»Ubrigens, Tex, das ist 'ne interessante Gegend hier. Beinah jeder, der hier 'rumlauft, ist ein Jude. Bin jetzt schon seit einer Woche hier, und kann mich noch immer nicht so richtig dran gewohnen.«

Foster wollte Stretch nicht fragen, wieso er eigentlich hier war — aber dann fragte er ihn doch.

»Sieh dir den Namen an der Tur an, dann wei?t du alles. Palestine Central Airways — hab' ich mir selber ausgedacht. Siehst du, diese Burschen hier haben nicht allzuviel Ahnung, wie man eine erstklassige Fluglinie organisiert, und deshalb haben sie mich gefragt, ob ich die Sache in die Hand nehmen wollte. Das erste, was ich ihnen gesagt habe — Jungens, sagte ich, wenn ihr einen erstklassigen Flugdienst haben wollt, dann braucht ihr dazu einen erstklassigen Chefpiloten, und ich kann euch den verdammt besten Chefpiloten verschaffen, den irgendeine verdammte Airline jemals —.«

»Also, dann bis zum nachstenmal«, sagte Foster und stand rasch auf.

»Wo brennt's denn?«

»Ich bin auf dem Weg nach Paris.«

»Ich habe dir einen geschaftlichen Vorschlag zu machen.«

»Bin nicht interessiert.«

»Tu mir den Gefallen und hor dir die Sache wenigstens an.«

»Also gut, ich hore sie mir an, aber ich steige nicht ein. Ich gehe nach Paris, und wenn ich hinschwimmen mu?te.«

»Hor zu. Wie schon gesagt, die Leute hier sind alles Juden. Sie haben die Arctic Circle gekauft, um noch mehr Juden herzubringen. Mann, uberall auf der ganzen Welt sitzen welche von denen 'rum, und alle wollen sie hierher. Wir haben weiter nichts zu tun, als sie einzuladen und 'ranzubringen. Begreifst du denn das gar nicht? Jede Fuhre bringt gutes Geld — bar auf die Hand. Das ist eine einmalige Chance, mein Junge. Mach mit, und du schwimmst im Geld. Du kennst mich doch, Tex. Du wei?t, ich erzahle keine Marchen und — ich bin kein Knicker.«

»Ich wei?, in was ich schwimmen werde. Ich schick dir mal 'ne Ansichtskarte aus Rio.«

»O. K., Foster — hat mich gefreut, Ihre Bekanntschaft zu machen.«

»Nun sei nicht gleich bose, Stretch.«

»Bose? Wer ist denn bose?«

»War doch nett, die Zeit da oben in Nome.«

»Sicher — war prima. Hab' mir in der Saukalte alles mogliche abgefroren.«

»Dann leg dir 'ne Warmflasche drauf«, sagte Foster und streckte die Hand aus. Stretch schuttelte sie mi?mutig.

»Was hast du eigentlich, Stretch? Du tust, als wurde ich dir ein Messer zwischen die Rippen rennen.«

»Ich will ganz aufrichtig sein, Foster. Ich sitze in der Klemme. Wir haben ein brandeiliges Telegramm bekommen, da? ein ganzer Haufen von diesen Juden in einem Ort namens Aden herumsitzt und darauf wartet, abgeholt zu werden. Ich hatte ein paar Piloten angeheuert, aber die haben mich sitzenlassen.«

»Das ist Pech. Aber mich kriegst du nicht 'rum. Ich gehe nach Paris.«

»Klar«, sagte Stretch. »Fahr nach Paris. Das wurde ich an deiner Stelle auch tun. Ich nehm es dir nicht ubel. Diese anderen Piloten bekamen es mit der Angst zu tun, als sie horten, die Araber konnten unter Umstanden auf sie schie?en.«

Foster, der schon auf dem Weg zur Tur war, blieb stehen und drehte sich um.

»Du hast recht, Foster«, sagte Stretch, »hat ja keinen Sinn, da? du dir hier einen verpletten la?t. Das ist wirklich 'ne gefahrliche Kiste — noch ein bi?chen gefahrlicher, als mit Dynamit uber die Anden zu fliegen.«

Foster J. Mac Williams fuhr sich mit der Zunge uber die Lippen. Stretch zog noch ein paar dramatische Register, doch er wu?te, da? Foster schon angebissen hatte.

»Also, Stretch, ich will dir mal was sagen. Ich werde diese eine Tour fur dich machen, um dir aus der Klemme zu helfen. Aber sieh zu, da? du ein paar Piloten erwischst, bis ich zuruck bin. Ich mache nur diese eine Tour. Und wo liegt nun dieses Aden?«

»Keine Ahnung.«

»Dann wollen wir mal auf der Karte nachsehen.«

Als Fester J. MacWilliams, amerikanischer Tramp-Pilot der Palestine Central, vormals Arctic Circle, vom Flugplatz Lydda startete, begab er sich in ein Abenteuer des zwanzigsten Jahrhunderts, das so phantastisch war wie ein Marchen aus Tausendundeiner Nacht. Er flog das Rote Meer hinunter, zum britischen Protektorat Aden am Sudende der Arabischen Halbinsel. Genaugenommen hatte dieses Abenteuer vor dreitausend Jahren in dem alten Konigreich Saba begonnen. Zur Zeit der Konigin von Saba war der sudliche Teil der Arabischen Halbinsel ein reiches Land gewesen. Die Bewohner dieses Landes hatten die Kunst erlernt, Abflu?kanale, Damme und Zisternen zu bauen, um das Regenwasser aufzufangen, und hatten mit diesem Wasser das Land in einen bluhenden Garten verwandelt.

Nach dem Besuch der Konigin von Saba bei Konig Salomon machten sich einige von Salomons Leuten auf den Weg nach Saba, um langs des Roten Meeres eine Handelsstra?e durch die Wuste zu eroffnen und in Saba eine Kolonie zu grunden. Diese Juden kamen schon in biblischer Zeit nach Saba, Jahrhunderte vor der Zerstorung des ersten Tempels.

Jahrhundertelang ging es den Juden in Saba sehr gut. Sie wohnten als wohlhabende Kolonisten in eigenen Siedlungen, und sie nahmen regen Anteil am Leben ihrer Umwelt. Sie stellten die obersten Richter und gehorten mit zu den angesehensten Burgern des Landes. Doch dann kamen die schrecklichen Jahre. Der Sand der Wuste verschlang langsam und unaufhaltsam die fruchtbaren Boden. Die Wadis trockneten aus, und das Regenwasser verschwand spurlos in der verdorrten Erde. Menschen und Tiere schmachteten unter der erbarmungslosen Sonne, und der Kampf um einen Schluck Wasser wurde gleichbedeutend mit dem Kampf ums Leben. Das bluhende Saba und die benachbarten Staaten zerfielen in feindliche Stamme, die sich standig untereinander befehdeten. Als der Islam siegreich die Welt uberzog, respektierte er zunachst die religiose und kulturelle Eigenart der Juden. Die Gesetze, die Mohammed erlie? und an die alle Moslems gebunden waren, ordneten an, den Juden freundlich zu begegnen.

Doch diese Gleichberechtigung der Juden war nur von kurzer Dauer. Bald sah man in allen islamischen Landern auf jeden, der kein Moslem war, mit Geringschatzung herab wie auf einen Unglaubigen. Die Araber zollten den Juden, wenn auch widerwillig, einen gewissen Respekt und behandelten sie auch, auf arabische Weise, mit einer gewissen Toleranz. Trotzdem kam es auch hier zu blutigen Ausschreitungen, doch niemals in der Form planma?igen Massenmords wie in Europa. Es handelte sich mehr um plotzliche Ausbruche der Gewalttatigkeit. Auch waren die Araber viel zu sehr damit beschaftigt, sich untereinander zu befehden, als da? sie den freundlichen kleinen Juden in dem Teil des Landes, der inzwischen nicht mehr Saba, sondern Jemen hie?, allzuviel Aufmerksamkeit hatten schenken konnen.

Wie in allen arabischen Landern waren auch die Juden im Jemen Burger zweiter Ordnung. Sie unterlagen den ublichen Beschrankungen, man legte ihnen hohere Steuern auf und raumte ihnen geringere Rechte ein als den Moslems. Sie waren Verfolgungen ausgesetzt, wobei die Art und der Grad dieser Verfolgungen in den verschiedenen Gebieten und unter den verschiedenen Herrschern unterschiedlich waren.

Ein Jude durfte in Gegenwart eines Moslems seine Stimme nicht erheben, er durfte kein Haus bauen, das hoher war als das Haus eines Moslems, er durfte einen Moslem nicht beruhren und auch nicht an seiner rechten Seite vorbeigehen. Ein Jude durfte nicht auf einem Kamel reiten, weil er dabei das Haupt hoher getragen hatte als ein Moslem. In einem Land, in dem das Kamel das entscheidende Fortbewegungsmittel war, war das eine sehr spurbare Einschrankung. Die meisten Juden lebten in »Mellahs«, der orientalischen Art des Ghettos.

Die Welt veranderte und entwickelte sich. Im Jemen stand die Zeit still. Das Land blieb so primitiv wie der Dschungel, so fern und unerreichbar wie Nepal oder die au?ere Mongolei. Es gab im Jemen kein Krankenhaus, keine Schule und keine Zeitung, weder Radio noch Telefon oder Autostra?en. Es war ein Land wuster Einoden und unzuganglicher Hochgebirge. Einsame Ortschaften lagen in mehr als dreitausend Meter Hohe, rings umgeben von volliger Wildnis. Fast alle Bewohner waren Analphabeten. Nicht einmal alle Grenzen dieses ruckstandigen, von Gott und der Welt verlassenen Landes waren genau festgelegt worden.

Regiert wurde Jemen von einem Imam, der ein Verwandter Mohammeds und der Stellvertreter Allahs, des Barmherzigen, war. Der Imam von Jemen war ein absoluter Herrscher. Er hatte die Macht uber Leben und Tod aller seiner Untertanen. Er war keinem Kabinett verantwortlich. Er hielt sich an der Macht, indem er geschickt die einzelnen Stamme gegeneinander ausspielte, die bestandig miteinander im Streit lagen. Er hatte an seinem Hof Hunderte von Sklaven. Er verabscheute die Zivilisation und tat alles, was in seiner Macht stand, um zu verhindern, da? zivilisatorische Neuerungen Eingang in sein Reich fanden, obwohl er gelegentlich, aus Angst vor seinem

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