»Erzahlen Sie mir nicht, was dazugehort, eine Frau zu sein — Sie wissen es nicht, denn Sie sind keine. Sie benehmen sich, als waren Sie Tarzans Braut direkt aus dem Dschungel. Kamm und Burste waren kein schlechter Anfang, um das in Ordnung zu bringen, was bei Ihnen nicht stimmt.« Kitty schob Jordana beiseite, ging an ihren Kleiderschrank und ri? die Tur auf. »Da, sehen Sie sich das gut an: so was tragen Frauen.«

Jordana stieg vor Zorn das Wasser in die Augen.

»Wenn Sie mir das nachstemal etwas zu sagen haben, dann kommen Sie bitte in mein Buro«, sagte Kitty kalt. »Ich bin kein Kibbuznik und lege Wert auf mein Privatleben.«

Jordana warf die Tur so heftig zu, da? der Bungalow erzitterte.

Nach der mittaglichen Revierstunde kam Karen in Kittys Buro und lie? sich auf einen Stuhl fallen.

»Hallo«, sagte Kitty. »Wie ist es denn heute gegangen?«

Karen machte eine Bewegung mit den Handen. »Ich habe ganz lahme Hande — ich bin ein miserabler Melker«, verkundete sie mit dem Kummer des Teenagers. »Kitty, mir bricht das Herz, wirklich. Ich mu?, mu?, mu? mit dir reden.«

»Schie? los.«

»Nicht jetzt. Ich mu? gleich wieder fort. Wir sollen irgendwelche neuen ungarischen Gewehre reinigen. Gra?lich!«

»Die ungarischen Gewehre werden ein paar Minuten warten konnen. Was hast du denn fur einen Kummer, hm?«

»Yona, das Madchen, mit dem ich zusammenwohne. Gerade jetzt, wo wir so richtig gute Freundinnen werden, geht sie nachste Woche zum Palmach.«

Es gab Kitty einen Stich. Wie lange noch, und Karen kam und erzahlte ihr, da? sie gleichfalls zum Palmach ginge? Sie schob die Papiere auf ihrem Schreibtisch beiseite. »Hor mal, Karen — ich habe mir uberlegt — es fehlt wirklich an guten Pflegerinnen und Krankenschwestern, sowohl beim Palmach als auch in den Siedlungen. Du hast dir durch deine Arbeit mit den Kindern in den Lagern eine Menge Erfahrung erworben, und ich habe jetzt die ganzen schwierigeren Falle ubernommen. Meinst du, es hatte einen Sinn, wenn ich Dr. Liebermann um Erlaubnis bitte, da? du bei mit arbeitest und ich dich zu meiner Assistentin ausbilde?«

»Und ob das Sinn hatte!« Karen strahlte.

»Also gut. Ich will versuchen, da? du von der landwirtschaftlichen Arbeit dispensiert wirst und dich gleich nach der Schule hier bei mir meldest.«

»Ich wei? doch nicht so recht«, meinte Karen zogernd. »Es scheint mir nicht ganz fair gegenuber den anderen.«

»Wir in Amerika wurden sagen: die Leute verlieren keinen Farmer, sondern sie gewinnen eine Pflegerin.«

»Kitty, ich mu? dir ein schreckliches Gestandnis machen. Bitte sage es nicht der Jugend-Aliyah weiter und auch nicht der Zionistischen Siedlungsgesellschaft oder der Kibbuz-Zentrale — aber im Ernst, ich bin der schlechteste Farmer von Gan Dafna, und ich fande es einfach wunderbar, Pflegerin zu sein.«

Kitty stand auf, ging zu Karen und legte ihr den Arm um die Schulter. »Was meinst du, wenn Yona jetzt fort ist — ob du wohl Lust hattest, in meinen Bungalow umzuziehen und bei mir zu wohnen?«

Karens Gesicht begann plotzlich so vor Gluck zu strahlen, da? Kitty keine weitere Antwort auf ihre Frage brauchte.

Dr. Liebermann, dem Kitty anschlie?end ihren Wunsch vortrug, war einverstanden. Er meinte, es sei wichtiger, Liebe zu erweisen als Regeln aufzustellen. Der judischen Sache in Palastina wurde es keinen Abbruch tun, wenn es hier einen Farmer weniger und eine Pflegerin mehr gabe, sagte er.

Kitty beeilte sich, Karen die gute Nachricht zu uberbringen, und ging dann in ihr Buro zuruck. In der Mitte des Rasens blieb sie vor der Statue Dafnas stehen. Ihr war, als habe sie heute einen Sieg uber Dafna davongetragen. Wenn sie Karen bei sich hatte, konnte sie verhindern, da? aus der Kleinen ein fanatisches Sabre-Madchen wurde. Es war gut, ein festes Ziel zu haben; doch wenn man allzu ausschlie?lich fur ein bestimmtes Ziel lebte, gingen Fraulichkeit und weiblicher Charme verloren. Kitty war sich daruber klar, da? sie Jordana an einer Stelle getroffen hatte, an der sie verletzlich war. Jordana war mit einer Aufgabe aufgewachsen, die sie bedingungslos ausfuhrte, der sie ihr eigenes Gluck opferte. Jordana verstand nicht, mit den eleganten Frauen zu konkurrieren, die vom Kontinent und aus Amerika nach Palastina kamen. Sie ha?te Kitty, weil sie sich heimlich wunschte, ihr in manchen Dingen ahnlich zu sein.

»Kitty?« rief eine Stimme aus der Dunkelheit.

»Ja?«

»Ich hoffe, ich habe Sie nicht erschreckt.«

Es war Ari. Wahrend er herankam, fuhlte sich Kitty so hilflos wie stets in seiner Gegenwart.

»Es war mir leider bisher nicht moglich, herzukommen, um zu sehen, wie es Ihnen geht. Hat Ihnen Jordana meine Gru?e ausgerichtet?«

»Jordana?« sagte Kitty. »Doch, naturlich.«

»Und wie kommen Sie hier zurecht?«

»Sehr gut.«

»Ich wollte Sie fragen, ob Sie sich morgen freimachen konnten. Eine Palmach-Gruppe ersteigt morgen den Berg Tabor. Das ist ein Erlebnis, das man nicht versaumen sollte. Hatten Sie Lust, mitzukommen?«

»Ja, gro?e Lust.«

V.

Kurz nach Tagesanbruch kamen Ari und Kitty bei dem Kibbuz Beth Alonim — Haus der Eichen — am Fu?e des Berges Tabor an. Es war der Kibbuz, in dem wahrend des letzten Krieges der Palmach entstanden war und Ari Soldaten ausgebildet hatte.

Der Tabor machte auf Kitty einen sonderbaren Eindruck: Er war nicht hoch genug, um wirklich ein Berg zu sein, und doch viel zu hoch fur einen Hugel. Er erhob sich unvermittelt aus der Ebene, wie ein Daumen, der aus der Erde hervorstie?.

Nachdem sie in Beth Alonim gefruhstuckt hatten, rollte Ari zwei Wolldecken mit Marschverpflegung und Feldflaschen zusammen und holte sich aus der Waffenkammer eine Maschinenpistole. Er wollte mit Kitty vor den anderen in der Kuhle der Morgenstunden hinaufsteigen. Die Luft war frisch und belebend, und fur Kitty war das Ganze ein spannendes Abenteuer. Sie brachen von Beth Alonim auf, kamen durch das Araberdorf Dabburiya, das auf der anderen Seite des Berges am Fu?e des Tabor lag, und stiegen einen schmalen Pfad hinauf. Sehr bald konnten sie Nazareth sehen; das mehrere Kilometer entfernt war.

Es blieb kuhl, und sie stiegen rasch, wobei es Kitty allerdings klar wurde, da? ihr erster Eindruck eine Tauschung gewesen war: der Tabor hatte eine Hohe von mehr als sechshundert Metern. Dabburiya wurde immer kleiner und begann auszusehen wie ein Dorf aus der Spielzeugschachtel. Sie stiegen hoher und hoher.

Plotzlich blieb Ari stehen und sah sich wachsam um.

»Was ist?«

»Ziegen. Konnen Sie sie riechen?«

Kitty schnupperte: »Nein, ich rieche nichts.«

Ari sah aufmerksam den Pfad entlang, der einen Bogen machte und dann unsichtbar wurde.

»Wahrscheinlich Beduinen«, sagte er. »Im Kibbuz lag eine Meldung daruber vor. Sie mussen seit gestern hier in dieser Gegend sein. Kommen Sie.«

Als sie um die Biegung des Pfades herum waren, sahen sie vor sich am Hang ein Dutzend Zelte aus Ziegenfell, bei denen eine Herde kleiner schwarzer Ziegen graste. Zwei Beduinen mit Gewehren kamen auf sie zu. Ari sprach arabisch mit ihnen und folgte ihnen dann zu dem gro?ten der Zelte, das offensichtlich das Zelt des Scheichs war. Kitty sah sich um. Die Menschen machten den Eindruck armlicher Verkommenheit. Die Frauen trugen schwarze Gewander und starrten vor Dreck. Kitty konnte zwar die Ziegen nicht riechen, doch sie roch die Frauen. Ketten aus Munzen verbargen ihre Gesichter. Die Kinder waren in schmutzige Lumpen gehullt. Aus dem Zelt tauchte ein grauhaariges Wesen auf und begru?te Ari. Ari sprach kurz mit dem Alten und flusterte dann Kitty zu: »Wir mussen in sein Zelt gehen, sonst ist er beleidigt. Seien Sie ein braves Madchen und essen Sie, was er uns vorsetzt. Sie konnen es spater wieder ausspucken.«

Der Gestank im Innern des Zeltes war noch schlimmer als drau?en. Sie lie?en sich auf Matten aus Ziegenfell und Schafwolle nieder und tauschten Hoflichkeiten aus. Der Scheich war sehr beeindruckt davon, da? Kitty aus Amerika war. Er berichtete stolz, da? er einst eine Fotografie von Mrs. Roosevelt besessen habe.

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