sind auch eine ganze Reihe schwangerer Frauen.«
»Wei? ich, wei? ich.«
»Ich finde, die Kleinen sollten fur eine Weile nach oben an Deck gebracht werden.«
Er zeigte nach unten auf das ubervolkerte Deck. »Wohin denn?«
»Sie mussen eben ein paar hundert Freiwillige finden, die mit uns tauschen.«
»Also, hor mal zu, Kleine, ich mag dir nicht gern einen Korb geben, aber ich habe eine ganze Masse anderer Sorgen. Und so einfach ist die Sache nicht. Wir konnen auf dieser Nu?schale nicht anfangen, die Leute hin und her zu schicken.«
Karens Gesicht blieb sanft, und auch ihre Stimme klang unverandert freundlich, als sie sagte: »Ich gehe jetzt wieder nach unten und bringe meine Kinder an Deck.« Damit wandte sie sich zum Gehen. »Komm mal her, du. Wie kann ein Madchen, das so nett aussieht, blo? so eklig sein?« Bill strich sich uber das Kinn. »Also gut! Wir werden deine Balger an Deck unterbringen. Herrgott noch mal, dauernd kommt einer und will was!«
Am Abend brachte Karen ihre Kinder zu einer Stelle auf dem Achterdeck. In der wunderbar frischen und kuhlen Luft fielen sie in einen tiefen, ruhigen Schlaf.
Am nachsten Tag war das Meer spiegelglatt. Mit der Morgendammerung erschienen weitere englische Aufklarer, und der inzwischen bereits vertraute Geleitschutz, die Defiance und die Blakely, folgten dem Schiff noch immer. Eine Welle der Erregung lief durch das Schiff, als Bill uber Lautsprecher mitteilte, da? sie nur noch knappe vierundzwanzig Stunden von Erez Israel entfernt seien — dem Lande Israel. Alle hielten den Atem an. Die Spannung stieg, und es entstand eine seltsame Stille, die viele Stunden lang anhielt. Gegen Abend kam die Blakely nahe an die Stern Davids heran.
Aus dem Lautsprecher der Blakely drohnte eine Stimme in englischer Sprache uber das Wasser. »Hallo, Einwandererschiff — hier spricht Captain Cunningham von der Blakely. Ich mochte Ihren Kapitan sprechen.«
»Hello, Blakely«, rief Bill Fry zuruck. »Was gibt's?«
»Wir wollen einen Unterhandler zu Ihnen an Bord schicken, um mit Ihnen zu reden.«
»Das konnen Sie auch so. Wir sind hier ganz unter uns und haben keine Geheimnisse voreinander.«
»Also gut. Irgendwann nach Mitternacht werden Sie die Gewasser von Palastina erreichen. Wir haben die Absicht, dann bei Ihnen an Bord zu kommen und Sie nach Haifa abzuschleppen. Wir mochten gern wissen, ob Sie bereit sind, dies ohne Widerstand geschehen zu lassen.« »Hello, Cunningham. Wir haben einige schwangere Frauen und kranke Leute an Bord, und wir wollten fragen, ob Sie bereit waren, die zu ubernehmen.«
»Wir haben keine dahingehenden Anweisungen. Werden Sie sich von uns abschleppen lassen oder nicht?«
»Wohin hatten Sie gesagt?«
»Nach Haifa.«
»Teufel auch — wir mussen vollkommen vom Kurs abgekommen sein. Das hier ist namlich ein Vergnugungsdampfer vom Eriesee.« »Dann werden wir gezwungen sein, mit Gewalt bei Ihnen an Bord zu gehen!«
»Cunningham!«
»Ja?«
»Sagen Sie es Ihren Offizieren und Mannschaften: Ihr konnt euch alle zum Teufel scheren!«
Die Nacht kam, doch niemand schlief. Alles starrte durch die Dunkelheit, um die Kuste zu erspahen, den ersten Blick auf Erez Israel zu tun. Nichts war zu sehen. Die Nacht war neblig. Kein Mond, kein Stern, und die Stern Davids schlingerte in der unruhigen See.
Gegen Mitternacht klopfte ein Palmach-Gruppenleiter Karen auf die Schulter. »Komm mit auf die Brucke«, sagte er.
Muhsam bahnten sie sich uber die an Deck ausgestreckten Leiber den Weg zum Ruderhaus, wo sich zwanzig Mann der Besatzung und die Palmach-Gruppenleiter drangten. Es war stockdunkel; nur das blauliche Licht, das vom Kompa? kam, leuchtete. In der Nahe des Ruders erkannte Karen als dunklen Umri? die gedrungene Gestalt von Bill Fry.
»Sind alle da?«
»Alles vollzahlig zur Stelle.«
»Also, hort mal zu«, ertonte Bills Stimme aus der Dunkelheit. »Ich habe die Sache mit den Palmach-Chefs und meiner Mannschaft durchgesprochen, und wir sind zu einem Entschlu? gelangt. An der ganzen Kuste ist dicker Nebel. Wir haben einen Hilfsmotor an Bord, mit dem wir eine Geschwindigkeit von funfzehn Knoten erreichen konnen. In zwei Stunden kommen wir in die Gewasser von Palastina. Falls es so neblig bleibt, wollen wir versuchen, durchzubrechen und das Schiff sudlich von Casarea auf Strand zu setzen.«
Durch den Raum ging ein erregtes Gemurmel.
»Konnen wir denn diesen Kriegsschiffen entkommen?« »Die werden unseren Appelkahn fur die Thunderbird halten mussen, ehe ich bis drei gezahlt habe«, gab Bill Fry zuruck.
»Aber werden sie uns nicht auf ihrem Radargerat sehen!«
»Das schon — aber bis ganz an die Kuste werden sie uns nicht nachkommen. Die riskieren nicht, einen Kreuzer auf Strand zu setzen.«
»Und was ist mit der britischen Garnison in Palastina?«
»Wir haben uns mit dem Palmach an Land in Verbindung gesetzt. Man erwartet uns. Ich bin uberzeugt, da? man den Englandern einen interessanten Abend veranstalten wird. Also, ihr habt ja alle in La Ciotat eine Spezialausbildung durchgemacht, wie man sich bei einer Landung zu verhalten hat. Ihr wi?t, womit zu rechnen ist und was ihr zu tun habt. Karen und die beiden anderen, die eine Kindergruppe haben — bleibt mal lieber noch einen Augenblick hier, damit ich euch spezielle Anweisungen geben kann. Noch irgendwelche Fragen?«
Keine Fragen.
»Irgendwelche Beanstandungen?« Keine Beanstandungen.
»Mist, verdammter; also: Hals- und Beinbruch — und Gott mit euch.«
XVII.
Der Wind trieb den Nebel in Schwaden durch die alte, verfallene Hafenstadt Casarea mit ihren Ruinen, ihren geborstenen Mauern und dem zerfallenen Hafen, der schon seit vierhundert Jahren vor der Zeitenwende nicht mehr in Gebrauch war.
Funf Jahrhunderte lang war Casarea, von Herodes zu Ehren Casars erbaut, die Hauptstadt der romischen Provinz Palastina gewesen. Von dieser einstigen Hauptstadt waren nur noch Ruinen ubrig. Der Wind fuhr uber das Wasser, wuhlte es auf und warf es schaumend gegen die Felsen, die sich bis weit vor der Kuste aus dem Meer erhoben.
Hier hatte der Aufstand gegen die Romer geendet, mit dem Blutbad, bei dem zwanzigtausend Hebraer niedergemetzelt wurden, und hier hatte der weise Rabbi Akiba, der sein Volk aufgerufen hatte, mit Bar Kochba fur die Freiheit zu kampfen, sein Martyrium erlitten. Noch immer mundete hier der Krokodilflu? ins Meer, an dessen Ufer man Akiba bei lebendigem Leibe die Haut heruntergezogen hatte.
Einige Meter sudlich der Ruinen erhoben sich die ersten Gebaude eines judischen Fischerkollektivs namens Sdot Yam — Meeresacker. Keiner in dieser Siedlung schlief diese Nacht, alle Fischer und ihre Frauen waren wach.
Sie alle sa?en geduckt in den Ruinen und spahten schweigend und in atemloser Spannung hinaus auf das Meer. Es waren zweihundert Manner und Frauen, und bei ihnen waren weitere zweihundert Manner des Palmach.
Von dem alten Drususturm, der sich aus der Brandung erhob, kam ein Blinkzeichen, und alle machten sich sprungbereit.
Drau?en, an Bord des Stern Davids, bi? Bill Fry auf seinen Zigarrenstummel und umklammerte mit den Handen das Steuerruder des alten Schiffes. Langsam und vorsichtig steuerte er es naher an den Strand, vorbei an heimtuckischen Riffen und Untiefen. An Deck standen die Fluchtlinge dicht beieinander und pre?ten sich an die Reling. Die Stern Davids zitterte und achzte, als ihr holzerner Rumpf krachend auf eine zerkluftete Klippe aufsetzte. Eine einzelne Leuchtrakete stieg in die Luft. Es ging los!
Alle sprangen uber Bord, versanken bis zum Hals im Wasser und kampften sich schrittweise durch die Brandung auf die Kuste zu.
Als die Rakete aufleuchtete, sprangen die Fischer und PalmachTruppen aus ihrer Deckung und wateten hinaus, den Fluchtlingen entgegen. Dabei glitten viele aus und versanken in tiefen Lochern, oder sie wurden von