David ergriff Jordanas Hand. »Du hast mir versprochen, da? wir heute abend noch zusammen ausreiten.«
»Du stehst auch auf ihrer Seite, David.«
»Ich hab' Kitty Fremont gern. Komm, wir wollen reiten.«
Jordana ging langsam hinaus, und David folgte ihr.
»La? die beiden, Sara«, sagte Barak. »David wird ihr schon den Kopf zurechtsetzen und sie beruhigen. Ich furchte, unsere Tochter ist auf Mrs. Fremont eifersuchtig, und dazu hat sie auch allen Grund. Doch eines Tages werden auch bei uns die Madchen Zeit haben, Frauen zu sein.«
Barak ruhrte in seinem Tee, und seine Frau trat hinter seinen Stuhl und legte ihre Wange auf sein dichtes rotes Haar. »Barak«, sagte sie, »du kannst nicht so weitermachen. Du mu?t mit deinem Bruder reden, oder du wirst es bis an dein Lebensende bereuen.«
Barak streichelte die Hand seiner Frau. »Ich will mal sehen, wo Ari ist«, sagte er.
Ari stand in der Nahe des Obstgartens und sah hinauf in die Berge, wo Gan Dafna lag.
Barak trat zu ihm und sagte: »Bedeutet sie dir so viel, mein Sohn?«
Ari zuckte die Achseln.
»Ich mochte sie auch sehr gern«, sagte Barak.
»Was soll's?« sagte Ari. »Sie kommt aus einer anderen Welt, und jetzt geht sie dorthin zuruck.«
Barak hakte seinen Sohn unter, und sie gingen zusammen durch die Felder ihrer Farm an das Ufer des Jordan. Sie sahen Jordana und David davonreiten und horten, wie sie miteinander lachten.
»Siehst du, Jordana ist schon daruber hinweg. Und wie steht es denn mit dem Palmach in Ejn Or?«
»Wie immer, Vater. Prachtige Jungens und Madchen, aber es sind zu wenig, und wir haben zu wenig Waffen. Wir konnen nicht hoffen, einen Krieg zu gewinnen, bei dem uns sieben Armeen gegenuberstehen.«
Auf den Feldern begannen sich die Wasserspruher zu drehen, und neben Fort Esther versank die Sonne hinter den libanesischen Bergen. Lange sahen der Vater und der Sohn auf das Land, das ihnen gehorte. Beide fragten sich, ob wohl jemals eine Zeit kommen wurde, wo man sich uber nichts anderes Gedanken machte, als daruber, da? ein Zaun auszubessern oder ein Stuck Land umzupflugen sei.
»Gehen wir wieder ins Haus«, sagte Ari. »Mutter ist allein.«
Ari wollte gehen, da spurte er plotzlich die schwere Hand seines Vaters auf seiner Schulter. Er drehte sich um. Sein Vater hatte den Kopf gesenkt, und sein Gesicht verriet tiefe Trauer. »In zwei Tagen fahre ich nach Genf. Ich fahre mit einem so schweren Kummer fort, wie ich ihn noch nie gespurt habe. Funfzehn Jahre lang hat jemand an unserem Tisch gefehlt. Ich war hochmutig und hartnackig, doch ich habe meinen Stolz mit qualendem Schmerz bezahlt. Und jetzt ist dieser Schmerz fur mich zu einer hollischen Qual geworden. Ari, mein Sohn — la? meinen Bruder Akiba nicht an einem englischen Galgen enden!«
XVI.
Am Vorabend der Abreise des Untersuchungsausschusses der UNO gingen in Jerusalem die Wogen hoch. Im arabischen Sektor larmten die von Demagogen aufgewiegelten Massen. Die einzelnen Stadtteile waren voneinander durch Stacheldrahtsperren mit Maschinengewehrnestern getrennt und wurden von englischen Soldaten bewacht.
Ari ben Kanaan bewegte sich durch die ganze Stadt und suchte alle ihm bekannten Schlupfwinkel Bar Israels auf, um sich durch ihn mit den Makkabaern in Verbindung zu setzen. Doch Bar Israel schien wie vom Erdboden verschwunden und war nirgendwo aufzufinden. Zwischen den Makkabaern und der Hagana hatte es, seit die Englander Akiba und den Kleinen Giora gefangengenommen hatten, keine Verbindung mehr gegeben. Schlie?lich aber gelang es Ari, der uber alle Informationsquellen verfugte, festzustellen, da? sich Bar Israel im Zimmer eines Hauses aufhielt, das im Stadtteil El Katamon lag.
Ari ging unverzuglich hin. Er betrat den Raum ohne anzuklopfen. Bar Israel war gerade dabei, eine Partie Schach zu spielen. Er hob den Kopf, sah Ari an, und beschaftigte sich dann wieder mit den Figuren auf dem Schachbrett.
»Lassen Sie uns allein«, sagte Ari zu dem anderen Schachspieler, schob ihn aus dem Zimmer und machte die Tur hinter ihm zu. Dann sagte er zu Bar Israel: »Sie wissen ganz genau, da? ich Sie gesucht habe.«
Bar Israel zog die Schultern hoch und zundete sich eine Zigarre an. »Naturlich wei? ich es. Schlie?lich haben Sie uberall in Jerusalem an die funfzig Liebesbriefe hinterlassen.«
»Warum haben Sie sich dann nicht mit mir in Verbindung gesetzt? Ich bin seit vierundzwanzig Stunden in Jerusalem.«
»Genug der dramatischen Einleitung. Sagen Sie mir lieber, was Sie eigentlich wollen?«
»Bringen Sie mich zu Ben Mosche.«
Bar Israel schuttelte den Kopf. »Wir spielen nicht mehr mit euch. Wir haben etwas dagegen, da? Kommandeure der Hagana wissen, wo unser Hauptquartier ist.«
»Sie sprechen nicht mit einem Kommandeur der Hagana. Sie sprechen mit Ari ben Kanaan, dem Neffen von Akiba.«
»Ari, ich halte Sie personlich fur zuverlassig — aber Befehl ist Befehl.«
Ari ri? Bar Israel von seinem Stuhl hoch, da? der Tisch umfiel und die Schachfiguren uber den Fu?boden rollten. Er fa?te den kleinen Orientalen an den Rockaufschlagen und schuttelte ihn, wie man einen leeren Sack schuttelt. »Sie bringen mich zu Ben Mosche, oder ich drehe Ihnen den Hals um.«
Ben Mosche sa? an seinem Schreibtisch im Hauptquartier der Makkabaer, das sich in einem Haus des Griechischen Viertels befand. Neben ihm stand Nachum ben Ami. Die beiden Manner betrachteten den verlegenen Bar Israel und Ari ben Kanaan mit sehr unfreundlichen Blicken.
»Wir alle wissen doch, wer Ari ist«, sagte Bar Israel, auf dessen Stirn kleine Schwei?perlen standen, mit unsicherer Stimme. »Ich dachte, ich konnte es riskieren.«
»Raus!« fauchte ihn Ben Mosche an. »Wir sprechen uns noch.« Bar Israel verlie? eiligst den Raum.
»Ja, Ben Kanaan, nachdem Sie einmal da sind — was wunschen Sie?«
»Ich mochte wissen, was Sie in bezug auf Akiba und den Jungen zu tun beabsichtigen.«
»Was wir zu tun beabsichtigen? Selbstverstandlich gar nichts. Was konnten wir schon tun?«
»Sie lugen!« sagte Ari.
»Ob wir nun etwas unternehmen oder nicht, jedenfalls geht es dich nicht das geringste an«, sagte Nachum.
Ari knallte die Faust mit solcher Wucht auf die Platte des Schreibtischs, da? das Holz krachte. »Es geht mich etwas an! Akiba ist mein Onkel!«
Ben Mosche blieb eisig. »Wir haben keine Lust mehr, mit Verratern zusammenzuarbeiten.«
Ari beugte sich uber den Schreibtisch, bis sein Gesicht kaum eine Handbreit von dem Gesicht Ben Mosches entfernt war. »Ich kann Sie nicht riechen, Ben Mosche, und dich kann ich auch nicht riechen, Nachum ben Ami. Doch ich verlasse diesen Raum nicht eher, als bis ich wei?, was ihr vorhabt.«
»Du scheinst zu wunschen, da? wir dir eine Kugel durch den Kopf jagen.« »Du haltst jetzt den Mund, Nachum, oder ich mache Kleinholz aus dir«, sagte Ari.
Ben Mosche nahm bedachtig seine Brille ab, hob sie gegen das Licht, putzte sie und setzte sie wieder auf. »Ari, Sie haben so eine liebenswurdige Art der Uberredung«, sagte er. »Wir haben die Absicht, uns in das Gefangnis zu begeben und Akiba und den Kleinen Giora herauszuholen.«
»Das hatte ich mir schon gedacht. Und wann?«
»Ubermorgen.«
»Ich komme mit.«
Nachum wollte protestieren, doch Ben Mosche hob die Hand und gebot ihm, zu schweigen.
»Geben Sie mir Ihr Wort, da? die Hagana nichts davon wei?, da? Sie hier sind?«
»Ich gebe Ihnen mein Wort.«
»Was ist sein Wort schon wert?« sagte Nachum.
»Wenn jemand, der Ben Kanaan hei?t, mir sein Wort gibt, so genugt mir das«, sagte Ben Mosche.
»Mir gefallt das Ganze nicht«, sagte Nachum.
»Das tut mir leid, aber da kann ich nichts machen«, sagte Ben Mosche. »Sie sind sich ja wohl klar, Ari, was dieses Unternehmen bedeutet. Wir haben alle Krafte aufgeboten, die wir zur Verfugung haben. Sie haben im Gefangnis von Akko gesessen, Sie wissen, was das fur ein Ding ist. Wenn uns diese Sache gelingt, dann bricht das den Englandern das Genick.«