»Gut.«
»Doch bevor wir darangehen, diese Operation einzuleiten, mochten wir, da? du den letzten feindlichen Widerstand in deinem Gebiet beseitigst.«
»Fort Esther?« fragte Ari.
Avidan nickte.
»Dazu brauche ich Artillerie — das habe ich euch schon geschrieben. Wenigstens drei oder vier Davidkas.«
»Warum verlangst du nicht gleich Gold?«
»Da oben an der Grenze liegen zwei Dorfer, die den Zugang zu Fort Esther versperren. Ich kann einfach nichts machen, wenn ich nicht wenigstens ein paar weittragende Geschutze habe.«
»Also gut, du sollst sie haben.« Avidan stand unvermittelt auf und begann, im Raum auf und ab zu gehen.
Ari hatte schon die ganze Zeit eine sonderbare Ahnung daruber gehabt, weshalb ihn Avidan nach Tel Aviv gerufen hatte. Es mu?te sich um mehr handeln als um die Planung der neuen Operation, und er wu?te, da? Avidan jetzt davon anfangen werde.
»Ari«, sagte Avidan mit bedachtigem Ernst, »du hast vor zwei Wochen den Befehl bekommen, Abu Yesha einzunehmen.«
»Deshalb also hast du mich herbestellt?«
»Ich fand, es sei das beste, wenn wir die Sache miteinander besprachen, ehe daruber im Generalstab eine gro?e Diskussion entsteht.«
»Ich habe euch einen Bericht geschickt, da? Abu Yesha meiner Meinung nach keine Bedrohung fur uns darstellt.«
»Wir sind anderer Meinung.«
»Als Gebietskommandeur sollte ich die Sache doch wohl am besten beurteilen konnen.«
»Komm, komm, Ari. Abu Yesha ist ein Stutzpunkt fur Mohammed Kassi. Es ist eine Stelle, an der Irregulare einsickern, und es blockiert zugleich die Stra?e nach Gan Dafna.«
Ari sah mit verschlossener Miene beiseite.
»Wir kennen einander zu lange«, sagte Avidan, »als da? wir uns etwas vormachen konnten.«
Ari schwieg einen Augenblick. Dann sagte er: »Ich kenne die Leute von Abu Yesha, seit ich gehen lernte. Wir haben gemeinsam Hochzeiten gefeiert. Wir sind zusammen zu Beerdigungen gegangen.
Wir haben ihnen ihre Hauser gebaut, und sie schenkten uns das Land fur Gan Dafna.«
»Das alles wei? ich, Ari. Dutzende unserer Siedlungen stehen dem gleichen Problem gegenuber. Aber wir kampfen nun einmal um unsere Existenz. Wir haben die arabischen Armeen nicht aufgefordert, unsere Grenzen zu uberschreiten.«
»Ich kenne aber diese Leute«, sagte Ari heftig, fast schreiend. »Sie sind nicht unsere Feinde. Sie sind einfache Bauern, die friedlich sind und keinen anderen Wunsch haben, als in Ruhe gelassen zu werden.« »Ari!« sagte Avidan mit scharfer Stimme. »Es gibt hier bei uns arabische Dorfer, die den Mut besa?en, sich Kawuky und den arabischen Armeen zu widersetzen. Die Leute von Abu Yesha haben sich anders entschieden. Du machst dir etwas vor, wenn du meinst, Abu Yesha sei nicht feindlich. Es mu? verschwinden —.«
»Ohne mich«, sagte Ari, stand auf und wollte gehen.
»Bleib«, sagte Avidan ruhig. »Bitte geh nicht fort.« Der gro?e, kahlkopfige Mann schien jetzt wirklich mude zu sein. Er lie? die Schultern hangen. »Tausendmal haben wir die Araber von Palastina gebeten, sich nicht an diesem Kampf zu beteiligen. Niemand von uns hat den Wunsch, sie von Heim und Hof zu vertreiben. Die Dorfer, die sich loyal verhalten haben, hat man in Ruhe gelassen. Doch bei den anderen blieb uns keine andere Wahl. Der Gegner hat sie als Waffendepots verwendet, als Ausbildungslager, als Stutzpunkte fur Angriffe auf unsere Transportkolonnen und fur die Belagerung unserer Siedlungen. Wir haben wochenlang uber dieses Problem diskutiert. Wir haben keine andere Wahl, als den Gegner zu vernichten oder selbst vernichtet zu werden.«
Ari ging ans Fenster und steckte sich eine Zigarette an. Bedruckt starrte er durch die Scheibe. Avidan hatte recht.
»Ich konnte naturlich das Kommando in deinem Bereich einem anderen ubertragen«, sagte Avidan. »Aber das mochte ich nicht gern. Solltest du dich allerdings nicht in der Lage fuhlen, diesen Befehl auszufuhren, dann wurde ich dir vorschlagen, da? du um Versetzung bittest.«
»Wohin sollte ich mich versetzen lassen? In ein Gebiet, wo irgendein anderes Abu Yesha liegt, das nur einen anderen Namen hat?«
»Ari, ehe du eine endgultige Antwort gibst — ich habe dich gekannt, seit du ein Baby warst. Seit deinem funfzehnten Jahr bist du ein Kampfer gewesen. Wir haben nicht genug Leute von deinem Kaliber. In all diesen Jahren habe ich es nie erlebt, da? du einem Befehl nicht gehorcht hattest.«
Ari wandte sich um. Sein Gesicht zeigte Sorge, Trauer und Resignation. »Ich werde tun, was getan werden mu?«, sagte er tonlos.
»Ich wei? es«, sagte Avidan. »Ubrigens, du bist zum Colonel befordert.«
Ari lachte kurz und bitter.
»Auch mir tut es leid«, sagte Avidan. »Glaube mir, es tut mir wirklich leid.«
Colonel Ari ben Kanaan, sein 1a und sein Adjutant, die Majore Ben Ami und Joab Yarkoni, legten die Einzelheiten der Operation Purim fur die Eroberung von Fort Esther und die Ausschaltung von Abu Yesha als arabischen Stutzpunkt fest. Mit dieser Operation sollte die Sicherung dieses Gebietes abgeschlossen werden.
Die Artillerie, die Avidan versprochen hatte, kam niemals an, doch Ari hatte das auch nicht ernstlich erwartet. Er lie? den Kleinen David aus Safed, zusammen mit funfzig Schu? Munition, heranschaffen. Ohne Artillerie war es unmoglich, Fort Esther von Gan Dafna aus anzugreifen. Kassi hatte immer noch einige vierhundert Mann in dem Gebiet, uberlegene Waffen in Fort Esther und au?erdem die bessere strategische Position.
Ari machten drei arabische Dorfer zu schaffen. Das erste auf dem Weg nach Fort Esther war Abu Yesha, und hoch oben in den Bergen lagen an der libanesischen Grenze zwei Dorfer, die den Zugang zu dem Fort versperrten. Kassi hatte in beiden Dorfern Leute stationiert. Ari plante, das Fort von der Ruckseite her anzugreifen. Dazu aber mu?te er an den beiden Dorfern vorbei, die rechts und links von dem Fort lagen.
Fur den Angriff auf Fort Esther teilte Ari seine Leute in drei Gruppen ein. Mit der ersten Gruppe ging er selbst bei Einbruch der Dunkelheit los. Auf schmalen Saumpfaden fuhrte er seine Leute die Hange zur libanesischen Grenze hinauf. Es war ein schwerer und gefahrlicher Weg. Sein Ziel war, nahe an das erste der beiden Bergdorfer heranzukommen. Er mu?te einen weiten Umweg machen, um unbemerkt in die Ruckseite des Dorfes zu gelangen. Der Marsch wurde durch den Anstieg im Gebirge, die Dunkelheit, und das Gewicht der Davidka mit der Munition erschwert. Funfunddrei?ig Manner und funfzehn Madchen trugen je einen Schu? der Davidka-Munition. Weitere funfzig Mann sicherten die Transportkolonne.
Aris Bein schmerzte noch immer, doch er fuhrte die Kolonne in morderischem Tempo uber die Hange hinauf. Sie mu?ten ihr Ziel vor Tagesanbruch erreichen, wenn die Operation nicht fehlschlagen sollte.
Gegen vier Uhr morgens kamen sie erschopft auf dem Gipfel an. Doch fur eine Rast war keine Zeit. Im Eilmarsch ging es uber den Gipfel weiter auf das erste Dorf zu. Sie umgingen es in weitem Bogen und trafen mit einer Patrouille eines ihnen freundlich gesinnten Beduinenstammes zusammen. Die Beduinen teilten Ari mit, da? die Gegend feindfrei war.
Ari fuhrte seine Gruppe eilig in die Ruinen eines kleinen Kreuzritterkastells, das zwei Meilen hinter dem Dorf lag. Als es anfing hell zu werden, gingen sie mit letzter Kraft eilig in Deckung. Den ganzen Tag uber hielten sie sich verborgen, wahrend die Beduinen Wache hielten.
Am nachsten Abend brachen die beiden anderen Gruppen von Ejn Or aus auf. Major David ben Ami fuhrte seine Leute auf dem nun schon vertrauten Weg uber die Hange nach Gan Dafna hinauf. Er erreichte den Ort bei Tagesanbruch und tauchte mit seiner Gruppe unsichtbar im Buschwerk unter.
Die dritte Gruppe, angefuhrt von Major Joab Yarkoni, stieg auf dem gleichen Weg wie Ari in einem weiten Bogen auf schmalen Saumpfaden in die Berge hinauf. Seine Leute kamen rascher vorwarts, weil sie nicht den Kleinen David und seine Munition zu schleppen hatten. Dafur hatten sie jedoch eine gro?ere Entfernung zuruckzulegen, weil sie sowohl an dem ersten Dorf, in dem Ari in Deckung lag, als auch an Fort Esther vorbei mu?ten, um sich nahe an das zweite Dorf heranzuarbeiten. Die Beduinen nahmen auch Yarkonis Gruppe oben auf dem Gipfel in Empfang und brachten sie unbemerkt ans Ziel.
Gegen Abend des zweiten Tages schickte Ari den Anfuhrer der Beduinen mit einem Ultimatum zur Ubergabe