Kompanien auf, die nach Akko durchzusto?en versuchten.
Ari uberlegte kurz und fa?te rasch seinen Entschlu?. Er fragte den Fahrer. »Konnen Sie hier seitlich von der Stra?e uber die Felder fahren und an der englischen Truppe da vorbeikommen?«
»Ich werde es versuchen.«
Sie bogen von der Stra?e ab und fuhren schwankend und holpernd uber das Ackerland, um das Kampfgebiet im Bogen zu umgehen. Es gelang ihnen, an den zwei britischen Kompanien vorbeizukommen, und der Wagen bog wieder ein, um die Stra?e zu erreichen. Zwolf englische Soldaten rannten hinter dem Wagen her und schossen im Laufen auf ihn. Gerade als die vorderen Reifen die Stra?e wieder erreichten, schlug ein Gescho?hagel in das Chassis, da? der Wagen schwankte. Ari ri? Akiba vom Sitz und druckte ihn auf den Boden. Rings um den Wagen peitschten die Schusse durch die Luft. Die Hinterrader des Wagens drehten sich wild und gruben sich in die Erde ein. Der Fahrer schaltete den Ruckwartsgang ein. Wieder traf eine Salve das Chassis. Zwei Soldaten mit Maschinenpistolen waren inzwischen gefahrlich nahe herangekommen. Ari eroffnete aus dem hinteren Fenster das Feuer auf sie. Der eine Soldat sturzte. Der andere hob seine Maschinenpistole und gab einen langen Feuersto? ab.
Akiba schrie auf. Ari fiel auf Akiba. Im gleichen Augenblick erreichte der Wagen die Stra?e und scho? davon.
»Alles in Ordnung dahinten?«
»Wir sind beide getroffen.«
Ari richtete sich auf und untersuchte sein rechtes Bein. Die Innenseite des Oberschenkels war ohne Gefuhl. Das Gescho? war tief ins Fleisch gedrungen. Die Wunde blutete nur wenig, er verspurte auch keinen starken Schmerz; nur ein Brennen.
Er kniete sich auf den Boden, drehte Akiba herum und ri? dessen blutgetranktes Hemd auseinander. Akibas Bauch war eine klaffende Wunde.
»Wie steht es mit ihm?« fragte der Makkabaer, der vorn neben dem Fahrer sa?.
»Schlecht — sehr schlecht.«
Akiba war bei Bewu?tsein. Er zog Ari dicht zu sich herunter.
»Ari«, sagte er, »werde ich durchkommen?«
»Nein, Onkel.«
»Dann bring mich irgendwohin, wo sie mich nicht finden — verstehst du?«
»Ja«, sagte Ari, »ich verstehe.«
Der Wagen erreichte Kfar Masaryk, wo ein Dutzend Siedler bereitstanden, um den englischen Dienstwagen zu verstecken und einen Lastwagen fur die Fortsetzung der Flucht zur Verfugung zu stellen. Akiba hatte gro?en Blutverlust erlitten und war bewu?tlos, als man ihn aus dem Wagen holte. Ari nahm sich einen Augenblick Zeit, um Sulfonamid in seine Wunde zu schutten und sich einen Druckverband zu machen. Die beiden Makkabaer, die mit ihm gefahren waren, nahmen ihn auf die Seite.
»Der alte Mann geht uns drauf, wenn wir mit ihm noch weiter fahren. Er mu? hierbleiben und sofort in arztliche Behandlung kommen.«
»Nein«, sagte Ari.
»Sind Sie wahnsinnig?«
»Hort jetzt mal gut zu, ihr beiden. Er hat keinerlei Chance, mit dem Leben davonzukommen. Und selbst wenn er durchkame, wurden ihn die Englander hier finden. Wenn wir ihn hierlassen und er stirbt, dann wird das in ganz Palastina bekannt. Niemand au?er uns darf wissen, da? es Akiba nicht gelungen ist, zu fliehen. Die Englander durfen nie erfahren, da? er tot ist.«
Die beiden Makkabaer nickten zustimmend. Sie sprangen auf den Vordersitz des Lastwagens, Ari legte seinen Onkel hinten hinein und setzte sich neben ihn. Aris Bein fing an zu schmerzen. Der Lastwagen fuhr in sudlicher Richtung davon, an Haifa vorbei, und nahm dann die Kurven der schmalen Stra?e, die zum Karmelberg hinauffuhrt. Ari hielt seinen bewu?tlosen Onkel auf seinem Scho?, wahrend der Wagen holpernd uber die schlechte Stra?e fuhr und schwankend die gefahrlichen Biegungen nahm. Sie fuhren hoher und hoher den Karmelberg hinauf, bis in das einsame Gebiet, in dem nur noch die Drusen wohnten.
Akiba offnete die Augen. Er versuchte, etwas zu sagen, doch er war dazu nicht mehr imstande. Er erkannte Ari. Auf seinem Gesicht erschien ein Lacheln, dann sackte sein Korper in Aris Armen zusammen.
Eine Meile vor dem Drusendorf Daliyat el Karmil fuhr der Lastwagen in ein kleines Waldchen und hielt an. Hier wartete bereits Mussa, ein Druse und Mitglied der Hagana, mit einem Eselskarren. Ari stieg muhsam von dem Wagen herunter. Er rieb sein verwundetes Bein. Seine Jacke und seine Hosen waren von Akibas Blut getrankt. Mussa sturzte erschreckt auf ihn zu.
»Mir fehlt nichts«, sagte Ari. »Hol Akiba vom Wagen. Er ist tot.« Mussa nahm den toten Akiba und legte den Leichnam des alten Mannes auf seinen Eselskarren.
»Ihr beide seid Makkabaer«, sagte Ari. »Niemand darf erfahren, da? Akiba tot ist, au?er Ben Mosche oder Nachum. Und jetzt fahrt ihr mit dem Wagen wieder zuruck und saubert ihn. Mussa und ich werden meinen Onkel begraben.«
Der Lastwagen fuhr eilig davon.
Ari stieg auf den Eselskarren. Er fuhr an dem Dorf vorbei und zum hochsten Punkt des Karmelberges. Es begann bereits zu dammern, als sie einen kleinen Wald erreichten, der ein Denkmal des gro?ten aller hebraischen Propheten enthielt, des Propheten Elias, Nicht weit von dem Denkmal des Elias hoben Mussa und Ari eine flache Grube aus. »Wir wollen ihm das rote Zeug ausziehen«, sagte Ari.
Dem Toten wurde das Kostum ausgezogen, mit dem die Englander den zum Tod Verurteilten bekleidet hatten. Dann wurde Akiba ins Grab gelegt und mit Erde zugeschaufelt; die Stelle bedeckten sie mit Zweigen. Mussa begab sich zu seinem Eselskarren und wartete auf Ari. Ari kniete lange am Grab seines Onkels. Das Leben Jakob Rabinskis war von seiner ersten bis zu seiner letzten Stunde Kummer und Sorge gewesen. Nun hatte er, nach so vielen Jahren der Qual, endlich Ruhe und Frieden. Eines Tages, dachte Ari, werden alle Leute wissen, wo Akiba den ewigen Schlaf schlaft, und diese Stelle wird dann fur alle Juden zu einem Ort der Verehrung werden.
»Leb wohl, Onkel«, sagte Ari. »Ich habe dir nicht einmal mehr sagen konnen, da? dein Bruder dir verziehen hat.«
Ari stand auf. Er wankte, schrie vor Schmerz laut auf und sturzte ohnmachtig zu Boden.
XVII.
Kitty und Dr. Liebermann waren bedruckt, als sie im Buro einige geschaftliche Dinge besprachen.
»Ich wollte, ich wu?te einen Weg, um Sie hier bei uns zu behalten«, sagte Dr. Liebermann.
»Das ist lieb von Ihnen«, sagte Kitty. »Es wird mir jetzt, wo es soweit ist, auch merkwurdig schwer. Ich hatte gar nicht gewu?t, wie sehr ich mit Gan Dafna verwachsen bin. Ich habe den gro?ten Teil der letzten Nacht damit verbracht, die Krankengeschichten durchzugehen. Einige von diesen Kindern haben erstaunliche Fortschritte gemacht, wenn man bedenkt, was sie hinter sich haben.« »Sie werden den Kindern fehlen.«
»Ich wei?. Und mir werden sie auch fehlen. Ich werde versuchen, in den nachsten Tagen noch alles genau zu ordnen. Einige der Falle hatte ich gerne mit Ihnen personlich durchgesprochen.«
»Ja, selbstverstandlich.«
Kitty stand auf und wollte gehen.
»Vergessen Sie nicht«, sagte Dr. Liebermann, »da? Sie heute abend vor dem Essen in den Speisesaal kommen.«
»Das mochte ich eigentlich lieber nicht. Ich finde, es besteht kein geeigneter Anla? fur eine Abschiedsfeier.«
Der kleine Mann mit dem krummen Rucken hob die Arme hoch. »Alle wollten es unbedingt — was konnte ich tun?«
Kitty ging zur Tur.
»Wie geht es Karen?« fragte Dr. Liebermann.
»Nicht gut. Sie ist die ganze Zeit, seit sie Dov im Gefangnis besucht hat, sehr erregt gewesen. Und nachdem wir gestern abend von dem Uberfall auf das Gefangnis in Akko gehort hatten, war es heute nacht naturlich besonders schlimm mit ihr. Das arme Kind hat wirklich fur sein ganzes Leben genug gelitten. Es wird vielleicht eine Weile dauern, Dr. Liebermann, doch ich hoffe, da? es mir gelingen wird, sie in Amerika glucklich zu machen.«
»Ich wunschte, ich konnte Ihnen mit ehrlicher Uberzeugung erklaren, es sei unrecht von Ihnen, uns zu verlassen und nach Amerika zu gehen. Doch das kann ich nicht.«