einem Stuhl an der anderen Seite des Schreibtisches Platz. Jordana hob den Blick von ihrer Arbeit und lachelte. Aber sie wurde ernst, als sie Kittys Gesicht sah. Kitty nahm ihr die Feder aus der Hand.
Eine Weile sa?en beide schweigend.
Schlie?lich sagte Jordana. »David ist tot.«
»Ja.«
»Wie geschah es?« fragte Jordana mit tonloser Stimme.
»Ari hat mich vor ein paar Minuten angerufen. Die genauen Umstande wei? man nicht. Allem Anschein nach hat er eine Gruppe organisiert, teils Palmach, teils Makkabaer, teils Hagana — auf eigene Faust. Er hat mit dieser Gruppe einen Angriff unternommen und versucht, die Altstadt zuruckzuerobern. Es gelang ihnen, den Zionsberg zu erobern —.«
»Weiter«, sagte Jordana.
»Sie kampften auf verlorenem Posten. Es war ein Selbstmordkommando.«
Jordana sa? unbeweglich.
»Was kann ich tun, was kann ich sagen?« sagte Kitty.
Jordana stand auf. »Machen Sie sich um mich keine Sorge«, sagte sie mit fester Stimme.
Niemand sah Jordana bat Kanaan eine Trane vergie?en. Sie versteckte sich mit ihrem Kummer in den Ruinen von Abu Yesha. Dort sa? sie unbeweglich vier Tage und vier Nachte lang, ohne zu essen oder zu trinken. Dann kehrte sie nach Gan Dafna zuruck. Genau wie Ari nach dem Tode von Dafna erwahnte auch Jordana nie mehr Davids Namen.
Einen Monat, nachdem David ben Ami den Weg nach Jerusalem gefunden hatte, war eines Nachts die »Burma-Stra?e« zur Umgehung von Latrun vollendet. Eine mit Panzerfahrzeugen gesicherte Transportkolonne brauste uber diese Umgehungsstra?e nach Jerusalem, und die Belagerung der Stadt war fur alle Zeiten beendet.
Bis jetzt hatte noch niemand mit Sicherheit gewu?t, ob der Staat Israel am Leben bleiben wurde. Doch in dem Augenblick, als die Manner der Arbeitskolonne von Jerusalem den Mannern der Arbeitskolonne von Tel Aviv die Hand reichten, hatten die Juden ihren Freiheitskrieg gewonnen.
XIII.
Dem jungen Staate Israel standen noch viele Monate erbitterte und blutiger Kampfe bevor, doch die Fertigstellung der »Burma-Stra?e« gab den Juden einen moralischen Auftrieb in einem Augenblick, als sie ihn am dringendsten benotigten.
Nachdem die Juden die erste Invasion der arabischen Streitkrafte aufgehalten hatten, gelang es dem Sicherheitsrat der UNO, einen einstweiligen Waffenstillstand herbeizufuhren. Er war beiden Seiten sehr willkommen. Die Araber hatten es zweifellos notig, ihre Streitkrafte neu zu organisieren. Sie hatten der Welt gegenuber das Gesicht verloren, da es ihnen nicht gelungen war, das Land zu uberrennen. Und die Israelis brauchten Zeit, um weitere Waffen hereinzubekommen und ihre militarische Einsatzfahigkeit zu verbessern.
Die Provisorische Regierung war nicht vollig Herr der Lage, denn der Palmach, die Makkabaer und die orthodoxen Juden waren nur bedingt zur Mitarbeit bereit. Der Palmach verzichtete allerdings auf die Sonderstellung seiner Elitekorps und trat geschlossen in die israelische Armee ein, als die Regierung drohte, den Palmach wegen der Ablehnung, Befehle vom Oberkommando entgegenzunehmen, aus der kampfenden Truppe auszuschlie?en. Auch die Makkabaer stellten Sonderbataillone innerhalb der israelischen Armee auf, bestanden jedoch darauf, da? diese Bataillone von Offizieren der Makkabaer befehligt wurden. Nichts konnte dagegen die starre Haltung der religiosen Fanatiker verandern, die an der wortlichen Interpretation der Bibel festhielten und weiterhin auf den Messias warteten.
Gerade, als die Vereinigung dieser verschiedenartigen Elemente Wirklichkeit zu werden versprach, kam es zu einem tragischen Ereignis, das die trennende Kluft zwischen der Regierung und den Makkabaern verewigen sollte. Amerikanische Gonner der Makkabaer hatten gro?e Mengen dringend benotigter Waffen angekauft und fur die Beforderung dieser Waffen eine Transportmaschine erworben, der man den Namen Akiba gab. Nicht nur Waffen standen bereit, sondern auch mehrere hundert Freiwillige fur die Sonderbataillone der Makkabaer. Zwar sahen die Waffenstillstandsbedingungen vor, da? auf beiden Seiten keinerlei Verstarkungen vorgenommen werden sollten; doch hielten sich weder die Araber noch die Juden an diese Vorschrift der UNO.
Die Existenz der Akiba wurde durch Israelis in Europa bekannt. Die Provisorische Regierung forderte, die Transportmaschine und die Waffen der nationalen Armee zur Verfugung zu stellen. Israel sei eine geeinte Nation und kampfe einen gemeinsamen Krieg; die Makkabaer-Bataillone seien schlie?lich nur ein Teil der israelischen Armee. Die Makkabaer waren damit nicht einverstanden. Sie legten auf die Beibehaltung ihrer Sonderstellung Wert und machten geltend, diese Waffen seien ausdrucklich fur die Angehorigen ihrer Organisation bestimmt. Es kam zu einem erbitterten Streit zwischen der Provisorischen Regierung, die den Standpunkt vertrat, da? es nur eine zentrale Autoritat geben konne, und den Makkabaern, die anderer Meinung waren.
Von Europa aus startete die Akiba mit der ersten Waffenladung und den ersten Freiwilligen. Die Regierung, die sowohl die Waffen als auch die Freiwilligen dringendst benotigte, sah sich gezwungen, den Makkabaern den Befehl zu erteilen, zu veranlassen, da? die Maschine ohne zu landen nach Europa zuruckkehrte. Dieser Befehl loste bei den Makkabaern wutende Emporung aus. Als die Akiba Palastina unter Mi?achtung der Anordnung der Regierung anflog, wimmelte der Flugplatz von Vertretern der Regierung, Makkabaern und Beobachtern der Vereinten Nationen. Die Regierung lie? der Maschine durch Funkspruch eine letzte Warnung zugehen und forderte sie auf, nach Europa zuruckzufliegen. Die Akiba lehnte es ab, dieser Anweisung Folge zu leisten. Auf Befehl der Provisorischen Regierung stiegen Jagdflieger auf, und die Akiba wurde abgeschossen.
Zwischen der Armee und den Makkabaern kam es zu Kampfen, und die Makkabaer zogen ihre Bataillone voller Zorn aus der Armee zuruck. Doch dieser ungluckliche Zwischenfall bewirkte eine endgultige Klarung der Situation. In den Jahren des britischen Mandats hatten die Makkabaer durch ihre bestandige Aktivitat beigetragen, die Englander dazu zu veranlassen, Palastina zu raumen. Nach dem Abzug der Englander aber waren Terrormethoden nicht mehr angebracht. Die Makkabaer schienen unfahig, sich an die Disziplin zu gewohnen, die in einer regularen Armee notwendig ist. Dadurch war ihr Wert als kampfende Truppe sehr beeintrachtigt. Ihren einzigen Sieg hatten sie in Jaffa errungen, einer Stadt, in der die Kampfstimmung von Anfang an schwach gewesen war. An anderen Orten hatten sie vollig versagt. Unvergessen war auch ihr Massaker von Neve Sadij geblieben, das stets einen Fleck auf der Ehre der judischen Kampfer darstellen wurde. Die Makkabaer waren Aktivisten von gro?em personlichem Mut, doch sie lehnten jede Autoritat ab. Nach dem unglucklichen Zwischenfall mit der Akiba verharrten sie in trotziger Ablehnung. Ihre Auffassung bestand darin, da? alle Probleme mit Gewalt gelost werden konnten.
Monatelang verhandelten Graf Bernadotte und sein amerikanischer Mitarbeiter, Ralph Bunche, als Beauftragte der UNO mit den Juden und den Arabern, ohne jedoch eine Einigung erreichen zu konnen. Sie konnten innerhalb eines Monats nicht abbauen, was sich im Verlauf von drei Jahrzehnten angesammelt hatte.
In Zentralgalilaa hatte Kawuky immer wieder die Waffenstillstandsbedingungen verletzt. Jetzt wurden die Agypter wortbruchig, indem sie vor Ablauf des Waffenstillstandes die Kampfhandlungen wieder aufnahmen. Das erwies sich als schwerer Fehler, denn damit war das Startzeichen fur einen neuen israelischen Feldzug gegeben. Hatten die Militarexperten der ganzen Welt uber die Fahigkeit der Juden gestaunt, einer Invasion standzuhalten, so waren sie jetzt vollig verblufft, als die Armee des Staates Israel ihrerseits zur Offensive uberging.
Diese neue Phase des Krieges wurde eroffnet, als die israelische Luftwaffe Kairo, Damaskus und Amman bombardierte, um die Araber davor zu warnen, weiterhin Luftangriffe auf Tel Aviv und Jerusalem zu unternehmen. Die Araber bombardierten von da an keine judischen Stadte mehr. Korvetten der israelischen Marine gingen zum Angriff auf den Feind uber, indem sie die libanesische Hafenstadt Tyra, einen der Hauptumschlagplatze fur die Einfuhr von Waffen, beschossen.
Im Kibbuz Ejn Gev am See Genezareth gingen die Farmer, die einen syrischen Angriff abgewiesen und monatelang der Belagerung standgehalten hatten, nunmehr ihrerseits zum Angriff uber. In einem kuhnen nachtlichen Manover erstiegen sie den Berg Sussita und warfen die Syrer aus ihren Hohenstellungen.
In Zentralgalilaa ging Ari ben Kanaan zum Angriff gegen Kawuky auf Nazareth vor. Er verlangte seinen Leuten das Au?erste ab und setzte die ihm zur Verfugung stehenden Waffen so au?erordentlich wirkungsvoll ein, da? es ihm gelang, die Streitkrafte der Irregularen vollig zu uberrennen. Der Generalissimus des Mufti bekam eine verdiente Lektion und verlor Nazareth. Nachdem Nazareth gefallen war, streckten die feindlichen arabischen Ortschaften in Zentralgalilaa die Waffen, und Kawuky floh an der Spitze seiner Truppen zur libanesischen Grenze. Die Israelis beherrschten damit das gesamte Gebiet von Galilaa.