Seele des Poeten, der es dichtete.

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Die Anhanger Schopenhauer's. — Was man beider Beruhrung von Cultur-Volkern und Barbaren zu sehen bekommt: dass regelmassig die niedrigere Cultur von der hoheren zuerst deren Laster, Schwachen und Ausschweifungen annimmt, von da aus einen Reiz auf sich ausgeubt fuhlt und endlich vermittelst der angeeigneten Laster und Schwachen Etwas von der werthhaltigen Kraft der hoheren Cultur mit auf sich uberstromen lasst: — das kann man auch in der Nahe und ohne Reisen zu Barbaren-Volkern mit ansehen, freilich etwas verfeinert und vergeistigt und nicht so leicht mit Handen zu greifen. Was pflegen doch die Anhanger Schopenhauer's in Deutschland von ihrem Meister zuerst anzunehmen? — als welche, im Vergleich zu dessen uberlegener Cultur, sich barbarenhaft genug vorkommen mussen, um auch durch ihn zuerst barbarenhaft fascinirt und verfuhrt zu werden. Ist es sein harter Thatsachen-Sinn, sein guter Wille zu Helligkeit und Vernunft, der ihn oft so englisch und so wenig deutsch erscheinen lasst? Oder die Starke seines intellectuellen Gewissens, das einen lebenslangen Widerspruch zwischen Sein und Wollen aushielt und ihn dazu zwang, sich auch in seinen Schriften bestandig und fast in jedem Puncte zu widersprechen? Oder seine Reinlichkeit in Dingen der Kirche und des christlichen Gottes? — denn hierin war er reinlich wie kein deutscher Philosoph bisher, so dass er» als Voltairianer «lebte und starb. Oder seine unsterblichen Lehren von der Intellectualitat der Anschauung, von der Aprioritat des Causalitatsgesetzes, von der Werkzeug-Natur des Intellects und der Unfreiheit des Willens? Nein, diess Alles bezaubert nicht und wird nicht als bezaubernd gefuhlt: aber die mystischen Verlegenheiten und Ausfluchte Schopenhauer's, an jenen Stellen, wo der Thatsachen-Denker sich vom eitlen Triebe, der Entrathseler der Welt zu sein, verfuhren und verderben liess, die unbeweisbare Lehre von Eine in Willen (»alle Ursachen sind nur Gelegenheitsursachen der Erscheinung des Willens zu dieser Zeit, an diesem Orte«, der Wille zum Leben ist in jedem Wesen, auch dem geringsten, ganz und ungetheilt vorhanden, so vollstandig, wie in Allen, die je waren, sind und sein werden, zusammengenommen«), die Leugnung des Individuums (»alle Lowen sind im Grunde nur Ein Lowe«, die Vielheit der Individuen ist ein Schein«; sowie auch die Entwicklung nur ein Schein ist: — er nennt den Gedanken de Lamarck's,»einen genialen, absurden Irrthum«), die Schwarmerei vom Genie (»in der asthetischen Anschauung ist das Individuum nicht mehr Individuum, sondern reines, willenloses, Schmerzloses, zeitloses Subject der Erkenntniss«;»das Subject, indem es in dem angeschauten Gegenstande ganz aufgeht, ist dieser Gegenstand selbst geworden«), der Unsinn vom Mitleide und der in ihm ermoglichten Durchbrechung des principii individuationis als der Quelle aller Moralitat, hinzugerechnet solche Behauptungen» das Sterben ist eigentlich der Zweck des Daseins«,»es lasst sich a priori nicht geradezu die Moglichkeit ableugnen, dass eine magische Wirkung nicht auch sollte von einem bereits Gestorbenen ausgehen konnen«: diese und ahnliche Ausschweifungen und Laster des Philosophen werden immer am ersten angenommen und zur Sache des Glaubens gemacht: — Laster und Ausschweifungen sind namlich immer am leichtesten nachzuahmen und wollen keine lange Vorubung. Doch reden wir von dem beruhmtesten der lebenden Schopenhauerianer, von Richard Wagner. — Ihm ist es ergangen, wie es schon manchem Kunstler ergangen ist: er vergriff sich in der Deutung der Gestalten, die er schuf, und verkannte die unausgesprochene Philosophie seiner eigensten Kunst. Richard Wagner hat sich bis in die Mitte seines Lebens durch Hegel irrefuhren lassen; er that das Selbe noch einmal, als er spater Schopenhauer's Lehre aus seinen Gestalten herauslas und mit» Wille«,»Genie «und» Mitleid «sich selber zu formuliren begann. Trotzdem wird es wahr bleiben: Nichts geht gerade so sehr wider den Geist Schopenhauer's, als das eigentlich Wagnerische an den Helden Wagner's: ich meine die Unschuld der hochsten Selbstsucht, der Glaube an die grosse Leidenschaft als an das Gute an sich, mit Einem Worte, das Siegfriedhafte im Antlitze seiner Helden.»Das Alles riecht eher noch nach Spinoza als nach mir«— wurde vielleicht Schopenhauer sagen. So gute Grunde also Wagner hatte, sich gerade nach anderen Philosophen umzusehen als nach Schopenhauer: die Bezauberung, der er in Betreff dieses Denkers unterlegen ist, hat ihn nicht nur gegen alle anderen Philosophen, sondern sogar gegen die Wissenschaft selber blind gemacht; immer mehr will seine ganze Kunst sich als Seitenstuck und Erganzung der Schopenhauerschen Philosophie geben und immer ausdrucklicher verzichtet sie auf den hoheren Ehrgeiz, Seitenstuck und Erganzung der menschlichen Erkenntniss und Wissenschaft zu werden. Und nicht nur reizt ihn dazu der ganze geheimnissvolle Prunk dieser Philosophie, welche auch einen Cagliostro gereizt haben wurde: auch die einzelnen Gebarden und die Affecte der Philosophen waren stets Verfuhrer! Schopenhauerisch ist zum Beispiel Wagner's Ereiferung uber die Verderbniss der deutschen Sprache; und wenn man hierin die Nachahmung gut heissen sollte, so darf doch auch nicht verschwiegen werden, dass Wagner's Stil selber nicht wenig an all den Geschwuren und Geschwulsten krankt, deren Anblick Schopenhauern so wuthend machte, und dass, in Hinsicht auf die deutsch schreibenden Wagnerianer, die Wagnerei sich so gefahrlich zu erweisen beginnt, als nur irgend eine Hegelei sich erwiesen hat. Schopenhauerisch ist Wagner's Hass gegen die Juden, denen er selbst in ihrer grossten That nicht gerecht zu werden vermag: die Juden sind ja die Erfinder des Christenthums. Schopenhauerisch ist der Versuch Wagner's, das Christenthum als ein verwehtes Korn des Buddhismus aufzufassen und fur Europa, unter zeitweiliger Annaherung an katholisch- christliche Formeln und Empfindungen, ein buddhistisches Zeitalter vorzubereiten. Schopenhauerisch ist Wagner's Predigt zu Gunsten der Barmherzigkeit im Verkehre mit Thieren; Schopenhauer's Vorganger hierin war bekanntlich Voltaire, der vielleicht auch schon, gleich seinen Nachfolgern, seinen Hass gegen gewisse Dinge und Menschen als Barmherzigkeit gegen Thiere zu verkleiden wusste. Wenigstens ist Wagner's Hass gegen die Wissenschaft, der aus seiner Predigt spricht, gewiss nicht vom Geiste der Mildherzigkeit und Gute eingegeben — noch auch, wie es sich von selber versteht, vom Geiste uberhaupt. — Zuletzt ist wenig an der Philosophie eines Kunstlers gelegen, falls sie eben nur eine nachtragliche Philosophie ist und seiner Kunst selber keinen Schaden thut. Man kann sich nicht genug davor huten, einem Kunstler um einer gelegentlichen, vielleicht sehr unglucklichen und anmaasslichen Maskerade willen gram zu werden; vergessen wir doch nicht, dass die lieben Kunstler sammt und sonders ein wenig Schauspieler sind und sein mussen und ohne Schauspielerei es schwerlich auf die Lange aushielten. Bleiben wir Wagnern in dem treu, was an ihm wahr und ursprunglich ist, — und namentlich dadurch, dass wir, seine Junger, uns selber in dem treu bleiben, was an uns wahr und ursprunglich ist. Lassen wir ihm seine intellectuellen Launen und Krampfe, erwagen wir vielmehr in Billigkeit, welche seltsamen Nahrungen und Nothdurfte eine Kunst, wie die seine, haben darf, um leben und wachsen zu konnen! Es liegt Nichts daran, dass er als Denker so oft Unrecht hat; Gerechtigkeit und Geduld sind nicht seine Sache. Genug, dass sein Leben vor sich selber Recht hat und Recht behalt: — dieses Leben, welches Jedem von uns zuruft:»Sei ein Mann und folge mir nicht nach, — sondern dir! Sondern dir!«Auch unser Leben soll vor uns selber Recht behalten! Auch wir sollen frei und furchtlos, in unschuldiger Selbstigkeit aus uns selber wachsen und bluhen! Und so klingen mir, bei der Betrachtung eines solchen Menschen, auch heute noch, wie ehedem, diese Satze an's Ohr:»dass Leidenschaft besser ist, als Stoicismus und Heuchelei, dass Ehrlich-sein, selbst im Bosen, besser ist, als sich selber an die Sittlichkeit des Herkommens verlieren, dass der freie Mensch sowohl gut als bose sein kann, dass aber der unfreie Mensch eine Schande der Natur ist, und an keinem himmlischen noch irdischen Troste Antheil hat; endlich dass Jeder, der frei werden will, es durch sich selber werden muss, und dass Niemandem die Freiheit als ein Wundergeschenk in den Schooss fallt«. (Richard Wagner in Bayreuth S- 94.)

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Huldigen lernen. — Auch das Huldigen mussen die Menschen lernen wie das Verachten. Jeder, der auf neuen Bahnen geht und Viele auf neue Bahnen gefuhrt hat, entdeckt mit Staunen, wie ungeschickt und arm diese Vielen im Ausdruck ihrer Dankbarkeit sind, ja wie selten sich uberhaupt auch nur die Dankbarkeit aussern kann. Es ist als ob ihr immer, wenn sie einmal reden will, Etwas in die Kehle komme, sodass sie sich nur rauspert und im Rauspern wieder verstummt. Die Art, wie ein Denker die Wirkung seiner Gedanken und ihre umbildende und erschutternde Gewalt zu spuren bekommt, ist beinahe eine Komodie; mitunter hat es das Ansehen, als ob Die, auf welche gewirkt worden ist, sich im Grunde dadurch beleidigt fuhlten und ihre, wie sie furchten, bedrohte Selbstandigkeit nur in allerlei Unarten zu aussern wussten. Es bedarf ganzer Geschlechter, um auch nur eine hofliche Convention des Dankes zu erfinden: und erst sehr spat kommt jener Zeitpunct, wo selbst in die Dankbarkeit eine Art Geist und Genialitat gefahren ist: dann ist gewohnlich auch Einer da, welcher der grosse

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