Die Frauen und ihre Wirkung in die Ferne. — Habe ich noch Ohren? Bin ich nur noch Ohr und Nichts weiter mehr? Hier stehe ich inmitten des Brandes der Brandung, deren weisse Flammen bis zu meinem Fusse heraufzungeln: — von allen Seiten heult, droht, schreit, schrillt es auf mich zu, wahrend in der tiefsten Tiefe der alte Erderschutterer seine Arie singt, dumpf wie ein brullender Stier: er stampft sich dazu einen solchen Erderschutterer-Tact, dass selbst diesen verwetterten Felsunholden hier das Herz daruber im Leibe zittert. Da, plotzlich, wie aus dem Nichts geboren, erscheint vor dem Thore dieses hollischen Labyrinthes, nur wenige Klafter weit entfernt, — ein grosses Segelschiff, schweigsam wie ein Gespenst dahergleitend. Oh diese gespenstische Schonheit! Mit welchem Zauber fasst sie mich an! Wie? Hat alle Ruhe und Schweigsamkeit der Welt sich hier eingeschifft? Sitzt mein Gluck selber an diesem stillen Platze, mein glucklicheres Ich, mein zweites verewigtes Selbst? Nicht todt sein und doch auch nicht mehr lebend? Als ein geisterhaftes, stilles, schauendes, gleitendes, schwebendes Mittelwesen? Dem Schiffe gleichend, welches mit seinen weissen Segeln wie ein ungeheurer Schmetterling uber das dunkle Meer hinlauft! Ja! Ueber das Dasein hinlaufen! Das ist es! Das ware es! — Es scheint, der Larm hier hat mich zum Phantasten gemacht? Aller grosse Larm macht, dass wir das Gluck in die Stille und Ferne setzen. Wenn ein Mann inmitten seines Larmes steht, inmitten seiner Brandung von Wurfen und Entwurfen: da sieht er auch wohl stille zauberhafte Wesen an sich vorubergleiten, nach deren Gluck und Zuruckgezogenheit er sich sehnt, — es sind die Frauen. Fast meint er, dort bei den Frauen wohne sein besseres Selbst: an diesen stillen Platzen werde auch die lauteste Brandung zur Todtenstille und das Leben selber zum Traume uber das Leben. Jedoch! Jedoch! Mein edler Schwarmer, es giebt auch auf dem schonsten Segelschiffe so viel Gerausch und Larm und leider so viel kleinen erbarmlichen Larm! Der Zauber und die machtigste Wirkung der Frauen ist, um die Sprache der Philosophen zu reden, eine Wirkung in die Ferne, eine actio in distans: dazu gehort aber, zuerst und vor Allem — Distanz.
Zu Ehren der Freundschaft. — Dass das Gefuhl der Freundschaft dem Alterthum als das hochste Gefuhl galt, hoher selbst als der geruhmteste Stolz des Selbstgenugsamen und Weisen, ja gleichsam als dessen einzige und noch heiligere Geschwisterschaft: diess druckt sehr gut die Geschichte von jenem macedonischen Konige aus, der einem weltverachtenden Philosophen Athen's ein Talent zum Geschenk machte und es von ihm zuruckerhielt.»Wie? sagte der Konig, hat er denn keinen Freund?«Damit wollte er sagen:»ich ehre diesen Stolz des Weisen und Unabhangigen, aber ich wurde seine Menschlichkeit noch hoher ehren, wenn der Freund in ihm den Sieg uber seinen Stolz davongetragen hatte. Vor mir hat sich der Philosoph herabgesetzt, indem er zeigte, dass er eines der beiden hochsten Gefuhle nicht kennt, — und zwar das hohere nicht!»
Liebe. — Die Liebe vergiebt dem Geliebten sogar die Begierde.
Das Weib in der Musik. — Wie kommt es, dass warme und regnerische Winde auch die musikalische Stimmung und die erfinderische Lust der Melodie mit sich fuhren? Sind es nicht die selben Winde, welche die Kirchen fullen und den Frauen verliebte Gedanken geben?
Skeptiker. — Ich furchte, dass altgewordene Frauen im geheimsten Verstecke ihres Herzens skeptischer sind, als alle Manner: sie glauben an die Oberflachlichkeit des Daseins als an sein Wesen, und alle Tugend und Tiefe ist ihnen nur Verhullung dieser» Wahrheit«, die sehr wunschenswerthe Verhullung eines pudendum —, also eine Sache des Anstandes und der Scham, und nicht mehr!
Hingebung. — Es giebt edle Frauen mit einer gewissen Armuth des Geistes, welche, um ihre tiefste Hingebung auszudrucken, sich nicht anders zu helfen wissen, als so, dass sie ihre Tugend und Scham anbieten: es ist ihnen ihr Hochstes. Und oft wird diess Geschenk angenommen, ohne so tief zu verpflichten, als die Geberinnen voraussetzen, — eine sehr schwermuthige Geschichte!
Die Starke der Schwachen. — Alle Frauen sind fein darin, ihre Schwache zu ubertreiben, ja sie sind erfinderisch in Schwachen, um ganz und gar als zerbrechliche Zierathen zu erscheinen, denen selbst ein Staubchen wehe thut: ihr Dasein soll dem Manne seine Plumpheit zu Gemuthe fuhren und in's Gewissen schieben. So wehren sie sich gegen die Starken und alles» Faustrecht».
Sich selber heucheln. — Sie liebt ihn nun und blickt seitdem mit so ruhigem Vertrauen vor sich hin wie eine Kuh: aber wehe! Gerade diess war seine Bezauberung, dass sie durchaus veranderlich und unfassbar schien! Er hatte eben schon zu viel bestandiges Wetter an sich selber! Sollte sie nicht gut thun, ihren alten Charakter zu heucheln? Lieblosigkeit zu heucheln? Rath ihr also nicht — die Liebe? Vivat comoedia!
Wille und Willigkeit. — Man brachte einen Jungling zu einem weisen Manne und sagte:»Siehe, das ist Einer, der durch die Weiber verdorben wird!«Der weise Mann schuttelte den Kopf und lachelte.»Die Manner sind es, rief er, welche die Weiber verderben: und Alles, was die Weiber fehlen, soll an den Mannern gebusst und gebessert werden, — denn der Mann macht sich das Bild des Weibes, und das Weib bildet sich nach diesem Bilde.«—»Du bist zu mildherzig gegen die Weiber, sagte einer der Umstehenden, du kennst sie nicht!«Der weise Mann antwortete:»Des Mannes Art ist Wille, des Weibes Art Willigkeit, — so ist es das Gesetz der