Vollversammlung zur Entscheidung vorgelegt werde. Es stellte sich jedoch sehr bald heraus, da? die Abstimmung, die daruber stattfand, ein Test war: um die Frage zur Entscheidung vor die Vollversammlung zu bringen, war nur einfache Stimmenmehrheit erforderlich, doch die abgegebenen Stimmen wurden Aufschlu? uber das Krafteverhaltnis beider Seiten erbringen. Die Abstimmung erbrachte zwar die erforderliche Stimmenmehrheit, da? die Resolution zur Entscheidung vor die Vollversammlung kam, doch fur die Juden brach die Decke ein. Die Auszahlung ergab funfundzwanzig Stimmen dafur, dreizehn dagegen, siebzehn Nationen hatten sich der Stimme enthalten, und zwei Nationen waren bei der Abstimmung nicht zugegen gewesen. Wenn das Verhaltnis bei der endgultigen Abstimmung uber die Teilung so bleiben sollte, konnte der Jischuw die erforderliche Zweidrittelmehrheit nicht erreichen. Frankreich, Belgien, Luxemburg, die Niederlande und Neuseeland hatten sich der Stimme enthalten. Paraguay und die Philippinen waren bei der Abstimmung nicht zugegen gewesen.

Die Araber stellten fest, da? viele »sichere« Stimmen fur die Teilung den Jischuw im Stich gelassen hatten, und die Juden die erforderliche Stimmenzahl nicht zusammenbekamen. Im Vertrauen darauf, da? sie vielleicht noch ein oder zwei zusatzliche Stimmen einhandeln konnten, anderten die Araber nunmehr plotzlich ihre Taktik und drangen darauf, da? die Frage von der Vollversammlung entschieden werde.

MITTWOCH, DEN 27. NOVEMBER 1947.

Die letzten Debatten verliefen heftig. Die Mitglieder der judischen Delegation sa?en auf den ihnen zugewiesenen Platzen im Saal der Vollversammlung und sahen wie Manner aus, die ihr Todesurteil erwarteten. Das Ergebnis der Testabstimmung war fur sie ein schwerer Schlag gewesen. Wahrend die Diskussion weiterging, wurden die Aussichten von Stunde zu Stunde geringer. Fur die Juden war es ein »schwarzer Mittwoch«.

Schlie?lich bedienten sich die Freunde des Jischuw einer verzweifelten Ma?nahme: Sie redeten so lange, bis die Zeit um war. Dadurch verzogerten sie die endgultige Abstimmung. Der nachste Tag war ein Feiertag, Thanksgiving Day. Das bedeutete vierundzwanzig Stunden Aufschub, in denen man versuchen konnte, die benotigten Stimmen doch noch zusammenzubringen. Das Verschleppungsmanover wurde fortgesetzt, bis die Sitzung vertagt werden mu?te.

Die Jischuw-Delegalion versammelte sich eilig in einem Sitzungsraum. Alle sprachen gleichzeitig.

»Ruhe!« rief Barak mit drohnender Stimme. »Wir haben vierundzwanzig Stunden Zeit. Wir wollen jetzt nicht die Nerven verlieren.«

Dr. Weizmann kam aufgeregt und atemlos hereingesturzt. »Ich habe soeben aus Paris telegrafisch die Nachricht erhalten, da? Leon Blum personlich bei der franzosischen Regierung interveniert, um Frankreich dazu zu bewegen, der Teilung zuzustimmen. Die gefuhlsma?ige Einstellung zugunsten der Teilung ist in Paris sehr stark.«

Das war eine sehr erfreuliche Nachricht, denn der ehemalige franzosische Premierminister war immer noch ein Mann, dessen Stimme gro?es Gewicht hatte.

»Konnten wir nicht die Vereinigten Staaten darum bitten, da? Griechenland und die Philippinen entsprechend beeinflu?t werden?« Der Delegierte, der die Verhandlungen mit den Amerikanern fuhrte, schuttelte den Kopf. »Truman hat strikte Anweisung erteilt, da? die Vereinigten Staaten keinerlei Druck auf irgendeine Nation ausuben. Von dieser Haltung werden die Amerikaner nicht abgehen.«

Das Telefon klingelte. Weizmann hob den Horer ab. »Ja — das ist gut«, sagte er. »Sehr gut — Schalom.« Er legte den Horer auf. »Samuel hat aus der Stadt angerufen. Die Athiopier sind einverstanden, sich der Stimme zu enthalten.«

Man hatte angenommen, da? Athiopien unter dem Druck des benachbarten Agypten gegen die Teilung stimmen werde. Der Entschlu?, sich der Stimme zu enthalten, zeigte Haile Selassie als einen Mann von gro?em Mut.

Es klopfte an der Tur. Ein Pressemann, der dem Jischuw nahestand, kam herein. »Ich denke, es wird Sie interessieren, zu erfahren, da? es in Siam eine Revolution gegeben hat und der siamesische Delegierte nicht mehr akkreditiert ist.« Lauter Jubel begru?te diese Nachricht. Sie bedeutete, da? die Araber eine weitere Stimme verloren hatten. Barak machte einen raschen Uberschlag — er wu?te die Namensliste der Nationen auswendig — und berechnete, wie es nach diesen Veranderungen mit dem Stimmenverhaltnis stand.

»Wie sieht es aus, Barak?«

»Also, wenn Haiti und Liberia dafur stimmen, und wenn Frankreich dazukommt und keiner mehr abspringt, dann konnen wir vielleicht so eben durchkommen.«

Wieder klopfte es an der Tur, und ihr Vorkampfer im Streit, Granados von Guatemala, kam herein. Tranen standen ihm in den Augen: »Der Prasident von Chile hat seiner Delegation soeben personlich die Anweisung ubermittelt, sich der Stimme zu enthalten. Die Delegation ist aus Protest zuruckgetreten.«

»Das ist doch nicht moglich!« rief Dr. Weizmann. »Der Prasident ist Ehrenvorsitzender der chilenischen Zionisten.«

Die krasse Realitat, die vollige Hoffnungslosigkeit der Situation wurde ihnen niederschmetternd bewu?t. Welcher Druck war auf den chilenischen Prasidenten ausgeubt worden? Und wer wu?te, wo die Daumenschrauben in den nachsten vierundzwanzig Stunden angezogen wurden?

FREITAG, DEN 29. NOVEMBER 1947.

Der Hammer ertonte. Die Sitzung der Vollversammlung der Vereinten Nationen war eroffnet.

»Wir werden die einzelnen Nationen namentlich aufrufen, wenn sie ihre Stimme zu der Resolution des Untersuchungsausschusses abgeben. Fur die Annahme des Vorschlages zur Teilung Palastinas ist eine Zweidrittelmehrheit erforderlich. Die Delegierten wollen sich bitte darauf beschranken, ihre Stimme entweder dafur oder dagegen abzugeben oder aber sich der Stimme zu enthalten.«

In dem gro?en Raum entstand eine erwartungsvolle Stille, und der Vorsitzende begann, die einzelnen Lander aufzurufen.

»Afghanistan!«

»Afghanistan stimmt dagegen.«

Der Jischuw hatte die erste Stimme verloren. Barak notierte es auf seinem Block.

»Argentinien!«

»Die Regierung von Argentinien mochte sich der Stimme enthalten.«

»Wir mussen etwas gegen diese Stimmenthaltungen unternehmen«, flusterte Barak. »Sie konnen uns das Genick brechen.«

»Australien.«

Alles beugte sich gespannt vor, als sich Evatt erhob, um als erster Vertreter einer Nation, die dem Britischen Commonwealth angehorte, seine Stimme abzugeben.

»Australien stimmt fur die Teilung«, sagte Evatt.

Durch den Raum ging ein Summen. Uberall wurden geflusterte Vermutungen ausgetauscht. Weizmann beugte sich zu Barak und sagte ihm leise ins Ohr: »Halten Sie es fur moglich, da? das die allgemeine Haltung der Commonwealth-Staaten sein konnte?« »Schwer zu sagen — wir werden es erleben.«

»Belgien.« »Belgien stimmt fur die Teilung.«

Erneut erhob sich aufgeregtes Stimmengewirr in dem gro?en Sitzungssaal. Bei der Testabstimmung vor einigen Tagen hatte sich Belgien der Stimme enthalten. Doch Spaak hatte sich in letzter Minute uber den Druck hinweggesetzt, den England auf Belgien auszuuben versucht hatte.

»Bolivien.«

»Bolivien stimmt fur die Teilung.«

»Brasilien.«

»Brasilien befurwortet die Teilung.«

Die sudamerikanischen Lander hielten zusammen. Der nachste Aufruf mu?te eine Entscheidung von grundsatzlicher Bedeutung erbringen. Hatte die Sowjetunion ein doppeltes Spiel gespielt, so wurde die Welt es jetzt erfahren, denn als nachster Staat war ein Satellitenstaat an der Reihe, Wei?ru?land.

»Beloru?land.«

»Wei?ru?land stimmt fur die Teilung.«

Alle Mitglieder der judischen Nation atmeten gleichzeitig erleichtert auf. Der slawische Block war auf ihrer Seite. Die Aussichten waren gut.

»Kanada.«

Lester Pearson erhob sich und verkundete mit fester Stimme: »Kanada stimmt fur die Teilung.«

Das zweite Land des Commonwealth hatte sich in Gegensatz zu Gro?britannien gestellt.

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