Es hatte an dem Tag angefangen, an dem die Vollversammlung der UNO der Teilung zugestimmt hatte. Am nachsten Tag rief der Gro?arabische Aktionsausschu? zu einem Generalstreik auf, bei dem es zu wilden Brandstiftungen und Plunderungen im judischen Geschaftsviertel von Jerusalem kam. Und kurze Zeit darauf, als Abdul Kader mit Hilfe der an der Stra?e liegenden arabischen Ortschaften den judischen Guterverkehr von Tel Aviv nach Jerusalem blockierte, begann die Belagerung der Stadt. In Jerusalem entwickelten sich die Feindseligkeiten zu einem regelrechten Krieg. Der Kommandeur der Hagana von Jerusalem sah sich Problemen gegenuber, die uber rein militarische Fragen hinausgingen. Er trug die Verantwortung fur die Ernahrung und den Schutz der Zivilbevolkerung. Seine Aufgabe wurde durch den Umstand erschwert, da? sich ein gro?er Teil dieser Bevolkerung, fanatisch orthodoxe Juden, nicht nur zu kampfen weigerte, sondern sich auch den Bemuhungen der Hagana widersetzte.

Ein weiteres Problem waren die Makkabaer, die nur teilweise gemeinsame Sache mit der Hagana machten und im ubrigen ihren Privatkrieg fuhrten. Die Hugel-Brigade des Palmach, die ein allzu gro?es Gebiet in den Hugeln von Judaa zu sichern hatte und uberbeansprucht war, nahm gleichfalls nur widerstrebend Befehle von dem Kommandeur der Hagana von Jerusalem entgegen. Alles zusammen ergab eine verzweifelt schwierige Situation, die es dem Kommandeur der Hagana praktisch unmoglich machte, die erforderlichen Ma?nahmen zu treffen.

Das schone Jerusalem wurde zu einem blutigen Schlachtfeld. Die Agypter griffen von Suden her an, belegten die Stadt mit Artilleriefeuer und lie?en sie von ihren Flugzeugen bombardieren. Die Arabische Legion machte die heiligen Mauern der Altstadt zum kriegerischen Bollwerk. Die Zahl der judischen Verluste stieg in die Tausende.

Als die Arabische Legion das Teggart-Fort von Latrun besetzte, versprach sie, das Wasserwerk weiter in Betrieb zu halten, damit der Trinkwasserbedarf der Zivilbevolkerung gedeckt werden konne. Doch statt sich an ihr Versprechen zu halten, sprengten die Araber die Pumpstation und legten die Wasserversorgung lahm.

Man wu?te, da? unter der Stadt zwei- bis dreitausend Jahre alte Zisternen lagen. Die Juden legten sie frei und entdeckten, da? diese uralten Zisternen wie durch ein Wunder noch immer Wasser enthielten.

Bis eine notdurftige Wasserleitung gebaut werden konnte, war es allein das Wasser dieser Zisternen, das die Juden vor dem Verdursten bewahrte.

Die Tage wurden zu Wochen und die Wochen zu Monaten, und noch immer hielt Jerusalem aus. Tag fur Tag traten Manner, Frauen und Kinder zum Kampfe an, mit einer mutigen Entschlossenheit, die durch nichts zu brechen war.

Gleichzeitig mit der Legion drang der arabische Mob in die Altstadt ein, zerstorte Synagogen und heilige Statten und plunderte jedes judische Haus, das ihm in die Hande fiel.

Die frommen Juden und ihre Verteidiger von der Hagana und von den Makkabaern wurden weiter und weiter zuruckgedrangt, bis sich nur noch zwei Gebaude in ihrer Hand befanden. Es konnte sich nur noch um Tage handeln, bis sie samt und sonders vernichtet waren. Jordana wurde wach durch das Licht des neuen Tages. Sie reckte sich und streckte die Hand nach David aus. Er war nicht da.

Als sie erschreckt die Augen offnete, sah sie, da? er am Bettrand stand und sich uber sie beugte. Er trug zum erstenmal die Uniform der Armee des Staates Israel. Sie lachelte und lie? den Kopf auf das Kissen sinken. Er kniete sich zu ihr und strich uber ihr rotes Haar. »Ich habe dich eine Stunde lang angesehen«, sagte er. »Du siehst sehr schon aus im Schlaf.«

Sie offnete die Arme, zog ihn an sich und ku?te ihn. »Schalom, Major Ben Ami«, flusterte sie ihm ins Ohr.

»Es ist spat, mein Liebes«, sagte er. »Ich mu? fort.«

»Ich ziehe mich schnell an«, sagte sie.

»Ich glaube, es ist besser, ich gehe jetzt gleich und allein.«

Jordana stockte das Herz. Fur den Bruchteil einer Sekunde meinte sie, ihn fassen, ihn halten zu mussen; doch dann beherrschte sie sich und lachelte.

»Ja, naturlich, Liebster«, sagte sie.

»Ich liebe dich, Jordana.«

»Schalom, David. Geh jetzt — bitte geh rasch.«

Sie drehte das Gesicht zur Wand und fuhlte seinen Ku? auf ihrer Wange. Und dann horte sie, wie die Tur geschlossen wurde.

»David, David«, flusterte sie. »Bitte komm zu mir zuruck.«

Avidan fuhr mit David ben Ami zur Wohnung des Generalstabschefs Ben Zion, die in der Nahe des Hauptquartiers lag. General Ben Zion war ein Mann von einunddrei?ig Jahren. Er stammte gleichfalls aus Jerusalem. Bei ihm befand sich sein Adjutant, Major Altermann.

»Avidan hat uns mitgeteilt, Sie hatten uns einen interessanten Vorschlag zu machen«, sagte Altermann.

»Ja«, antwortete David. »Es handelt sich um Jerusalem. Das Schicksal der Stadt beschaftigt mich seit Monaten.«

Ben Zion nickte. Er hatte seine Frau, seine Kinder und seine Eltern in Jerusalem.

»Wir haben die Stra?e bis nach Latrun ziemlich fest in unserer Hand«, fuhr David fort. »Hinter Latrun, im Bab el Wad, beherrscht der Palmach fast alle wichtigen Hohenstellungen.«

»Da? Latrun das entscheidende Hindernis ist, ist fur uns alle nichts Neues«, sagte Altermann ironisch.

»Lassen Sie ihn ausreden«, sagte Ben Zion scharf.

»Ich habe uber die Sache nachgedacht«, sagte David. »Ich kenne die Gegend bei Latrun so genau wie das Lacheln meiner Mutter. Monatelang habe ich in Gedanken die Strecke abgeschritten, immer wieder, Meter um Meter. Ich bin fest davon uberzeugt, da? es moglich ist, Latrun zu umgehen.«

Einen Augenblick lang herrschte verblufftes Schweigen.

»Was wollen Sie damit sagen?« fragte Ben Zion.

»Wenn man einen Bogen um Latrun schlagt, so betragt die Entfernung von Stra?e zu Stra?e sechzehn Kilometer.«

»Aber diese sechzehn Kilometer sind nur eine Linie auf der Karte. Es gibt keine Stra?e dort, die Schluchten sind wild und unpassierbar.«

»Es gibt eine Stra?e dort«, sagte David.

»Sag mal, David — wovon redest du eigentlich?« fragte Avidan. »Uber einen Teil dieses Gebietes fuhrt eine Stra?e aus romischer Zeit. Sie ist zweitausend Jahre alt und vollig verschuttet und uberwachsen, doch sie ist da. Fur den Rest der Strecke kann man dem Verlauf der Wadis folgen. Das wei? ich so sicher, wie ich hier stehe.«

David ging an die Wandkarte und zeichnete um Latrun einen Halbkreis, der die beiden Stra?en miteinander verband.

Avidan und Ben Zion starrten schweigend auf die Karte. Altermann lachelte ironisch.

»David«, sagte Avidan skeptisch und sachlich, »nehmen wir einmal an, es gelingt dir tatsachlich, diese angeblich vorhandene romische Stra?e zu finden, und nehmen wir weiter an, es gelingt dir auch, einen Saumpfad durch die Wadis zu finden — was ist damit gewonnen? Das bedeutet noch lange keine Hilfe fur das belagerte Jerusalem.«

»Mein Vorschlag geht dahin«, sagte David ohne Zogern, »da? wir uber die romische Stra?e eine neue Stra?e bauen und die Einnahme Latruns unnotig machen, indem wir es umgehen.«

»Horen Sie mal, David«, sagte Ben Zion skeptisch. »So, wie Sie die Strecke auf der Karte eingezeichnet und geplant haben, mu?ten wir diese Stra?e unmittelbar vor der Nase der Arabischen Legion in Latrun bauen.«

»Stimmt«, sagte David. »Wir brauchen nicht viel mehr als einen Pfad, der gerade breit genug ist fur einen Lastwagen. Josua lie? die Sonne bei Latrun stillstehen, vielleicht konnen wir den Nachten befehlen, stillzustehen. Wenn ein Arbeitskommando von Jerusalem und ein anderes von Tel Aviv aus baut, und wenn wir lautlos bei Nacht arbeiten, dann konnen wir die Umgehungsstra?e innerhalb eines Monats fertigstellen. Und was die Arabische Legion angeht, so wissen Sie genauso gut wie ich, da? Glubb mit seinen Leuten nicht aus Latrun herauskommen und sich zum offenen Kampf stellen wird.«

»Das ist nicht so sicher«, sagte Altermann. »Vielleicht stellt er sich zum Kampf, wenn es um die Stra?e geht.«

»Wenn Glubb sich nicht davor scheute, mit der Legion zum Kampf anzutreten, warum hat er dann nicht vom Dreieck aus angegriffen und versucht, Israel in zwei Teile zu zerschneiden?«

Das war eine Frage, die niemand beantworten konnte. Vielleicht hatte David recht; doch das war nur eine Vermutung. Ben Zion und Avidan sa?en schweigend und dachten uber Davids Vorschlag nach. »Und was wollen Sie von mir?« sagte Ben Zion schlie?lich.

Вы читаете Exodus
Добавить отзыв
ВСЕ ОТЗЫВЫ О КНИГЕ В ИЗБРАННОЕ

0

Вы можете отметить интересные вам фрагменты текста, которые будут доступны по уникальной ссылке в адресной строке браузера.

Отметить Добавить цитату