machtigen saudi-arabischen Nachbarn im Norden, dessen Herrscher sich aus Liebhaberei am internationalen Rankespiel beteiligten, Konzessionen machen mu?te.

Die Furcht des Imam vor der Zivilisation hatte ihren Grund teilweise darin, da? die Zivilisation ein begehrliches Auge auf sein Land geworfen hatte. So verlassen dieses Land auch war, so lag es doch an einer Ecke der Welt, die einen Zugang zum Orient durch das Rote Meer darstellte.

Den Juden gegenuber spielte der Imam die Rolle des wohlwollenden Despoten. Solange die Juden unterwurfig und dienstwillig waren, genossen sie einen gewissen Schutz; denn die Juden stellten die besten Handwerker, die es im Jemen gab. Sie waren Silberschmiede, Juweliere, Kurschner, Tischler und Schuhmacher, und sie uberlieferten von Generation zu Generation alle moglichen handwerklichen Kunste, die die meisten Araber nicht erlernt hatten. Da? die Juden von Jemen Juden blieben, war allerdings erstaunlich. Dreitausend Jahre lang lebten diese Menschen ohne jeden Kontakt mit der au?eren Welt. Sie hatten es sehr viel einfacher gehabt, wenn sie Moslems geworden waren. Doch die jemenitischen Juden hielten durch alle Jahrhunderte der Isolierung hindurch an der Thora fest, befolgten die Gesetze und hielten den Sabbat ein. Viele von ihnen verstanden kein Arabisch, doch alle sprachen Hebraisch. Es gab keine Moglichkeit, Bucher zu drucken; alle heiligen Schriften wurden mit der Hand geschrieben und von Generation zu Generation uberliefert.

Ihrer au?eren Erscheinung, ihrem Verhalten und ihrer Denkweise nach hatte man die heutigen Juden von Jemen fur Propheten aus biblischen Zeiten halten konnen. Wie in den Tagen der Bibel betrieben sie noch immer Vielweiberei. Sie glaubten an den bosen Blick, an feindliche Winde und an alle moglichen Damonen, gegen die sie sich durch das Tragen von Amuletten schutzten. Die Bibel befolgten sie buchstabengetreu. Niemals horten sie auf, mit Sehnsucht ihre Blicke nach Jerusalem zu richten. Jahrhundertelang warteten sie geduldig und ergeben auf das Wort des Herrn, durch das er ihnen befehlen wurde, sich aufzumachen und nach Jerusalem zuruckzukehren. Von Zeit zu Zeit gelang es kleinen Gruppen oder einzelnen, den Weg aus Jemen hinaus nach Palastina zu finden.

Und dann kam eines Tages das erwartete Wort, genau, wie es die Propheten vorausgesagt hatten.

Nach der Unabhangigkeitserklarung des judischen Staates erklarte Jemen Israel den Krieg.

Das war fur die Juden von Jemen die Bestatigung, da? die Wiedergeburt Israels Wirklichkeit geworden war. Ihre Rabbis verkundeten ihnen, dies sei Gottes Botschaft; Konig David sei nach Jerusalem zuruckgekehrt! Die lange Zeit des Wartens sei vorbei! Die Chachamim — die Weisen — sagten dem Volk, der Tag des Aufbruchs sei gekommen, um auf Adlerflugeln in das Gelobte Land heimzukehren.

Als die erste Kunde dieses Auszugs der Juden vom Jemen nach Israel drang, war der Freiheitskrieg noch in vollem Gang. Man wu?te wenig daruber, wie gro? die Anzahl dieser Jemeniten war, wie man sie aus Jemen herausbekommen und was man mit ihnen anfangen sollte.

Im Jemen begab sich der oberste Chacham zum Imam und bat, der Allbarmherzige moge den Juden erlauben, heimzukehren. Dem Imam schien es aus einer Reihe politischer und wirtschaftlicher Grunde besser, die Juden im Lande zu behalten. Daraufhin gab der Chacham dem Imam den guten Rat, sich das Alte Testament vorzunehmen und genau die entsprechenden Kapitel des Buches Exodus zu lesen.

Tagelang sa? der Imam mit untergeschlagenen Beinen in seinem Harem und uberlegte. Was der Rabbi gesagt hatte, gab ihm zu denken. Sein Herz war schwer bei dem Gedanken an die Zehn Plagen. Erst kurzlich hatte eine Typhusepidemie ein Viertel der Bevolkerung seines Landes hinweggerafft. Der Imam hielt sie fur eine Warnung Allahs. Er erklarte sich daher damit einverstanden, da? die Juden das Land verlie?en, allerdings unter der Bedingung, da? das gesamte judische Eigentum an ihn uberging, da? die Auswanderer eine Kopfsteuer entrichteten und da? mehrere hundert Handwerker und Spezialisten dablieben, die den Moslems ihre Kunst beibringen sollten.

Die Juden von Jemen verlie?en Heim und Hof. Sie packten, was sie tragen konnten, in ein Bundel und begaben sich in langen Trecks durch die Wildnis des Gebirges, die Glut der Sonne und die Sturme der Wuste.

Diese freundlichen kleinen Leute mit der olivfarbenen Haut und den feingeschnittenen Gesichtern machten sich auf den Weg zur Grenze des Protektorats Aden. Auf dem Kopf trugen sie einen Turban, und ihre langen gestreiften Gewander waren von der gleichen Art, wie man sie im Palast des Konigs Salomon getragen hatte. Die Frauen waren in schwarze Umhange mit wei?en Randern gekleidet, und ihre Babys trugen sie in Tuchern auf dem Rucken. So wanderten sie muhsam durch das Land, gehorsam den Worten der Weissagung, eine leichte Beute fur die Beduinen, die ihnen ihre kummerliche Habe als Wegzoll abnahmen.

Ziel des Auszugs der Jemeniten war die Hafenstadt Aden. Die Briten wu?ten zunachst nicht recht, was sie mit diesen Leuten anfangen sollten, die da in Scharen uber die Grenze ihres Protektoratgebiets hereingestromt kamen. Zwar waren sie auf die Juden wegen des Palastina-Mandats noch immer nicht gut zu sprechen, doch diesen Jemeniten gegenuber vermochten sie keinerlei Ha? zu empfinden. Sie erklarten sich bedingt damit einverstanden, da? die Jemeniten ins Land kamen und ein Lager errichteten, vorausgesetzt, da? die Israelis sie in Aden abholten.

Diese Menschen boten einen bejammernswerten Anblick, als sie am Ende ihrer Wanderung angelangt waren. Sie waren zerlumpt, verwahrlost und halbtot vor Hunger und Durst. Was sie mitgenommen hatten, war ihnen von den Arabern gestohlen worden; doch jeder hatte noch seine Bibel bei sich, und jede Dorfgemeinschaft brachte die heilige Thora ihrer Synagoge mit.

In aller Eile wurde in der Nahe von Aden, bei Hashed, ein Lager errichtet. Leute aus Israel patrouillierten an der Grenze zwischen dem Protektorat und Jemen. Sobald die Nachricht von der Ankunft einer weiteren Gruppe eintraf, schickte man eilig Lastwagen an die Grenze, die die Auswanderer nach Hashed brachten. In Hashed fehlte es an Personal und allem anderen. Die Organisatoren waren nicht imstande, mit den Bedurfnissen der herbeistromenden Massen Schritt zu halten.

Wasserleitung, WC oder elektrisches Licht waren fur die Jemeniten unbegreifliche Dinge. Innerhalb von Stunden sahen sich diese Menschen mit dem Fortschritt von fast dreitausend Jahren konfrontiert. Motorisierte Fahrzeuge, westliche Kleidung, Medikamente und tausend andere Dinge waren ihnen fremd und unheimlich.

Die Frauen wehrten sich schreiend, als man versuchte, ihnen die verlausten Lumpen auszuziehen und gegen saubere Kleidung auszutauschen. Sie lehnten es ab, sich untersuchen zu lassen, und protestierten gegen Einspritzungen und Schutzimpfungen. Sie widersetzten sich immer wieder den Pflegern, die versuchten, Kinder, die wegen schwerer Unterernahrung dringend behandelt werden mu?ten, vorubergehend in eine Krankenstation zu bringen. Glucklicherweise fand man wenigstens eine Teillosung, durch die verhindert wurde, da? die Bemuhungen der Arzte und des Pflegepersonals vollig vergeblich waren. Das Pflegepersonal des Lagers, gro?tenteils Israelis mit einer sehr genauen Kenntnis der Bibel, lernte es sehr bald, zu den Rabbis der Jemeniten zu gehen und sie auf eine passende Bibelstelle hinzuweisen. Mit diesem Mittel lie? sich beinahe alles erreichen. Wenn es nur in »dem Buch« geschrieben stand, waren die Jemeniten mit allem einverstanden. Das Lager von Hashed wurde gro?er und gro?er, und von der Grenze meldete man, da? immer neue Gruppen von Jemeniten im Anmarsch waren. Die Provisorische Regierung von Israel mu?te die Jemeniten, gema? der Vereinbarung mit den Englandern, schleunigst aus Aden abtransportieren. So kam es, da? aus den Arctic Circle Airways die Palestine Central Airways wurden, und da? Fester J. Mac Williams, ohne es zu ahnen, eine jahrtausendealte Prophezeiung in Erfullung gehen lie?, indem er mit dem ersten der »gro?en Adler« aus dem Himmel zur Erde herniederschwebte.

Die Ankunft des Flugzeuges loste ungeheure Aufregung aus. Die Leute der ersten Gruppe nahmen ihre Thora und ihre Wasserflaschen und begaben sich zum Flugplatz. Sie sahen den Adler und nickten sich bedeutungsvoll zu: Gott hatte ihn gesandt, wie er es versprochen hatte. Doch sie weigerten sich, an Bord zu gehen. Der Rabbi erinnerte daran, da? Sabbat war. Es entspann sich eine aufgeregte Diskussion. Der Lagerleiter erklarte, da? Tausende von Menschen darauf warteten, nach Israel zu kommen, und da? es diesen Menschen gegenuber nicht gerecht ware, den Adler auch nur einen Tag lang aufzuhalten. Doch was immer man geltend machte, nichts konnte die Jemeniten veranlassen, gegen den Sabbat zu versto?en. Sie sa?en eisern unter den Flugeln des Adlers und waren nicht von der Stelle zu bewegen. Nachdem sie dreitausend Jahre lang gewartet hatten, konnten sie auch diesen einen Tag noch warten.

Fester J. Mac Williams warf einen Blick auf diese sonderbaren Gestalten, horte sich das unverstandliche Palaver an, bedachte Stretch Thompson mit einem kurzen, aber kraftigen Fluch, begab sich in die Stadt und betrank sich sinnlos.

Am nachsten Morgen erwachte er mit einem furchtbaren Kater, da er griechischen Ouzo, Reiswein und Whisky gemixt hatte. Er fuhr mit brummendem Schadel zum Flugplatz. Er sah zu, wie die Jemeniten mit ihren Wasserflaschen und ihrer Thora an Bord gingen. »Heiliger Herr Jesus«, war sein Kommentar zu dieser Prozession. »Herr Flugkapitan«, sagte eine Stimme hinter ihm. Er drehte sich um und sah sich einem gro?gewachsenen, gutgebauten Madchen gegenuber, die sich ihm als Hanna vorstellte. Sie war Mitte Zwanzig, trug die im Kibbuz

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