anderes. Dov Landau ist aus Gan Dafna weggelaufen. Wir nehmen an, da? er nach Jerusalem gefahren ist, um sich den Makkabaern anzuschlie?en. Der Junge bedeutet fur sie sozusagen eine Lebensaufgabe. Durch das Schicksal ihres Vaters ist der Verlust von Dov fur sie noch schwerer geworden. Sie verzehrt sich in Sorge um ihn. Ich mochte Sie bitten, ihn ausfindig zu machen und nach Gan Dafna zuruckzubringen. Ich wei?, da? Sie uber die entsprechenden Verbindungen verfugen, um festzustellen, wo er ist. Und er wird zuruckkommen, wenn es Ihnen gelingt, ihm klarzumachen, da? Karen ihn braucht.«
Ari sah Kitty neugierig und verwundert an. »Jetzt verstehe ich gar nichts mehr«, sagte er. »Das Madchen gehort doch jetzt Ihnen. Dov Landau war der einzige Mensch, der Ihnen moglicherweise noch hatte hinderlich sein konnen, und er war so freundlich, dieses Hindernis selbst aus dem Wege zu raumen.«
Kitty sah ihn ruhig an. »Eigentlich sollte ich durch das, was Sie sagen, beleidigt sein. Ich bin aber nicht beleidigt, weil es wirklich so ist, wie Sie sagen. Es handelt sich nur darum, da? ich mein eigenes Gluck nicht auf ihrem Ungluck aufbauen kann. Ich kann mit ihr nicht nach Amerika gehen, solange diese Sache mit Dov nicht geklart ist.« »Das ist sehr edel von Ihnen.«
»Nein, Ari, meine Motive sind gar nicht so edel. Karen ist in allem sehr vernunftig, nur nicht in bezug auf diesen Jungen. Aber wir haben ja alle irgendwo unsere Schwachen. Sie wird viel rascher uber ihn hinwegkommen, wenn er in Gan Dafna ist. Dadurch, da? er bei den Makkabaern ist, verklart sich sein Bild in ihrer Vorstellung.«
»Sie mussen entschuldigen, Kitty, wenn ich so simpel und gradlinig denke. Sie denken um mehrere Ecken.«
»Ich liebe dieses Madchen, und ich finde, daran ist nichts, was finster oder hinterhaltig ware.«
»Sie wollen Karen klarmachen, da? es fur sie gar keine andere Moglichkeit gibt, als mit Ihnen zu gehen.«
»Ich will ihr klarmachen, da? es fur sie etwas Besseres gibt. Sie werden mir das vielleicht nicht glauben, aber wenn ich wu?te, da? es fur sie besser ware, in Palastina zu bleiben, dann ware ich dafur, da? sie hierbleibt.«
»Doch, vielleicht glaube ich Ihnen das sogar.«
»Konnen Sie, Hand aufs Herz, behaupten, da? ich irgend etwas Unrechtes tue, wenn ich sie nach Amerika mitzunehmen wunsche?« »Nein — daran ist nichts Unrechtes«, sagte Ari.
»Dann helfen Sie mir, Dov wieder nach Gan Dafna zu bekommen.« Lange Zeit sagten beide kein Wort. Dann druckte Ari seine Zigarette auf der Mauer aus. Er entfernte das Zigarettenpapier, ohne sich dieser Handlung bewu?t zu sein, verstreute den losen Tabak und knullte das Zigarettenpapier zu einer kleinen Kugel zusammen, die er in seine Tasche steckte. Er hatte von P. P. Malcolm gelernt, niemals irgendwo Zigarettenreste liegen zu lassen. Zigarettenstummel waren fur die Araber gute Wegweiser bei der Suche nach feindlichen Truppen.
»Das kann ich nicht«, sagte Ari.
»Doch, Sie konnen es. Vor Ihnen hat Dov Respekt.«
»Sicher, ich kann ihn ausfindig machen. Ich kann ihn sogar zwingen, nach Gan Dafna zuruckzukehren, und ich kann zu ihm sagen: ,Bleib hubsch dort, mein Kleiner, die Damen wunschen nicht, da? dir irgend etwas zusto?t.' Sehen Sie — Dov Landau hat eine personliche Entscheidung getroffen, die jeder Jude in Palastina mit seinem eigenen Gewissen abzumachen hat. Das Gefuhl dafur ist bei uns sehr stark ausgepragt. Mein Vater hat aus diesem Grunde seit funfzehn Jahren nicht mehr mit seinem Bruder gesprochen. Jede Faser an Dov Landau verlangt nach Rache. Dieses Verlangen treibt ihn mit solcher Intensitat, da? nur Gott oder eine Kugel ihn aufhalten konnen.«
»Das klingt fast so, als hie?en Sie das grausame Vorgehen der Terroristen gut.«
»Zuweilen stimme ich vollig mit ihnen uberein. Und manchmal lehne ich sie vollig ab. Jedenfalls mochte ich mich nicht zu ihrem Richter aufwerfen. Wer bin ich, und wer sind Sie, da? wir sagen konnten, Dov Landaus Entschlu? sei nicht gerechtfertigt? Sie wissen, was man ihm angetan hat. Und Sie irren sich auch in einem anderen Punkt: wenn er nach Gan Dafna zuruckgebracht wird, kann er nur noch mehr Leid uber das Madchen bringen. Dov mu? tun, was er tun mu?.«
Kitty stand auf, strich ihren Rock glatt, und beide gingen gemeinsam auf das Gartentor zu. »Ja, Ari«, sagte Kitty schlie?lich, »Sie haben recht.«
Als sie zu seinem Wagen gingen, der vor dem Haus stand, kam Sutherland zu ihnen heran. »Sind Sie langer hier in der Gegend, Ben Kanaan?« fragte er.
»Ich habe in Safed noch einiges zu erledigen, und das mochte ich gern hinter mich bringen.«
»Wollen Sie anschlie?end nicht wieder herkommen und mit uns zu Abend essen?«
»Ja, eigentlich —.«
»Bitte«, sagte Kitty.
»Also gut. Besten Dank.«
»Schon. Kommen Sie wieder her, sobald Sie Ihre Angelegenheiten in Safed erledigt haben.«
Sie winkten ihm nach, wahrend er in raschem Tempo die Stra?e hinunterfuhr, vorbei an dem Teggart-Fort, bis er schlie?lich hinter einer Biegung verschwunden war.
»Er, der uber Israel wacht, schlaft und schlummert nicht«, sagte Kitty.
»Mein Gott, Kitty — sind Sie auch schon soweit, da? Sie aus der Bibel zitieren?«
Sie gingen in den Garten hinter dem Haus.
»Er sieht uberanstrengt aus«, sagte Kitty.
»Ich finde«, sagte Sutherland, »fur einen Mann, der hundertundzehn Stunden in der Woche arbeitet, sieht er gut aus.«
»Ich habe noch bei keinem Menschen eine solche Hingabe an seine Sache erlebt — oder sollte man es vielleicht Fanatismus nennen? Ich war ubrigens uberrascht, Bruce, ihn hier zu sehen. Ich wu?te gar nicht, da? Sie mit ihm zu tun haben.«
Sutherland stopfte sich seine Pfeife. »Ich bin eigentlich nicht aktiv beteiligt. Die Hagana hat sich an mich gewandt und mich gebeten, eine Schatzung uber die Starke der arabischen Streitkrafte au?erhalb Palastinas aufzustellen. Sie mochten ganz einfach die Meinung eines unparteiischen Fachmannes horen. Ubrigens, Kitty, meinen Sie nicht, es ware allmahlich an der Zeit, da? Sie sich einmal ehrlich klarmachen, wo Sie eigentlich stehen?«
»Ich habe Ihnen doch erklart, da? ich nicht die Absicht habe, Partei zu ergreifen.«
»Ich furchte, Kitty, Sie spielen Vogel Strau?. Sie befinden sich in der Mitte eines Schlachtfeldes und sagen: Bitte schie?t nicht auf mein Haus, ich habe die Jalousien heruntergelassen.«
»Ich bleibe nicht in Palastina, Bruce.«
»Dann sollten sie moglichst bald abreisen. Wenn Sie meinen, Sie konnten weiter so hier leben, wie Sie es bisher getan haben, irren Sie sich.«
»Ich kann im Augenblick noch nicht fort. Ich mu? noch ein Weilchen warten, bis sich Karen von ihrem Schock erholt hat.«
»Ist das wirklich der einzige Grund?«
Kitty schuttelte den Kopf. »Ich glaube, ich habe Angst vor einer Kraftprobe. Zuweilen bin ich mir vollig sicher, da? ich mit diesem Problem — Karen und Palastina — fertig geworden bin. Doch dann wieder, wie eben in diesem Augenblick, habe ich Angst davor, es auf eine Probe ankommen zu lassen.«
Als Ari zum Essen kam, konnten sie von Sutherlands Haus aus den Vollmond sehen, der uber der Stadt stand.
»Drei gro?e Gaben hat der Herr Israel versprochen, doch jede dieser Gaben wird durch Leiden errungen werden. Eine davon ist das Land Israel«, sagte Sutherland. »So sprach Bar Yochai vor zweitausend Jahren. Mir scheint, das war der Ausspruch eines sehr weisen Mannes.«
»Weil wir gerade von klugen Leuten reden«, sagte Ari, »ich fahre morgen nach Tiberias, an den See Genezareth. Sind Sie schon einmal dort gewesen, Kitty?«
»Nein, ich bin bisher leider nur sehr wenig herumgekommen.« »Dann sollten Sie sich diesen See einmal ansehen. Und zwar moglichst bald. In ein paar Wochen wird dazu allzu dicke Luft sein.« »Warum nehmen Sie Kitty dann nicht mit?« sagte Karen.
Fur einen Augenblick herrschte verlegenes Schweigen. Dann sagte Ari: »Das — das ist wirklich eine gute Idee. Ich konnte mir meine Arbeit so einteilen, da? ich ein paar Tage Urlaub machen kann. Warum wollen wir eigentlich nicht alle hinfahren, zu viert?«
»Ich habe keine Lust«, sagte Karen. »Ich bin schon zweimal mit unserer Gadna-Jugend hinmarschiert.«
Bruce Sutherland fing den Ball auf, den ihm Karen zugespielt hatte. »Ohne mich, alter Junge. Ich war schon ein dutzendmal dort.« »Warum willst du nicht wirklich mit Ari hinfahren?« sagte Karen. »Ich glaube, es ist besser,