doch wie sollten sie das Schiff aufhalten? Sie hatten sowohl den italienischen Beamten als auch dem Kapitan die Zusicherung gegeben, das Schiff im Hafen nicht in die Luft zu sprengen. Doch wenn die Vesuvius erst einmal auf hoher See war, konnte die israelische Flotte, die nur aus drei Korvetten bestand, sie nie und nimmer finden.

Barak ben Kanaan war von der Schwierigkeit des Problems sehr beeindruckt. Er hatte schon oft anscheinend unlosbaren Problemen ahnlicher Art gegenubergestanden und sie zu losen gewu?t. Sein Kopf begann zu arbeiten. Als der Tag anbrach, hatte er die Einzelheiten eines neuen phantastischen Planes entwickelt. Zwei Tage spater verlie? die Vesuvius ihren Liegeplatz im Hafen von Neapel, und Fawdzi hatte als besondere Vorsichtsma?nahme den italienischen Zweiten Offizier aus der Funkbude entfernt. Doch die Israelis waren nicht auf Funkverbindung angewiesen. Sie waren auch so uber den genauen Zeitpunkt des Auslaufens der Vesuvius informiert. Das Schiff hatte das Hafengebiet kaum verlassen, als ein Zollkutter mit drohnendem Lautsprecher angebraust kam.

Fawdzi, der kein Italienisch verstand, kam in das Ruderhaus gesturmt und verlangte von dem Kapitan Auskunft, was das Ganze zu bedeuten hatte.

Der Kapitan zog die Schultern hoch und sagte nur: »Wer wei??« »Hallo, Vesuvius!« ertonte es aus dem Lautsprecher. »Halten Sie sich bereit, ein Zollkommando an Bord zu nehmen!«

Eine Jakobsleiter wurde ausgebracht, und zwanzig Mann in italienischer Zolluniform kamen eilig an Bord.

»Ich verlange Auskunft, was das zu bedeuten hat!« schrie Oberst Fawdzi wutend.

Der Anfuhrer des Zollkommandos, ein rotbartiger Riese, der eine auffallende Ahnlichkeit mit Barak ben Kanaan hatte, trat vor und sagte zu Fawdzi auf Arabisch: »Wir haben Kenntnis davon erhalten, da? ein Mann Ihrer Crew in einem der Laderaume einen Zeitzunder angebracht hat«.

»Unmoglich!« schrie Fawdzi.

»Wir haben erfahren, da? der Mann von den Juden bestochen wurde«, erklarte der Mann mit dem roten Bart ernsthaft. »Wir mussen uns aus dem Hafengebiet entfernen, bevor das Schiff explodiert.«

Fawdzi wurde unsicher und verwirrt. Er hatte keine Lust, mit der Vesuvius in die Luft zu fliegen; ebensowenig gefiel ihm die Vorstellung, mit dieser sonderbaren Bande italienischer »Zollbeamter« an Bord hinaus auf See zu gehen. Andererseits konnte er sich auch nicht gut als Feigling erweisen und darum bitten, von Bord gebracht zu werden.

»Rufen Sie Ihre Crew zusammen«, sagte der bartige Riese. »Wir werden feststellen, wer der Attentater ist, und er wird uns mitteilen, wo sich die Hollenmaschine befindet.«

Die arabische Crew wurde im Laufgang versammelt und »verhort«. Im Verlauf dieses Verhors passierte die Vesuvius die Drei-MeilenGrenze, und der Zollkutter kehrte nach Neapel zuruck. Die getarnten Aliyah-Bet-Agenten nahmen Fawdzi und seine Crew fest. Einige Zeit spater, als sie ein Stuck weiter auf See hinaus waren, gaben sie der Crew einen Kompa? und eine Karte und setzten sie in einem Ruderboot aus. Oberst Fawdzi wurde an Bord in seiner Kabine eingesperrt. Die Israelis ubernahmen das Schiff, das nun mit voller Fahrt auf die hohe See hinaussteuerte.

Sechsunddrei?ig Stunden spater kamen zwei Korvetten, die den Totenkopf geflaggt hatten, an die Vesuvius heran, machten links und rechts von dem Frachter fest, ubernahmen die Ladung und die israelische Crew und entfernten sich eiligst, nachdem sie das Funkgerat unbrauchbar gemacht hatten. Die Vesuvius kehrte daraufhin nach Neapel zuruck.

Oberst Fawdzi tobte vor Wut und verlangte eine genaue Untersuchung dieser Seerauberei. Der italienische Zoll, der von den Arabern beschuldigt wurde, den Juden Kutter und Umformen zur Verfugung gestellt zu haben, erklarte, ihm sei von der ganzen Sache nichts bekannt. Die Bewegung jedes einzelnen Zollkutters sei genau im Logbuch aufgezeichnet und fur jedermann leicht nachzuprufen. Die arabische Crew war nicht bereit, irgend etwas zuzugeben, was sie kompromittiert hatte, und so schilderten die zwolf Mann die Geschichte in zwolf verschiedenen Versionen. Der italienische Kapitan dagegen und sein Erster und Zweiter Offizier beschworen, da? die arabische Crew desertiert sei, als sie festgestellt habe, da? sich im Laderaum Sprengstoff befand. Bald hatte ein ganzes Heer von Anwalten die Sache durch einander widersprechende Darstellungen derart verwickelt, da? es vollig unmoglich war, den wahren Sachverhalt noch festzustellen. Die Israelis in Neapel machten die Verwirrung vollstandig, indem sie das Gerucht in Umlauf brachten, da? Fawdzi ein judischer Agent und die Vesuvius ein judisches Schiff war, das die Araber gestohlen hatten.

Oberst Fawdzi tat das einzige, was ihm in dieser Lage noch ubrigblieb. Er tauschte Selbstmord vor und verschwand spurlos. Und offenbar weinte ihm auch niemand eine Trane nach.

Zwei Tage nach der Ubernahme der Ladung der Vesuvius brachten die Korvetten, die jetzt den Davidstern gehi?t hatten, Barak im Triumph nach Israel zuruck.

XI.

Ari ben Kanaan bekam den Befehl, sich in Tel Aviv zu melden. Das Oberkommando befand sich in einer Pension in Ramat Gan. Auf dem Dach des Gebaudes wehte der Davidstern, und uberall standen uniformierte Posten der neuen israelischen Armee, die die Personalausweise pruften.

Vor dem Gebaude parkten an die hundert Jeeps und Motorrader, und uberall herrschte lebhafte militarische Geschaftigkeit. Pausenlos kamen Telefongesprache an.

Von einer Ordonnanz wurde Ari durch den Beratungsraum des Generalstabs gefuhrt, wo die Kampffronten auf gro?en Karten abgesteckt waren, dann durch den Nachrichtenraum, wo an zahlreichen Geraten Funker sa?en, die die Nachrichtenverbindung mit den Frontabschnitten und den Siedlungen aufrechterhielten. Ari sah sich um und mu?te daran denken, wie wenig Ahnlichkeit dies hier mit dem einstigen Hauptquartier der Hagana hatte, das aus einem ramponierten Schreibtisch bestand, der von Keller zu Keller geschleppt wurde.

Avidan, bisher Kommandeur der Hagana, hatte das offizielle Kommando an jungere Manner von Ende Zwanzig oder Anfang Drei?ig abgegeben, die sich als Offiziere im britischen Heer Kriegserfahrung erworben hatten oder, wie Ari, in jahrelangem Kampf gegen die Araber gestanden waren. Avidan war jetzt Verbindungsoffizier zwischen der Armee und der provisorischen Regierung, und obwohl er keinen offiziellen Posten bekleidete, war er immer noch ein sehr angesehener und einflu?reicher Mann.

Er begru?te Ari mit gro?er Herzlichkeit. Es war fur Ari schwer, festzustellen, ob Avidan mude oder eben aufgewacht, ob er bekummert oder heiter war, denn Avidans Gesicht zeigte immer den gleichen Ausdruck feierlichen Ernstes. Sie gingen in sein Dienstzimmer, und Avidan gab Anweisung, ihn nicht zu storen. »Einen tollen Laden habt ihr hier«, sagte Ari.

»Ja«, sagte Avidan, »es sieht sehr anders aus als fruher, und ich kann mich noch gar nicht so richtig daran gewohnen. Manchen Morgen fahre ich hierher und erwarte allen Ernstes, da? plotzlich die Englander ankommen und uns alle miteinander ins Gefangnis stecken konnten.«

»Keiner von uns hat erwartet, da? du deinen Abschied nehmen wurdest.«

»Diese neue Armee zu organisieren und einen gro?en Krieg zu fuhren ist Sache eines jungeren Mannes.«

»Wie ist die Lage?« fragte Ari.

»Jerusalem — und Latrun. Das sind die entscheidenden Probleme. Wir werden uns in der Altstadt nicht mehr sehr lange halten konnen. Und der Himmel mag wissen, wie lange die Neustadt noch standhalten kann, wenn es uns nicht bald gelingt, den Leuten dort Hilfe zu bringen. In deinem Abschnitt hast du unserer Sache jedenfalls wirklich sehr wertvolle Dienste geleistet.«

»Wir haben halt Gluck gehabt.«

»Nein, Ari, Safed war nicht einfach nur Gluck, genausowenig wie die gro?artige Verteidigung von Gan Dafna. Sei nicht unnotig bescheiden. Aber — Kawuky sitzt noch immer in Zentralgalilaa. Wir mochten den Kerl los sein. Das ist der Grund, weshalb ich dich gebeten habe, hierherzukommen. Ich mochte deinen Befehlsbereich erweitern, weil ich dich fur den einzig geeigneten Mann halte, um die Operation gegen Kawuky zu leiten. Ich denke, da? es uns in einigen Wochen moglich sein wird, dir ein Bataillon und auch einiges an Waffen und Munition zur Verstarkung zugehen zu lassen.«

»Und wie stellst du dir die Sache vor?«

»Ich denke, wenn wir Nazareth in unsere Hand bekommen, ist das Problem gelost. Wir kontrollieren dann ganz Galilaa und samtliche Stra?en in ostwestlicher Richtung.«

»Und was ist mit den arabischen Dorfern in diesem Gebiet?«

»Die Bewohner sind, wie du wei?t, gro?tenteils Christen. Sie haben bereits Abordnungen hergeschickt, um mit uns zu verhandeln. Und sie haben Kawuky aufgefordert, sich aus ihrer Gegend zu entfernen. Jedenfalls haben sie kein Interesse daran, zu kampfen.«

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