Die zwolf Lastwagen und die zwei Jeeps wurden in der Khaki-Farbe der britischen Armee angestrichen. Auf die Turen der Fahrzeuge malte Joab Yarkoni ein Zeichen, das man fur eines der tausend Abzeichen der Army halten konnte, und darunter stand: 23. Transportkompanie SMJSZ.
Im Dienstraum der »Kompanie« lagen auf den Schreibtischen echte und gefalschte britische Dienstpapiere herum, um dem Ganzen authentisches Aussehen zu verleihen.
Nach vier Tagen sah das kleine Camp mit den zwolf Lastwagen ganz normal und unauffallig aus. Sie hatten aus dem Depot eine genugende Anzahl britischer Uniformen mitgenommen, um den Palmach in angemessener Weise einkleiden zu konnen, und auch sonst war genug von allem da, um das Camp vollstandig auszustatten.
Als Kronung des Ganzen befestigte Joab Yarkoni uber dem Tor ein Schild mit der Inschrift: 23. Transportkompanie SMJSZ. Alles seufzte erleichtert auf, als das Schild hing und das Lager seinen offiziellen Namen hatte.
Seew sah die Tafel an und kratzte sich am Kopf. »Was soll das eigentlich hei?en — SMJSZ?« »Das hei?t: Seiner Majestat judische Streitkrafte auf Zypern — was denn sonst?« antwortete Joab.
Die Fassade zur Durchfuhrung des Unternehmens Gideon stand. Ari ben Kanaan hatte die Stirn gehabt, seine Gruppe als Einheit der britischen Armee zu tarnen. In der Uniform eines englischen Offiziers hatte er selbst das Hauptquartier von Mossad Aliyah Bet in aller Offentlichkeit an der Stra?e nach Famagusta aufgeschlagen, und er war entschlossen, fur die Endphasen seines Planes ausschlie?lich britische Heeresausrustung zu benutzen. Das war ein gewagtes Spiel, doch er hielt sich an den einfachen Grundsatz: Die beste Tarnung fur einen Geheimagenten ist, sich so normal wie moglich zu benehmen.
Die nachste Phase des Unternehmens Gideon lief an, als drei amerikanische Seeleute von der Crew eines Frachtdampfers in Famagusta ihr Schiff verlie?en. Es waren Mossad-Leute, die im Krieg bei der amerikanischen Flotte gedient hatten. Von einem anderen Schiff kamen zwei Spanier, die nach der Machtubernahme durch Franco ins Exil gegangen waren. Es kam haufig vor, da? rotspanische Seeleute auf Aliyah-Bet-Schiffen arbeiteten. Damit hatte die Exodus eine Besatzung, die durch Ari, David, Joab und Seew vervollstandigt wurde.
Hank Schlosberg, der amerikanische Skipper, und Joab gingen ans Werk, die Exodus als Blockadebrecher umzubauen. Larnaca war ein kleiner Hafen, und Mandria wu?te es zu bewerkstelligen, da? nichts uber eine ungewohnliche Aktivitat an Bord der Aphrodite bekannt wurde, die am Ende der Pier lag.
Zunachst wurden auf und unter Deck samtliche Schranke, Facher, Bretter und Borde abgebaut. Das ganze Schiff wurde von vorn bis achtern ein leerer Raum.
Dann wurden an Deck zwei holzerne Hauschen errichtet, eins fur die Jungen und eins fur die Madchen. Die Mannschaftsmesse wurde zum Lazarettraum umgestaltet. Man wurde auf der Exodus weder Messe noch Kombuse brauchen. Die gesamte Verpflegung wurde aus Konserven bestehen, und essen wurde man aus der Buchse. Die Kombuse wurde zu Waffenkammer und Lagerraum umgebaut. Auch die Mannschaftskajuten wurden ausgebaut. Die Crew sollte oben auf der kleinen Brucke schlafen. Die Lautsprecheranlage wurde eingebaut, die uralte Schiffsmaschine sorgfaltig uberholt. Ein Mast wurde aufgerichtet und ein Segel vorbereitet fur den Fall, da? die Maschine ausfallen sollte.
Unter den dreihundert ausgesuchten Jugendlichen waren auch Kinder strengglaubiger Juden, und daraus ergab sich ein Problem besonderer Art. Yarkoni mu?te das Oberhaupt der judischen Gemeinde von Zypern mit der Bitte aufsuchen, fur diese Strengglaubigen »koscheres« Buchsenfleisch herstellen zu lassen. Dann wurde der Raum unter Deck und uber Deck genau ausgemessen. Trennungswande wurden eingebaut, mit einem Zwischenraum von jeweils funfundvierzig Zentimetern. Diese funfundvierzig Zentimeter sollten als Kojen dienen und es jedem Kind gestatten, entweder auf dem Rucken oder auf dem Bauch zu liegen — allerdings nicht den Luxus, sich von einer Seite auf die andere zu drehen.
Die Rettungsboote wurden repariert. In die Bordwand wurden gro?e Locher geschnitten und Windfange mit Ventilatoren eingebaut, damit Luft in den Raum unter Deck komme. Auch die aus dem britischen Depot gestohlenen Frischluftanlagen wurden eingebaut. Die Arbeit ging glatt vonstatten. Da? auf einem alten SeelenVerkaufer wie der Aphrodite ein halbes Dutzend Leute beschaftigt waren, war im Hafen von Larnaca ein ganz normaler Anblick. Schwieriger war schon die Frage, wie man die Verpflegung und die ubrige Ausrustung an Bord bringen sollte. Ari fand es zu riskant, mit den khakifarbenen Lastwagen an den Hafen zu fahren, weil das bestimmt einiges Aufsehen erregt hatte. Daher lief die Exodus, als der Umbau im wesentlichen beendet war, Nacht fur Nacht heimlich aus Larnaca aus und begab sich zu einem unbeobachteten Treffpunkt in der Sudbucht, einige Meilen von Larnaca entfernt. Dorthin kamen die Lastwagen der 23. Transportkompanie SMJSZ, mit all den guten Dingen beladen, die man in dem britischen Depot geklaut hatte. Die ganze Nacht hindurch fuhren die Schlauchboote zwischen der Kuste und dem Schiff hin und her, bis die Exodus so beladen war, da? nichts mehr in ihre Vorratskammern hineinging.
Inzwischen fuhrte Seew Gilboa in der Jugendsektion des Lagers Caraolos die Aufgabe aus, die er im Rahmen des Unternehmens Gideon hatte. Er wahlte sorgfaltig dreihundert der kraftigsten Jungen und Madchen aus und fuhrte sie in Gruppen auf den Spielplatz, wo sie fit gemacht wurden durch gymnastische Ubungen, Unterricht bekamen im Kampf mit Messern und Stocken, wo sie lernten, wie man mit einem Gewehr umgeht und wie man Handgranaten wirft. Rings um den Spielplatz standen Aufpasser; sobald ein englischer Wachtposten auftauchte, ertonte ein Warnungs-Signal, aus dem kriegerischen Spiel wurde ein friedliches Spiel. Die Kinder, die eben noch geschossen hatten, sangen drei Sekunden spater Kinderlieder. Bei dem Unternehmen Gideon ergab sich eine gewisse Schwierigkeit, die jedoch nur Aris engste Mitarbeiter betraf: David, Seew und Joab.
David war zwar ein feinfuhliger junger Mann und ein Mann der Wissenschaften, doch wenn er einmal in Fahrt war, furchtete er sich vor nichts, und jetzt war er in Fahrt. Bei dem englischen Depot war die Sache das erstemal so glatt gegangen, da? David, Seew und Joab meinten, es sei geradezu Sunde, auch nur einen Schnursenkel dort zu lassen. David war dafur, von fruh bis spat mit den Lastwagen der 23. Transportkompanie in das Depot zu fahren und alles mitzunehmen, was nicht niet- und nagelfest war. Seew wollte sogar Kanonen mitnehmen. Sie hatten so lange mit so wenig Waffen auskommen mussen, da? diese gunstige Gelegenheit eine allzu gro?e Versuchung darstellte.
Ari war dagegen und meinte, diese Habgier konnte das Gelingen des ganzen Planes gefahrden. Die Englander schliefen zwar, aber so fest schliefen sie nun auch wieder nicht. Die Wagen der 23. Transportkompanie sollten lediglich von Zeit zu Zeit beim Depot aufkreuzen, schon damit die Sache normal aussahe, doch der Versuch, das ganze Lager leerzumachen, konnte ihnen allen das Genick brechen.
Dennoch gelang es Ari nicht, seine jungen Mitarbeiter im Zaum zu halten. Sie machten immer wildere Plane. Joab ging in seiner Frechheit soweit, einige englische Offiziere zum Essen in die Messe der 23. Transportkompanie einzuladen. Aris Geduld war zu Ende. Er drohte, sie alle miteinander nach Palastina zu schicken, um sie dort auf Vordermann bringen zu lassen.
Rund zwei Wochen nach dem Anlaufen des Unternehmens Gideon war alles soweit vorbereitet, da? die entscheidende Phase ablaufen konnte — die Uberfuhrung der dreihundert Kinder nach Kyrenia und das Erscheinen von Parkers Bericht in der Presse. Das Stichwort hierfur mu?ten die Englander selbst geben. Dieses entscheidende Manover sollte anlaufen, sobald die Englander das neue Internierungslager an der Stra?e von Larnaca in Betrieb nahmen und anfingen, Insassen des Lagers bei Caraolos dorthin zu verlegen.
XIX.
Caldwell, Sutherlands Adjutant, kam in das Buro von Major Allan Alistair, Chef des Intelligence Service auf Zypern. Alistair, ein Mann von etwas uber Vierzig, der ein leises Organ hatte und einen etwas scheuen Eindruck machte, nahm ein Aktenbundel von seinem Schreibtisch und ging mit Caldwell den Flur entlang zu Sutherlands Buro.
Der Brigadier bat Caldwell und Alistair, Platz zu nehmen, und forderte den Mann vom Intelligence Service durch ein kurzes Nicken auf, mit seinem Vortrag zu beginnen. Alistair strich sich mit dem Finger uber die Nase und blatterte in seinen Akten. »Wir haben in Caraolos eine auffallige Zunahme der judischen Aktivitat in der Jugendsektion beobachtet«, sagte er fast flusternd. »Wir vermuten, da? man einen Aufruhr oder einen Ausbruchsversuch vorbereitet.« Sutherland trommelte ungeduldig auf der Schreibtischplatte. Mit seiner leisen Stimme und seiner Heimlichtuerei machte ihn Alistair jedesmal nervos, und jetzt ging das im gleichen Ton pausenlos so weiter.
»Mein lieber Allan Alistair«, sagte Sutherland schlie?lich, »ich habe Ihnen jetzt eine Viertelstunde lang zugehort. Sie vermuten also, da? die Juden irgendeinen finsteren Anschlag planen. In den letzten vierzehn Tagen haben Sie versucht, drei Vertrauensleute in der Jugendsektion und funf an anderen Stellen im Lager anzusetzen. Jeder Ihrer Meisterspione ist innerhalb einer Stunde entlarvt und von den Juden hinausgeworfen worden. Sie haben