Geschlechter, wahrlich! ein hartes Gesetz fur das Weib! Alle Menschen sind unschuldig fur ihr Dasein, die Weiber aber sind unschuldig im zweiten Grade: wer konnte fur sie des Oels und der Milde genug haben.«— Was Oel! Was Milde! rief ein Anderer aus der Menge;»Man muss die Weiber besser erziehen! — Man muss die Manner besser erziehen, «sagte der weise Mann und winkte dem Junglinge, dass er ihm folge. — Der Jungling aber folgte ihm nicht.

69

Fahigkeit zur Rache. — Dass Einer sich nicht vertheidigen kann und folglich auch nicht will, gereicht ihm in unsern Augen noch nicht zur Schande: aber wir schatzen Den gering, der zur Rache weder das Vermogen noch den guten Willen hat, — gleichgultig ob Mann oder Weib. Wurde uns ein Weib festhalten (oder wie man sagt» fesseln«) konnen, dem wir nicht zutrauten, dass es unter Umstanden den Dolch (irgend eine Art von Dolch) gegen uns gut zu handhaben wusste? Oder gegen sich: was in einem bestimmten Falle die empfindlichere Rache ware (die chinesische Rache).

70

Die Herrinnen der Herren. — Eine tiefe machtige Altstimme, wie man sie bisweilen im Theater hort, zieht uns plotzlich den Vorhang vor Moglichkeiten auf, an die wir fur gewohnlich nicht glauben: wir glauben mit Einem Male daran, dass es irgendwo in der Welt Frauen mit hohen, heldenhaften, koniglichen Seelen geben konne, fahig und bereit zu grandiosen Entgegnungen, Entschliessungen und Aufopferungen, fahig und bereit zur Herrschaft uber Manner, weil in ihnen das Beste vom Manne, uber das Geschlecht hinaus, zum leibhaften Ideale geworden ist. Zwar sollen solche Stimmen nach der Absicht des Theaters gerade nicht diesen Begriff vom Weibe geben: gewohnlich sollen sie den idealen mannlichen Liebhaber, zum Beispiel einen Romeo, darstellen; aber nach meiner Erfahrung zu urtheilen, verrechnet sich dabei das Theater und der Musiker, der von einer solchen Stimme solche Wirkungen erwartet, ganz regelmassig. Man glaubt nicht an diese Liebhaber: diese Stimmen enthalten immer noch eine Farbe des Mutterlichen und Hausfrauenhaften, und gerade dann am meisten, wenn Liebe in ihrem Klange ist.

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Von der weiblichen Keuschheit. — Es ist etwas ganz Erstaunliches und Ungeheures in der Erziehung der vornehmen Frauen, ja vielleicht giebt es nichts Paradoxeres. Alle Welt ist daruber einverstanden, sie in eroticis so unwissend wie moglich zu erziehen und ihnen eine tiefe Scham vor dergleichen und die ausserste Ungeduld und Flucht beim Andeuten dieser Dinge in die Seele zu geben. Alle» Ehre «des Weibes steht im Grunde nur hier auf dem Spiele: was verziehe man ihnen sonst nicht! Aber hierin sollen sie unwissend bis in's Herz hinein bleiben: — sie sollen weder Augen, noch Ohren, noch Worte, noch Gedanken fur diess ihr» Boses «haben: ja das Wissen ist hier schon das Bose. Und nun! Wie mit einem grausigen Blitzschlage in die Wirklichkeit und das Wissen geschleudert werden, mit der Ehe — und zwar durch Den, welchen sie am meisten lieben und hochhalten: Liebe und Scham im Widerspruch ertappen, ja Entzucken, Preisgebung, Pflicht, Mitleid und Schrecken uber die unerwartete Nachbarschaft von Gott und Thier und was Alles sonst noch! in Einem empfinden mussen! — Da hat man in der That sich einen Seelen-Knoten geknupft, der seines Gleichen sucht! Selbst die mitleidige Neugier des weisesten Menschenkenners reicht nicht aus, zu errathen, wie sich dieses und jenes Weib in diese Losung des Rathsels und in diess Rathsel von Losung zu finden weiss, und was fur schauerliche, weithin greifende Verdachte sich dabei in der armen aus den Fugen gerathenen Seele regen mussen, ja wie die letzte Philosophie und Skepsis des Weibes an diesem Puncte ihre Anker wirft! — Hinterher das selbe tiefe Schweigen wie vorher: und oft ein Schweigen vor sich selber, ein Augen-Zuschliessen vor sich selber. — Die jungen Frauen bemuhen sich sehr darum, oberflachlich und gedankenlos zu erscheinen; die feinsten unter ihnen erheucheln eine Art Frechheit. — Die Frauen empfinden leicht ihre Manner als ein Fragezeichen ihrer Ehre und ihre Kinder als eine Apologie oder Busse, — sie bedurfen der Kinder und wunschen sie sich, in einem ganz anderen Sinne als ein Mann sich Kinder wunscht. — Kurz, man kann nicht mild genug gegen die Frauen sein!

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Die Mutter. — Die Thiere denken anders uber die Weiber, als die Menschen; ihnen gilt das Weibchen als das productive Wesen. Vaterliebe giebt es bei ihnen nicht, aber so Etwas wie Liebe zu den Kindern einer Geliebten und Gewohnung an sie. Die Weibchen haben an den Kindern Befriedigung ihrer Herrschsucht, ein Eigenthum, eine Beschaftigung, etwas ihnen ganz Verstandliches, mit dem man schwatzen kann: diess Alles zusammen ist Mutterliebe, — sie ist mit der Liebe des Kunstlers zu seinem Werke zu vergleichen. Die Schwangerschaft hat die Weiber milder, abwartender, furchtsamer, unterwerfungslustiger gemacht; und ebenso erzeugt die geistige Schwangerschaft den Charakter der Contemplativen, welcher dem weiblichen Charakter verwandt ist: — es sind die mannlichen Mutter. — Bei den Thieren gilt das mannliche Geschlecht als das schone.

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Heilige Grausamkeit. — Zu einem Heiligen trat ein Mann, der ein eben geborenes Kind in den Handen hielt.»Was soll ich mit dem Kinde machen? fragte er, es ist elend, missgestaltet und hat nicht genug Leben, um zu sterben.«»Todte es, rief der Heilige mit schrecklicher Stimme, todte es und halte es dann drei Tage und drei Nachte lang in deinen Armen, auf dass du dir ein Gedachtniss machest: — so wirst du nie wieder ein Kind zeugen, wenn es nicht an der Zeit fur dich ist, zu zeugen.«— Als der Mann diess gehort hatte, gieng er enttauscht davon; und Viele tadelten den Heiligen, weil er zu einer Grausamkeit gerathen hatte, denn er hatte gerathen, das Kind zu todten.»Aber ist es nicht grausamer, es leben zu lassen?«sagte der Heilige.

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Die Erfolglosen. — Jenen armen Frauen fehlt es immer an Erfolg, welche in Gegenwart Dessen, den sie lieben, unruhig und unsicher werden und zu viel reden: denn die Manner werden am sichersten durch eine gewisse heimliche und phlegmatische Zartlichkeit verfuhrt.

75

Das dritte Geschlecht. — »Ein kleiner Mann ist eine Paradoxie, aber doch ein Mann, — aber die kleinen Weibchen scheinen mir, im Vergleich mit hochwuchsigen Frauen, von einem anderen Geschlechte zu sein«— sagte ein alter Tanzmeister. Ein kleines Weib ist niemals schon — sagte der alte

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