hat. — Und nun kommt sie zuruck, etwas langsamer, immer noch ganz weiss vor Erregung, — ist sie enttauscht? Hat sie gefunden, was sie suchte? Stellt sie sich enttauscht? — Aber schon naht eine andere Welle, gieriger und wilder noch als die erste, und auch ihre Seele scheint voll von Geheimnissen und dem Geluste der Schatzgraberei zu sein. So leben die Wellen, — so leben wir, die Wollenden! — mehr sage ich nicht. — So? Ihr misstraut mir? Ihr zurnt auf mich, ihr schonen Unthiere? Furchtet ihr, dass ich euer Geheimniss ganz verrathe? Nun! Zurnt mir nur, hebt eure grunen gefahrlichen Leiber so hoch ihr konnt, macht eine Mauer zwischen mir und der Sonne — so wie jetzt! Wahrlich, schon ist Nichts mehr von der Welt ubrig, als grune Dammerung und grune Blitze. Treibt es wie ihr wollt, ihr Uebermuthigen, brullt vor Lust und Bosheit — oder taucht wieder hinunter, schuttet eure Smaragden hinab in die tiefste Tiefe, werft euer unendliches weisses Gezottel von Schaum und Gischt daruber weg — es ist mir Alles recht, denn Alles steht euch so gut, und ich bin euch fur Alles so gut: wie werde ich euch verrathen! Denn — hort es wohl! — ich kenne euch und euer Geheimniss, ich kenne euer Geschlecht! Ihr und ich, wir sind ja aus Einem Geschlecht! — Ihr und ich, wir haben ja Ein Geheimniss!
Gebrochenes Licht. — Man ist nicht immer tapfer, und wenn man mude wird, dann jammert unser Einer auch wohl einmal in dieser Weise.»Es ist so schwer, den Menschen wehe zu thun — oh, dass es nothig ist! Was nutzt es uns, verborgen zu leben, wenn wir nicht Das fur uns behalten wollen, was Aergerniss giebt? Ware es nicht rathlicher, im Gewuhle zu leben und an den Einzelnen gutzumachen, was an Allen gesundigt werden soll und muss? Thoricht mit dem Thoren, eitel mit dem Eitelen, schwarmerisch mit dem Schwarmer zu sein? Ware es nicht billig, bei einem solchen ubermuthigen Grade der Abweichung im Ganzen? Wenn ich von den Bosheiten Anderer gegen mich hore, — ist nicht mein erstes Gefuhl das einer Genugthuung? So ist es recht! — scheine ich mir zu ihnen zu sagen — ich stimme so wenig zu euch und habe so viel Wahrheit auf meiner Seite: macht euch immerhin einen guten Tag auf meine Kosten, so oft ihr konnt! Hier sind meine Mangel und Fehlgriffe, hier ist mein Wahn, mein Ungeschmack, meine Verwirrung, meine Thranen, meine Eitelkeit, meine Eulen- Verborgenheit, meine Widerspruche! Hier habt ihr zu lachen! So lacht denn auch und freut euch! Ich bin nicht bose auf Gesetz und Natur der Dinge, welche wollen, dass Mangel und Fehlgriffe Freude machen! — Freilich, es gab einmal» schonere «Zeiten, wo man sich noch mit jedem einigermaassen neuen Gedanken so unentbehrlich fuhlen konnte, um mit ihm auf die Strasse zu treten und Jedermann zuzurufen:»Siehe! Das Himmelreich ist nahe herbeigekommen!«— Ich wurde mich nicht vermissen, wenn ich fehlte. Entbehrlich sind wir Alle!«— Aber, wie gesagt, so denken wir nicht, wenn wir tapfer sind; wir denken nicht daran.
Mein Hund. — Ich habe meinem Schmerze einen Namen gegeben und rufe ihn» Hund«, — er ist ebenso treu, ebenso zudringlich und schamlos, ebenso unterhaltend, ebenso klug, wie jeder andere Hund — und ich kann ihn anherrschen und meine bosen Launen an ihm auslassen: wie es Andere mit ihren Hunden, Dienern und Frauen machen.
Kein Marterbild. — Ich will es machen wie Raffael und kein Marterbild mehr malen. Es giebt der erhabenen Dinge genug, als dass man die Erhabenheit dort aufzusuchen hatte, wo sie mit der Grausamkeit in Schwesterschaft lebt; und mein Ehrgeiz wurde zudem kein Genugen daran finden, wenn ich mich zum sublimen Folterknecht machen wollte.
Neue Hausthiere. — Ich will meinen Lowen und meinen Adler um mich haben, damit ich allezeit Winke und Vorbedeutungen habe, zu wissen, wie gross oder wie gering meine Starke ist. Muss ich heute zu ihnen hinabblicken und mich vor ihnen furchten? Und wird die Stunde wiederkommen, wo sie zu mir hinaufblicken und in Furcht? —
Vom letzten Stundlein. — Sturme sind meine Gefahr.- werde ich meinen Sturm haben, an dem ich zu Grunde gehe, wie Oliver Cromwell an seinem Sturme zu Grunde gierig? Oder werde ich verloschen wie ein Licht, das nicht erst der Wind ausblast, sondern das seiner selber mude und satt wurde, — ein ausgebranntes Licht? Oder endlich: werde ich mich ausblasen, um nicht auszubrennen? —
Prophetische Menschen. — Ihr habt kein Gefuhl dafur, dass prophetische Menschen sehr leidende Menschen sind: ihr meint nur, es sei ihnen eine schone» Gabe «gegeben, und mochtet diese wohl gern selber haben, — doch ich will mich durch ein Gleichniss ausdrucken. Wie viel mogen die Thiere durch die Luft- und Wolken-Electricitat leiden! Wir sehen, dass einige Arten von ihnen ein prophetisches Vermogen hinsichtlich des Wetters haben, zum Beispiel die Affen (wie man selbst noch in Europa gut beobachten kann, und nicht nur in Menagerien, namlich auf Gibraltar). Aber wir denken nicht daran, dass ihre Schmerzen — fur sie die Propheten sind! Wenn eine starke positive Electricitat plotzlich unter dem Einflusse einer heranziehenden, noch lange nicht sichtbaren Wolke in negative Electricitat umschlagt und eine Veranderung des Wetters sich vorbereitet, da benehmen sich diese Thiere so, als ob ein Feind herannahe, und richten sich zur Abwehr oder zur Flucht ein; meistens verkriechen sie sich, — sie verstehen das schlechte Wetter nicht als Wetter, sondern als Feind, dessen Hand sie schon fuhlen.
Ruckblick. — Wir werden uns des eigentlichen Pathos jeder Lebensperiode selten als eines solchen bewusst, so lange wir in ihr stehen, sondern meinen immer, es sei der einzig uns nunmehr mogliche und vernunftige Zustand und durchaus Ethos, nicht Pathos — mit den Griechen zu reden und zu trennen. Ein paar Tone von Musik riefen mir heute einen Winter und ein Haus und ein hochst einsiedlerisches Leben in's Gedachtniss zuruck und zugleich das Gefuhl, in dem ich damals lebte: — ich meinte ewig so fortleben zu konnen. Aber jetzt begreife ich, dass es ganz und gar Pathos und Leidenschaft war, ein Ding, vergleichbar dieser schmerzhaft-muthigen und trost-sichern Musik, — dergleichen darf man nicht auf Jahre oder gar auf Ewigkeiten haben: man wurde fur diesen Planeten damit zu»uberirdisch».