Seite um.
»Dov! Dov! Dov!«
»Sprich mit ihr, Junge«, rief Akiba laut. »Geh nicht in dem feindlichen Schweigen aus der Welt, zu dem mein Bruder mich verurteilt hat. Sprich mit ihr, Junge.«
Dov legte das Buch aus der Hand und erhob sich von seiner Koje. Er gab dem Posten ein Zeichen, und der Mann schlo? die Tur von Dovs Zelle auf. Dov ging zu der Offnung in der Wand und sah hindurch. Er konnte nur ihr Gesicht sehen.
Karen sah in seine Augen. Sie blickten kalt und bose.
»Ich habe es satt mit diesen Tricks«, sagte er bissig. »Wenn man dich hergeschickt hat, damit du mich bittest, ich mochte doch unterschreiben, dann kannst du gleich wieder gehen. Ich werde diese Hunde nicht um Gnade bitten.«
»Sprich nicht so mit mir, Dov.«
»Ich wei?, da? man dich hergeschickt hat.«
»Kein Mensch hat mich aufgefordert, hierherzukommen — ich schwore es dir.«
»Weshalb bist du dann uberhaupt hergekommen?«
»Ich wollte dich nur noch einmal sehen.«
Dov bi? die Zahne zusammen und bemuhte sich krampfhaft, nicht weich zu werden. Warum mu?te sie auch herkommen? Sein Verlangen, ihre Wange zu beruhren, war so ubermachtig, da? es ihn fast umbrachte.
»Wie geht es dir denn?« fragte sie.
»Wie mir's geht? Oh, prima.«
Beide blieben lange stumm. Dann sagte Karen:
»Dov — was du da an Kitty geschrieben hast — meintest du das wirklich, oder hast du es nur geschrieben, um —.«
»Ich meinte es wirklich.«
»Ich wollte es nur wissen.«
»Na schon, dann wei?t du es jetzt.«
»Ja, jetzt wei? ich es. Dov — ich werde bald aus Erez Israel weggehen. Ich gehe nach Amerika.«
Dov zuckte die Schultern.
»Ich hatte wohl besser doch nicht herkommen sollen. Es tut mir leid, da? ich dir lastig gefallen bin.«
»Das ist schon in Ordnung. Ich wei?, du hast es gut gemeint. Meine Freundin, die wurde ich wirklich gern noch mal sehen. Aber das ist eine Makkabaerin, die kann nicht herkommen. Sie ist so alt wie ich, wei?t du.«
»Ja, ich wei?.«
»Ist ja auch egal. Du bist ein netter Kerl, Karen — und — hm — fahr du ruhig nach Amerika und denk nicht mehr an all das hier. Ich wunsche dir alles Gute.«
»Ich glaube, es ist besser, wenn ich jetzt gehe«, sagte Karen leise. Sie stand auf. Dov verzog keine Miene.
»Karen!«
Sie wandte sich rasch um.
»Hm — wei?t du — eigentlich konnten wir uns noch mal die Hand geben — falls der Posten nichts dagegen hat.«
Karen streckte ihre Hand durch die Offnung in der Wand, und Dov nahm sie in seine beiden Hande, druckte sie, und pre?te seine Stirn gegen die Mauer und schlo? die Augen.
Karen ergriff seine Hand und zog sie durch die Offnung heruber auf ihre Seite.
»Nein«, sagte er, »nicht —.« Doch er uberlie? ihr seine Hand.
Sie ku?te seine Hand, druckte sie an ihre Wange und ihre Lippen, und er fuhlte, wie ihre Tranen darauffielen. Und dann war sie fort. Die Tur seiner Zelle fiel laut hinter ihm zu. Dov warf sich auf seine Bettstatt. Er konnte sich nicht erinnern, jemals in seinem Leben Tranen vergossen zu haben. Doch jetzt war es ihm unmoglich, sie zuruckzuhalten. Er drehte sich zur Wand, damit die Posten und Akiba sein Gesicht nicht sehen konnten; er weinte lautlos, aus tiefstem Herzen.
Barak ben Kanaan war einer der Berater, die den Untersuchungsausschu? der UNO auf seiner Reise durch Palastina begleiteten. Die Juden konnten mit Stolz zeigen, was sie in Palastina geleistet hatten. Die Delegierten der UNO waren sehr beeindruckt von dem Kontrast, der zwischen den judischen und den arabischen Gemeinden bestand. Ben Gurion, Weizmann, Barak und die ubrigen Kopfe des Jischuw-Zentralrats verstanden es mit au?erordentlichem Geschick und ohne herausfordernde Geste, uberzeugend die moralische Berechtigung der judischen Anspruche darzulegen.
Auf arabischer Seite inszenierte der vom Klan der Husseini gesteuerte Gro?arabische Aktionsausschu? erbitterte Demonstrationen gegen die UNO. Sie versagten den Delegierten den Zutritt zu einer ganzen Reihe von arabischen Ortschaften, die so dreckig waren und in denen Menschen unter so menschenunwurdigen Bedingungen arbeiten mu?ten, da? sich selbst dem starksten Mann der Magen umgedreht hatte. Als der Untersuchungsausschu? mit seinen Ermitthingen begann, versuchten die arabischen Behorden ihn auf alle Weise zu boykottieren.
Den Mitgliedern des Untersuchungsausschusses wurde sehr bald klar, da? irgendein Kompromi? in Palastina nicht zu erreichen war. Vom rein rechtlichen Standpunkt aus mu?te die UNO eine Schlichtung des Streites zugunsten der Juden empfehlen; andererseits war aber auch das Gewicht der arabischen Drohungen zu bedenken.
Als der Untersuchungsausschu? das Land bereist und seine Ermittlungstatigkeit abgeschlossen hatte, schickten sich die Delegierten an, sich wieder nach Genf zu begeben, um dort das Ergebnis ihrer Feststellungen zu analysieren, wahrend ein Unterausschu? gleichzeitig die DP-Lager in Europa inspizierte, in denen sich noch immer eine Viertelmillion verzweifelter Juden befand. Danach wollten sie der Vollversammlung der UNO ihre Vorschlage unterbreiten. Barak ben Kanaan wurde wieder einmal beauftragt, nach Genf zu reisen, um dort seine beratende Tatigkeit fortzusetzen.
Einige Tage vor seiner Abreise nach Genf kam er nach Yad El, um noch eine Weile bei Sara sein zu konnen, die sich, obwohl er doch schon so oft ins Ausland gefahren war, noch immer nicht ganz daran gewohnt hatte. Und genausowenig konnte sie sich an die dauernde Abwesenheit von Jordana und Ari gewohnen.
Ari und David ben Ami waren in dem nicht weit von Yad El gelegenen Kibbuz Ejn Or, in dem sich das Palmach-Hauptquartier fur das Hule-Gebiet befand. Beide kamen zu einem Abschiedsessen nach Yad El, zu dem auch Jordana aus Gan Dafna erschien.
Barak war den ganzen Abend uber sehr in Gedanken und bedruckt. Er sprach kaum, und das Essen verlief schweigend.
»Ich nehme an, du hast gehort, da? Mrs. Fremont Palastina verla?t«, sagte Jordana am Ende des Abendessens.
»Nein, davon wu?te ich gar nichts«, sagte Ari, der versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr ihn diese Nachricht uberraschte. »Ja, sie geht wieder nach Amerika«, sagte Jordana. »Sie hat Dr. Liebermann gekundigt und nimmt die kleine Clement mit. Ich wu?te, da? sie sich bei den ersten Anzeichen ernstlicher Schwierigkeiten aus dem Staube machen wurde.«
»Warum sollte sie nicht nach Amerika zuruckgehen?« sagte Ari. »Sie ist schlie?lich Amerikanerin, und nach Palastina ist sie nur wegen Karen Clement gekommen.«
»Sie hat nie etwas fur uns ubrig gehabt«, sagte Jordana bissig.
»Das ist nicht wahr«, sagte David.
»Verteidige sie nicht dauernd, David.«
»Sie ist ein reizender Mensch«, sagte Sara ben Kanaan, »und ich hab' sie gern. Sie ist oft nach Yad El gekommen und hat mich besucht. Sie war sehr gut zu den Kindern, und die Kinder lieben sie.« »Es ist besser, wenn sie wegfahrt«, sagte Jordana. »Es ist eine Schande, da? sie dieses Madchen mitnimmt, doch sie hat die Kleine so verwohnt und verzogen, da? man gar nicht mehr auf den Gedanken kommen kann, Karen Clement sei eine Judin.«
Ari stand auf und ging hinaus.
»Warum mu?t du Ari absichtlich verletzen?« sagte Sara argerlich. »Du wei?t doch, was er fur sie empfindet, und sie ist ein Mensch mit gro?en Qualitaten.«
»Trotzdem ist es besser fur ihn, wenn er sie los ist«, sagte Jordana. »Und wer bist du, da? du dir ein Urteil daruber anma?t, was das Herz eines Mannes empfindet?« sagte Barak.