte, Cicero brauchte in den nachsten ein, zwei Stunden nur kurz beim Gericht vorbeizuschauen, dann hatte er den Beweis. Da wurde namlich Clodius seinen Antrag auf Klageerhebung vorlegen. Selbstredend konnte Cicero einem solchen Schauspiel nicht widerstehen. Sobald er seine wichtigeren Klienten empfangen hatte, eilten wir - Cicero, Caelius und ich - hinunter zu seinem alten Lieblingsspielplatz am Tempel des Castor.

Mysterioserweise, wie es Dramatik verhei?ende Ereignisse so an sich haben, hatte sich die Neuigkeit schon verbreitet, sodass vor den Tempelstufen bereits mehr als hundert Schaulustige zusammengestromt waren. Der amtierende Prator, ein Mann namens Orbius, der spater Statthalter von Asia wurde, hatte gerade auf seinem kurulischen Stuhl Platz genommen und schaute sich angesichts des Menschenauftriebs verwundert um, als sechs oder sieben hochnasig grinsende junge Manner vom Palatin kommend vollig unbefangen auf ihn zuschlenderten. Unubersehbar legten sie Wert auf die neueste Mode, und ich vermute, dass sie mit ihren langen Haaren, den gestutzten Bartchen und den breiten, bestickten Gurteln, die lassig auf ihren Huften lagen, dieser auch entsprachen. »Was fur ein Schauspiel!«, murmelte Cicero, wahrend sie an uns vorbeigingen und uns in eine nach Kokosol und Safranbalsam duftende Wolke einhullten. »Sehen aus wie Frauen, die Burschen.« Einer loste sich aus der Gruppe und stieg die Treppe zum Prator hinauf. Auf halber Hohe blieb er stehen und wandte sich zu der Menge um. Er war, wenn ich mich so gewohnlich ausdrucken darf, »ein hubscher Junge« mit langen blonden Locken, vollen, feuchten Lippen und bronzefarbener Haut - eine Art junger Apollo. Als er jedoch anfing zu sprechen, klang seine Stimme uberraschend hart und maskulin, nur dass sie verunstaltet wurde durch seinen pseudoplebejischen Akzent, in dem sich sein Familienname wie »Clodius« statt »Claudius« anhorte - was ebenfalls zu seinen modischen Geziertheiten gehorte.

»Mein Name ist Publius Clodius Pulcher, Sohn des Konsuls Appius Claudius Pulcher, Nachfahre von Konsuln in direkter Linie seit acht Generationen. Ich habe mich heute Morgen hier eingefunden, um vor diesem Gericht Klage einzureichen gegen Sergius Catilina wegen seiner in Afrika verubten Verbrechen.«

Bei der Erwahnung von Catilinas Namen waren vereinzelt murrende Stimmen und Pfiffe zu horen, und ein gro?er, grobschlachtiger Mann, der neben uns stand, rief: »Dann pass mal gut auf deinen Hintern auf, mein Schatzchen.«

Clodius schien das nicht im Geringsten zu irritieren. »Moge der Segen meiner Vorfahren und der Gotter das Vorhaben begleiten und zu einem erfolgreichen Abschluss verhelfen.« Mit energischen Schritten ging er die restlichen Stufen hinauf und ubergab Orbius unter lautem Beifall seiner Anhanger das sauber zusammengerollte, mit Siegel und rotem Band versehene postulatus. Zu den Klatschenden gehorte auch Caelius, bis Cicero ihn mit einem Blick zur Ordnung rief. »Los, such meinen Bruder«, befahl er ihm. »Sag ihm, was passiert ist und dass ich ihn sofort sprechen muss.«

»Das ist Sklavenarbeit«, erwiderte er beleidigt. Zweifellos befurchtete er, vor seinen Freunden das Gesicht zu verlieren. »Das kann doch auch Tiro machen, oder nicht?«

»Tu, was ich dir gesagt habe«, fuhr Cicero ihn an. »Und wenn du schon dabei bist, mach auch gleich noch Frugi ausfindig. Sei froh, dass ich deinem Vater noch nichts von deiner anruchigen Gesellschaft erzahlt habe.« Das uberzeugte ihn, und er machte sich Richtung Tempel der Ceres davon, wo normalerweise um diese Stunde des Morgens die plebejischen Adilen anzutreffen waren. »Ich habe ihn zu sehr verwohnt«, sagte Cicero bekummert, als wir den Hugel hinauf nach Hause gingen. »Und wei?t du, warum? Weil er von angenehmer Wesensart ist. Das ist die verfluchteste von allen Eigenschaften, jemandem wie ihm lasse ich einfach alles durchgehen.«

Als Strafe und auch, weil er ihm nicht mehr vollkommen vertraute, schloss Cicero Caelius von der am gleichen Tag stattfindenden Wahlkampfsitzung aus und beauftragte ihn stattdessen mit der Abfassung eines Schriftsatzes. Er wartete, bis Caelius das Arbeitszimmer verlassen hatte, und berichtete dann Quintus und Frugi, was am Morgen geschehen war. Quintus neigte zu einer zuversichtlichen Einschatzung der Lage, wahrend Cicero jetzt vollkommen davon uberzeugt war, dass Catilina einer seiner Rivalen im Kampf um das Konsulat sein wurde. »Ich habe mir den Terminkalender des Gerichtshofes fur Erpressungen angeschaut - ihr wisst, wie das laufen kann. Und tatsachlich: Die Wahrscheinlichkeit, dass der Fall bis Juli zur Anhorung kommt, ist gleich null. Also kann er in diesem Jahr nicht mehr furs Konsulat kandidieren. Und deshalb rutscht er unausweichlich ins nachste Jahr, also in meins.« Plotzlich schlug er mit der Faust auf sein Schreibpult - ein Gefuhlsausbruch, zu dem er sich nur selten hinrei?en lie?. »Genau das habe ich vor einem Jahr prophezeit - Tiro ist meine Zeuge.«

»Vielleicht wird Catilina ja verurteilt und muss ins Exil?«, sagte Quintus.

»Mit diesem parfumierten Gockel als Anklager? Von dem jeder Sklave in ganz Rom wei?, dass er der Liebhaber seiner eigenen Schwester war? Nein, nein, du hast ganz recht gehabt, Tiro. Ich hatte -als sich mir die Gelegenheit dazu auftat - Catilina vor Gericht in die Knie zwingen sollen. Das ware einfacher gewesen, als ihn an der Wahlurne zu bezwingen.«

»Vielleicht ist es noch nicht zu spat«, sagte ich. »Vielleicht kann man ja Clodius dazu uberreden, die Anklagevertretung an Euch abzutreten.«

»Das macht er nie«, widersprach Cicero. »Du hast ihn doch gesehen, er ist die Arroganz in Person, ein typischer Claudius. Hier bietet sich ihm die Aussicht auf Ruhm, und die lasst er sich nicht entgehen. Hol lieber die Liste mit den potenziellen Kandidaten, Tiro. Wir mussen unbedingt einen glaubwurdigen Mann finden, der mit mir zusammen ins Rennen geht - und zwar schnell.«

In jenen Tagen stellten sich Kandidaten fur das Konsulat in der Regel als Parchen dem Wahler. Man betrachtete es als gute Strategie, ein Bundnis mit einem Mann einzugehen, der im Wahlkampf die eigenen Starken abrundete. Cicero brauchte als Partner einen Mann mit hochangesehenem Namen und gro?er Zugkraft innerhalb der Aristokratie, damit er auch die aristokratischen Wahler ansprechen konnte. Als Gegenleistung konnte Cicero seine Popularitat unter den pedarii und den unteren Schichten bieten sowie die Unterstutzung durch den Wahlkampfapparat, den er sich in Rom geschaffen hatte. Er hatte immer gedacht, dass zu gegebener Zeit der zweite Mann kein gro?es Problem darstellen wurde. Als wir jedoch die Liste durchgingen, begriff ich, warum er so besorgt war. Palicanus wurde Ciceros Bewerbung nichts Brauchbares hinzufugen. Cornificius war Gift an der Wahlurne, und Hybrida war nur halb zurechnungsfahig. Blieben nur Galba und Gallus. Galba war ein Aristokrat bis ins Mark, er wurde sich unter keinen Umstanden mit Cicero einlassen, und Gallus hatte trotz aller Bitten Ciceros

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