Kastei zu vertreiben, doch Hagana und Palmach griffen sofort wieder an und warfen die Araber hinaus. Kader sammelte seine Leute und griff Kastei abermals an. Bei diesem Angriff fand er den Tod. Der Verlust ihres einzigen wirklich befahigten Kommandeurs war ein weiterer schwerer Schlag fur die demoralisierten Araber.
So kam der Mai des Jahres 1948 heran. Die Englander hatten nur noch zwei Wochen Zeit, um das Land zu raumen und das Mandat aufzugeben.
An den Grenzen von Palastina standen die rachelusternen Armeen Syriens, des Yemen, des Libanon, Transjordaniens, Agyptens, SaudiArabiens und des Irak auf dem Sprung, um einzumarschieren und die siegreichen Juden zu vernichten.
Die Stunde der Entscheidung — ob die Juden einen unabhangigen Staat proklamieren sollten oder nicht — war gekommen.
VIII.
In der Zeit vom November 1947 bis zum Mai 1948 hatten die Juden Palastinas der Welt das erstaunliche Schauspiel geliefert, da? sie sich, mit nur wenig mehr als gar nichts, erfolgreich gegen eine uberwaltigende Ubermacht zur Wehr setzen konnten. Im Verlauf dieses Zeitabschnittes hatten sie aus der Hagana, die bis dahin eine illegale Heimwehr gewesen war, die Keimzelle einer regularen Armee gemacht. Sie hatten weitere Soldaten und Offiziere ausgebildet, taktische Lehrgange eingerichtet, Kommandostabe organisiert, Nachschublager, Transportkolonnen, und Hunderte weitere Dinge, wie sie der Ubergang vom Partisanenkampf zur staatlich organisierten Kriegfuhrung einer regularen Armee erforderte. Sie besa?en eine Luftwaffe, die uber einige Maschinen vom Typ Spitfire verfugte; ihre Bemannung bestand aus Juden, die im Krieg bei der amerikanischen, britischen oder sudafrikanischen Luftwaffe gedient hatten. Ihre Flotte, die im Anfang aus einigen baufalligen Blockadebrechern bestanden hatte, war inzwischen durch einige Korvetten und PT-Boote erganzt worden.
Die Juden hatten die Herausforderung des Gegners angenommen und sich siegreich behauptet. Dennoch waren sie sich daruber klar, da? sie bisher nur einen Kleinkrieg gegen einen Gegner gefuhrt hatten, der kein allzu gro?es Verlangen danach gehabt hatte, zu kampfen. Zwar hatten die leichten Waffen, die der alte Bomber aus Europa herangebracht hatte, den Juden dabei geholfen, sich gegen die Araber von Palastina und Kawukys Irregulare zu behaupten, doch als jetzt die Stunde der Entscheidung herankam, wurde es den Juden klar, da? sie mit diesen leichten Waffen den Kampf gegen regulare Armeen wurden aufnehmen mussen, gegen Armeen, die mit Tanks und schwerer Artillerie ausgerustet waren und die auch uber eine moderne Luftwaffe verfugten.
Wer geglaubt hatte, da? die arabischen Staaten nur blufften, dem wurde durch die Arabische Legion von Transjordanien bald demonstriert, da? er sich geirrt hatte. Die Legion war in Palastina als britische Polizeitruppe eingesetzt. Diese »Polizeitruppe« ging zum offenen Angriff gegen die an der Stra?e nach Bethlehem gelegenen isolierten Siedlungen der Ezion-Gruppe vor. Die vier Dorfer der Ezion-Gruppe wurden von orthodoxen Juden bewohnt, die, genau wie die Bewohner aller anderen judischen Siedlungen, entschlossen waren, sich ihrer Haut zu wehren. Die Arabische Legion, die von britischen Offizieren gefuhrt wurde, bombardierte erbarmungslos die vier Siedlungen und schnitt sie vollig von jeder Hilfe von au?en ab. Erstes Angriffsziel der Legion war der Kibbuz Ezion. Nach heftiger Artillerievorbereitung griff die Legion diese Siedlung an, deren Verteidiger durch die Belagerung erschopft und halb verhungert waren. Die orthodoxen Juden des Kibbuz Ezion hielten stand, bis sie ihre letzten Patronen verschossen hatten; erst dann ergaben sie sich. Arabische Zivilisten, die sich der Legion angeschlossen hatten, sturmten die Siedlung und massakrierten fast samtliche Uberlebenden. Die Legion unternahm einen Versuch, dem Blutbad Einhalt zu gebieten, doch nur vier Juden blieben am Leben.
Die Hagana richtete daraufhin sofort einen Appell an das Internationale Rote Kreuz, mit der Bitte, die Kapitulation der anderen drei Siedlungen der Ezion-Gruppe, in denen die Munition gleichfalls zu Ende ging, zu uberwachen. Nur dadurch konnte verhindert werden, da? es auch dort zu einem Blutbad kam.
Danach griff die Arabische Legion von neuem in der Negev-Wuste an, in der Nahe des Toten Meeres. Diesmal richtete sich der Angriff gegen einen Kibbuz, den die Juden am niedrigsten und hei?esten Punkt der Erde errichtet hatten. Er hie? Beth Ha'Arava — Haus in der Schlucht. Im Sommer betrug die Temperatur hier uber funfzig Grad im Schatten. In dem alkalischen Erdreich war im Verlauf der gesamten Geschichte noch nie irgend etwas gewachsen. Die Juden wuschen das Erdreich, Morgen um Morgen, um es von Salzen zu reinigen, und durch diese muhsame Arbeit und durch die Anlage von Kanalen, Dammen und Zisternen hatten sie hier eine moderne Farm erstehen lassen.
Da die nachsten Juden hundert Meilen entfernt waren und sie sich einer unuberwindlichen Ubermacht gegenubersahen, ergaben sich die Siedler von Beth Ha'Arava der Arabischen Legion. Als sie das »Haus in der Schlucht« verlie?en, steckten sie es an und verbrannten die Felder, die sie der Wuste mit ubermenschlicher Anstrengung abgewonnen hatten.
Die Araber hatten schlie?lich also doch noch die Siege errungen, mit denen sie schon so lange geprahlt hatten.
Am Abend des 13. Mai 1948 verlie? der britische Hohe Kommissar fur Palastina in aller Stille das umkampfte Jerusalem. Der Union Jack, an dieser Stelle ein Symbol des Mi?brauchs der Macht, wurde eingeholt — fur immer.
Am 14. Mai 1948 versammelten sich in Tel Aviv die Fuhrer des Jischuw und der Zionistischen Weltorganisation im Hause von Meir Dizengoff, dem Grunder und ersten Burgermeister der Stadt. Vor dem Haus standen mit Maschinenpistolen ausgerustete Posten, die die ungeduldig drangende Menschenmenge in Schach hielten. In Kairo, New York, Jerusalem, in Paris, London und Washington richteten sich die Augen und die Ohren der Menschen auf dieses Haus.
»Hier spricht Kol Israel — die Stimme Israels«, sagte der Sprecher des Rundfunks langsam und gewichtig. »Man hat mir soeben ein mit der Beendigung des britischen Mandats zusammenhangendes Dokument ubergeben, dessen Wortlaut ich Ihnen jetzt zu Gehor bringe.«
»Ruhe!« sagte Dr. Liebermann zu den Kindern, die sich in seiner Wohnung versammelt hatten. »Ruhe!«
»Das Land Israel«, sagte die Stimme aus dem Lautsprecher, »ist die Geburtsstatte des judischen Volkes. Hier entwickelte sich seine geistige, religiose und nationale Besonderheit. Hier erreichte es seine Unabhangigkeit und schuf eine Kultur von nationaler und universaler Bedeutung. Hier schrieb es die Bibel und uberlieferte sie der Welt.«
Im Hotel in Safed unterbrachen Bruce Sutherland und Joab Yarkoni ihre Schachpartie und horten, gemeinsam mit Remez, in atemloser Spannung auf die Worte des Sprechers.
»Nach ihrer Vertreibung aus Israel bewahrten die in alle Welt zerstreuten Juden uberall in der Diaspora diesem Land die Treue, und unablassig erflehten und erhofften sie den Tag der Ruckkehr und die Wiederherstellung ihrer nationalen Freiheit.«
In Paris wurde das Gerausch der atmospharischen Storungen starker und ubertonte die Stimme, wahrend Barak ben Kanaan und die anderen Beauftragten des Jischuw in fieberhafter Aufregung vor dem Lautsprecher sa?en.
»Jahrhundertelang blieb in den Juden die Sehnsucht lebendig, in das Land ihrer Vater heimzukehren und wieder eine Nation zu werden. In den letzten Jahrzehnten kamen sie in Massen hierher zuruck. Sie machten die Wuste urbar, erweckten ihre alte Sprache zu neuem Leben, errichteten Siedlungen, bauten Stadte und bildeten eine unablassige wachsende Gemeinschaft mit eigenem wirtschaftlichem und kulturellem Leben. Sie kamen hierher auf der Suche nach Frieden, waren jedoch entschlossen, sich ihrer Haut zu wehren. Sie brachten die Segnungen des Fortschritts allen Bewohnern des Landes
—.«
In Safed lauschten die Kabbalisten, in der Hoffnung auf Worte, die eine Erfullung der alten Prophezeiungen darstellen wurde. Im Jerusalem-Korridor lauschten die muden Palmach-Soldaten der Hugelbrigade, und auch in den abgeschnittenen und belagerten Siedlungen der gluhenden Negev-Wuste lauschten die Menschen.
»— wurde ihnen zugestanden durch die Balfour-Deklaration vom 2. November 1917 und bestatigt durch das Mandat des Volkerbunds, das die ausdruckliche internationale Anerkennung enthielt —.«
In Ejn Or kam David ben Ami in das Dienstzimmer des Kommandeurs gesturzt. Ari legte den Finger an den Mund und zeigte auf das Radio.
»Die jungste Vernichtungswelle, der Millionen europaischer Juden zum Opfer fielen, bewies von neuem die Notwendigkeit —«
Sara ben Kanaan sa? in Yad El am Lautsprecher, und wahrend sie zuhorte, mu?te sie daran denken, wie sie das erste Mal Barak auf einem wei?en Araberhengst nach Rosch Pina hatte hereinreiten sehen.
»— Wiedererrichtung eines judischen Staates, dessen Tore allen Juden offenstehen und durch den das