zweistockige Hauser entlang, die alle reich verzierte schmiedeeiserne Gitter vor ihren Balkonen hatten.

Die Manner trugen Barte und lange Locken, pelzverbramte Hute und lange Kaftane aus schwarzem Satin. Man sah Yemeniten in arabischer Kleidung, Kurden, Leute aus Buchara und Perser in bunten Seidengewandern. Alle kamen aus dem rituellen Bad und gingen mit raschen, schwingenden Schritten.

Die Stra?e leerte sich bald, und alle begaben sich in die Synagogen. Die Synagogen waren meist klein und lagen dicht nebeneinander. Kitty warf durch die vergitterten Fenster einen Blick ins Innere.

Was fur seltsame Raume — und was fur eigenartige Leute. Kitty sah Manner, die sich klagend und seufzend um das Sefer Thora drangten. Sie sah die milden, verklarten Gesichter der Yemeniten, die mit untergeschlagenen Beinen auf Kissen hockten und mit leiser Stimme beteten. Sie sah alte Manner, die mit dem Oberkorper hin und her schwangen, wahrend sie aus alten, vergilbten Buchern pausenlos und monoton hebraische Gebete zitierten. Wie anders war das alles als in Tel Aviv, und wie weit waren die Menschen hier von den gutaussehenden mannlichen und weiblichen Bewohnern dieser neuen judischen Stadt entfernt.

»Es gibt bei uns alle moglichen Arten von Juden«, sagte David ben Ami. »Ich wollte Ihnen das hier zeigen, weil ich wu?te, da? es Ari nicht tun wurde. Er und viele von denen, die im Lande geboren sind, verachten diese alten strengglaubigen Juden. Sie bearbeiten den Boden nicht und lehnen es ab, Waffen zu tragen. Sie sind reaktionar und verhalten sich ablehnend gegen das, was wir aufzubauen versuchen. Und doch, wenn man wie ich langere Zeit hier in Jerusalem gelebt hat, dann lernt man, auch ihnen gegenuber tolerant zu sein, und man begreift, wie schrecklich die Zustande gewesen sein mussen, die Menschen in einen derartigen religiosen Fanatismus treiben konnten.«

Ari ben Kanaan stand im Russischen Viertel in der Nahe der Griechischen Kirche und wartete. Es wurde dunkel. Plotzlich tauchte Bar Israel auf. Ari folgte ihm in eine Nebenstra?e, wo ein Taxi hielt. Sie stiegen ein, und Bar Israel brachte ein gro?es schwarzes Taschentuch zum Vorschein.

»Mu? ich das uber mich ergehen lassen?«

»Ich habe Vertrauen zu Ihnen, Ari, aber Befehl ist Befehl.«

Ari wurden die Augen verbunden. Dann mu?te er sich auf den Boden des Wagens legen. Er wurde mit einer Decke zugedeckt. Langer als eine Viertelstunde fuhr das Taxi kreuz und quer, um Ari zu verwirren. Schlie?lich hielt es an. Ari wurde rasch in ein Haus und in einen Raum gefuhrt; dann durfte er die Binde vor den Augen wieder abnehmen.

Der Raum war leer bis auf einen Tisch und einen Stuhl. Auf dem Tisch stand eine brennende Kerze, au?erdem eine Flasche Brandy und zwei Glaser. Es dauerte eine Weile, bis sich Aris Augen an die Dunkelheit gewohnt hatten. Vor ihm an der anderen Seite des Tisches stand sein Onkel Akiba. Sein Bart und sein Haar waren schneewei? geworden. Er stand gebeugt, und sein Gesicht war voller Falten. Ari ging langsam zu ihm hin und blieb vor ihm stehen. »Onkel Akiba«, sagte er.

»Ari, mein Junge.«

Die beiden umarmten sich, und nur mit Gewalt erwehrte sich der alte Mann seiner Ruhrung. Akiba nahm die Kerze hoch, hielt sie nahe an Aris Gesicht und lachelte. »Gut siehst du aus, Ari. Du hast deine Sache in Zypern gro?artig gemacht.«

»Danke, Onkel Akiba.«

»Wie ich hore, bist du mit einem Madchen hergekommen.«

»Ja, mit einer Amerikanerin, die uns geholfen hat. Sie ist eigentlich kein Freund unserer Sache. Und wie geht es dir, Onkel Akiba?« Akiba zog die Schultern hoch. »So gut, wie man das von einem alten Mann erwarten kann, der sich verborgen halten mu?. Es ist lange her, seit ich dich das letztemal gesehen habe, Ari — allzulange. Uber zwei Jahre. Es war schon, damals, als Jordana an der Universitat studierte. Sie war jede Woche einmal bei mir. Sie mu? inzwischen fast Zwanzig sein. Und wie geht es ihr? Ist sie immer noch in diesen Jungen verliebt?«

»Du meinst David ben Ami? Ja, die beiden lieben sich sehr. David war mit mir in Zypern. Er ist eine der gro?ten Hoffnungen unter unseren jungen Leuten.«

»Sein Bruder ist Makkabaer, wie du vielleicht wei?t. Und Ben Mosche war sein Lehrer auf der Universitat. Vielleicht kann ich ihn einmal kennenlernen.«

»Selbstverstandlich.«

»Wie ich hore, ist Jordana beim Palmach.«

»Ja, sie hat die Leitung des Kinderheimes in Gan Dafna, und sie arbeitet bei dem fahrbaren Geheimsender, wenn er von unserer Gegend aus Aufrufe an die arabische Bevolkerung richtet.«

»Dann mu? sie oft nach Ejn Or kommen.«

»Ja.« »Hat sie — hat sie jemals erzahlt, wie es dort jetzt aussieht?«

»Ejn Or ist so schon, wie es immer war.«

»Vielleicht kann ich es eines Tages einmal wiedersehen.« Akiba setzte sich an den Tisch und schenkte mit unsicherer Hand fur sich und Ari ein. Ari nahm ein Glas, und sie stie?en miteinander an.

»Le Chajim«, sagte Ari.

»Le Chajim.«

»Ich war gestern bei Avidan, Onkel Akiba. Er zeigte mir die Liste der in Palastina stationierten britischen Streitkrafte. Haben eure Leute diese Liste gesehen?«

»Wir haben gute Freunde beim Britischen Intelligence Service«, sagte Akiba.

Dann stand er auf und fing an, langsam im Raum auf und ab zu gehen. »Haven-Hurst mochte meine Organisation am liebsten ausradieren. Die Englander lassen es sich etwas kosten, die Makkabaer zu vernichten. Sie foltern unsere Gefangenen, sie hangen sie auf; alle unsere fuhrenden Leute haben sie des Landes verwiesen. Als ob es nicht schon schlimm genug ware, da? die Makkabaer die einzigen sind, die den Mut haben, den Englandern den Kampf anzusagen — nein, wir mussen au?erdem auch noch gegen Verrater unter unseren eigenen Leuten kampfen. O ja, Ari! Wir wissen sehr genau, da? uns die Hagana verraten und verkauft hat.«

»Das ist nicht wahr, Onkel Akiba!«

»Es ist wahr!«

»Nein! Erst heute war Haven-Hurst beim Jiwusch-Zentralrat und hat verlangt, da? die Hagana gegen die Makkabaer vorgehen soll, doch der Zentralrat hat dieses Ansinnen erneut abgelehnt.«

Akiba ging rascher auf und ab, und sein Zorn stieg. »Was glaubst du wohl, woher die Englander ihre Informationen bekommen, wenn nicht von der Hagana? Diese Feiglinge beim Zentralrat uberlassen es den Makkabaern, zu bluten und zu sterben. Diese Memmen verraten und verkaufen uns!«

»Ich bin nicht bereit, Onkel, mir das langer anzuhoren. Die meisten von uns in der Hagana und im Palmach brennen darauf, zu kampfen. Immer wieder verlangt man von uns, Zuruckhaltung zu uben, bis wir nahe daran sind, zu platzen, aber wir konnen schlie?lich nicht alles, was wir muhsam aufgebaut haben, gefahrden und zerstoren.«

»Aber wir, wir zerstoren, nicht wahr? Nun sag es schon!«

Ari bi? die Zahne zusammen und schwieg. Der alte Mann sprach noch eine Weile zornig weiter, dann brach er plotzlich ab, blieb stehen und lie? die Arme sinken. »Ich bin ein Meister darin, einen Streit anzufangen, wenn ich es gar nicht mochte.«

»Schon gut, Onkel.«

»Es tut mir leid, Ari. Da, trink noch einen Schluck, bitte.«

»Danke, ich mochte nicht mehr.«

Akiba wandte sich ab und fragte leise: »Wie geht es meinem Bruder?«

»Als ich ihn das letztemal sah, ging es ihm gut«, sagte Ari. »Er wird nach London fahren, um an den neuen Verhandlungen teilzunehmen.«

»Ja, der gute Barak. Reden wird er. Er wird reden bis zum Ende.« Akiba fuhr sich mit der Zunge uber die Lippen und fragte dann zogernd: »Wei? er eigentlich, da? du mich mit Jordana und Sara gelegentlich besuchst?«

»Doch, ich denke schon.«

Akiba sah seinen Neffen an. Seinem Gesicht war der Kummer anzusehen, der ihn bewegte. »Hat Barak — hat mein Bruder jemals danach gefragt, wie es mir geht?«

»Nein.«

Akiba lachte kurz und bitter, lie? sich auf den Stuhl fallen und schenkte sich noch einen Brandy ein. »Wie sonderbar ist das alles«, sagte er. »Ich war immer derjenige, der bose war, und Barak war immer der, der sich wieder vertrug. Hore, Ari — ich werde alt, sehr alt und sehr mude. Ich wei? nicht, wie lange ich es noch machen

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