»Na ja, schlie?lich brauchtet ihr ja auch keinen Sumpf zu entwassern, um Indiana darauf zu errichten.« Ari hatte eine ganze Menge auf dem Herzen. Er hatte Kitty gern gesagt, wie sehr er sich danach sehnte, nach Haus zu kommen, um als Landwirt seinen Grund und Boden bearbeiten zu konnen. Er hatte sie gern gebeten, zu begreifen, was es fur die Juden bedeutete, so ein Stuck Land zu besitzen. Kitty stand neben ihm uber den Zaun gelehnt und bewunderte die Leistung, die Yad El darstellte. Sie sah wunderbar aus. Ari hatte sie sehr gern in die Arme genommen, doch er tat und sagte nichts. Schweigend gingen beide am Zaun entlang, bis sie zu den Wirtschaftsgebauden kamen, wo sie das Gackern der Huhner und das Schnattern einer Gans begru?te. Er machte das Gatter auf. Die obere Angel war gebrochen.
»Das mu? ausgebessert werden«, sagte er. »Alles mogliche mu? hier bei uns ausgebessert werden. Ich bin dauernd unterwegs, und Jordana ist auch nicht zu Hause. Mein Vater mu? so oft verreisen, um an Konferenzen teilzunehmen. Ich furchte, das Anwesen der Familie Ben Kanaan ist eine Sache geworden, um die sich die Gemeinschaft wird kummern mussen. Aber eines Tages werden wir alle wieder zu Hause sein, und dann sollen Sie etwas kennenlernen, etwas, das sich wirklich sehen lassen kann.«
Sie gingen an der Scheune, dem Huhnerhaus und dem Gerateschuppen vorbei bis an den Rand der Felder. Ari zeigte mit der Hand auf die Berge in der Nahe der libanesischen Grenze. »Von hier aus konnen Sie Gan Dafna sehen«, sagte er.
»Die wei?en Hauser da?«
»Nein, das ist Abu Yesha, ein Araberdorf. Gan Dafna liegt rechts davon, ein Stuck hoher, auf dem Plateau mit den Baumen.«
»Ja, jetzt sehe ich es. Mein Gott, das liegt ja wirklich in den Wolken. Und was ist das fur ein Gebaude, das dahinter auf dem Gipfel des Berges liegt?«
»Das ist Fort Esther, eine britische Grenzbefestigung. Aber kommen Sie, ich mu? Ihnen noch etwas zeigen.«
Sie gingen in der sinkenden Dammerung durch die Felder. Die untergehende Sonne lie? die Hange der Berge in seltsamen Farben ergluhen. Am Ende der Felder kamen sie zu einer Waldung und zu einem Flu?, dessen Wasser dem Hule-See zustromten.
»Von diesem Flu? singen eure Farbigen in Amerika sehr schone Spirituals.«
»Ist das der Jordan?«
»Ja.«
Ari kam dicht an Kitty heran, und beide sahen sich ernst und feierlich an. »Gefallt es Ihnen?« fragte Ari. »Und mogen Sie meine Eltern?«
Kitty nickte wortlos. Sie wartete darauf, da? Ari sie in seine Arme nahm. Seine Hande beruhrten ihre Schultern.
»Ari! Ari! Ari!« rief jemand laut in ihrer Nahe. Ari lie? Kitty los und drehte sich um. Ein Reiter kam im Galopp auf sie zu, direkt aus der untergehenden roten Sonne.
»Jordana!« rief Ari.
Sie zugelte das schaumende Pferd, warf beide Arme hoch, stie? einen Freudenschrei aus, sprang ab und warf sich mit solchem Schwung auf Ari, da? beide zu Boden sturzten. Jordana bedeckte Aris Gesicht mit Kussen.
»Hor auf!« rief er abwehrend.
»Ari! Ich kuss' dich tot!«
Jordana kitzelte ihn, und beide rollten wie Ringkampfer am Boden herum. Schlie?lich mu?te Ari sie auf den Rucken legen und festhalten. Kitty betrachtete frohlich das Schauspiel der Geschwister. Doch dann bemerkte Jordana plotzlich, da? jemand zusah, und ihre Miene wurde ernst. Ari, der Kitty in der Freude fast vergessen hatte, lachelte verlegen, gab Jordana die Hand und half ihr auf die Beine. »Meine uberspannte Schwester. Ich vermute, sie hat mich mit David ben Ami verwechselt.«
»Guten Tag, Jordana«, sagte Kitty. »Mir ist, als kenne ich Sie schon; so viel hat mir David von Ihnen erzahlt.«
»Und Sie sind Katherine Fremont. Ich habe von Ihnen auch schon gehort.«
Die beiden gaben sich die Hand, doch die Begru?ung war kuhl, und Kitty wu?te nicht was sie davon halten sollte. Jordana wandte sich rasch ab, nahm ihr Pferd beim Zugel und fuhrte es zum Haus, wahrend Ari und Kitty hinterherkamen.
Jordana sah uber die Schulter zuruck und fragte Ari: »Wei?t du was von David?«
»Er ist fur ein paar Tage in Jerusalem. Er bat mich, dir auszurichten, da? er dich heute abend anrufen wurde. Er wird gegen Ende der Woche herkommen, falls du es nicht vorziehst, ihn in Jerusalem zu treffen.«
»Ich kann nicht fort, jetzt, da diese Neuen nach Gan Dafna gekommen sind.«
»Ja«, sagte Ari und blinzelte Kitty dabei zu, »da fallt mir eben ein — ich war in Tel Aviv bei Avidan. Er sagte da irgendwas — was war es eigentlich noch —, richtig, da? David nach Ejn Or zur Brigade Galilaa versetzt werden sollte.«
Jordana drehte sich um. Ihre blauen Augen wurden gro?, und sie war einen Augenblick lang unfahig, etwas zu sagen. »Ari, ist das wirklich wahr? Oder machst du dich uber mich lustig?«
Ari zog die Schultern hoch und sagte nur: »Dumme Gans.«
»Du Scheusal! Warum hast du mir das nicht gleich gesagt?«
»Ich wu?te nicht, da? es so wichtig war.«
Jordana war drauf und dran, sich erneut auf Ari zu sturzen und wieder einen Ringkampf mit ihm anzufangen; doch Kittys Anwesenheit hielt sie offensichtlich zuruck. »Ich bin glucklich«, sagte sie.
Kitty wurde abermals genotigt, eine Mahlzeit zu sich zu nehmen, und sie tat ihr Bestes, weil eine Ablehnung einem internationalen Zwischenfall gleichgekommen ware. Als das Abendessen beendet war, belud Sara alle Tische mit Speisen zur Bewirtung der Gaste, die man erwartete.
An diesem Abend kamen fast alle Leute von Yad El in das Heim der Familie Ben Kanaan, um Ari zu begru?en und um ihre Neugier auf die Amerikanerin zu befriedigen. Die Besucher, die hebraisch flusternd aufgeregte Vermutungen anstellten, waren rauhe, aber herzliche Leute. Sie gaben sich alle erdenkliche Muhe, Kitty als Ehrengast zu behandeln. Ari hielt sich den ganzen Abend uber in ihrer Nahe auf, um sie gegen einen Schwall von Fragen in Schutz zu nehmen, aber er mu?te staunend feststellen, wie leicht Kitty mit den Neugierigen, die sie bedrangten, fertigzuwerden verstand.
Im Verlauf des Abends wurde die kuhle Ablehnung, die Jordana gegenuber Kitty vom ersten Augenblick an gezeigt hatte, immer deutlicher. Kitty konnte Jordanas feindlicher Miene geradezu ablesen, da? sie dachte: Was bist du fur eine Frau, die du meinen Bruder haben willst?
Genau das war es auch, was Jordana bat Kanaan dachte, wahrend sie Kitty beobachtete, die eine vollendete Vorstellung gab und die neugierigen Farmer von Yad El bezauberte. Sie fand, Kitty sah genauso aus wie all diese unnutzen Luxuspuppen, die Frauen der englischen Offiziere, die ihre Zeit damit verbrachten, sich zum Tee zu treffen und zu schwatzen.
Es war schon sehr spat, als der letzte Gast gegangen war und Ari und Barak endlich allein miteinander reden konnten. Sie sprachen ausschlie?lich uber ihre Farm. Obwohl Ari, Jordana und Barak so lange nicht dagewesen waren, stand alles gut, weil der Moschaw nach dem Rechten gesehen hatte.
Barak suchte in dem Gewirr von Glasern, Schusseln und Tellern nach einer Flasche, in der vielleicht noch ein Restchen Cognak ubriggeblieben war, und schenkte sich und seinem Sohn ein Glas ein. Dann lie?en sich beide behaglich nieder und streckten die Beine von sich.
»Also, wie steht es denn nun mit deiner Mrs. Fremont? Wir sind alle machtig neugierig!«
»Tut mir leid, aber da mu? ich dich enttauschen. Sie ist in Palastina wegen eines Madchens, das mit der Exodus hergekommen ist. Soviel mir bekannt ist, mochte sie die Kleine spater gern adoptieren. Wir beide sind gute Freunde.« »Und sonst nichts?«
»Nichts.«
»Sie gefallt mir, Ari. Sie gefallt mir sehr gut, aber sie ist keine von uns. Warst du in Tel Aviv bei Avidan?«
»Ja. Ich werde fur die nachste Zeit hochstwahrscheinlich bei dem Palmach-Kommando in Ejn Or bleiben. Ich soll eine Schatzung uber unsere militarische Starke in den Siedlungen anstellen.«
»Das freut mich. Du bist so lange fortgewesen, da? es deiner Mutter guttun wird, dich eine Weile verwohnen zu konnen.«
»Und was ist mit dir, Vater?«