kommen zu lassen und ihnen eine gewaltige Standpauke fur diesen Bericht zu halten, der an Meuterei grenzte. Doch dann machte er sich klar, da? Alistair es nicht riskiert hatte, ihm einen solchen Brief zu schicken, wenn er nicht ernstlich beunruhigt ware.
Falls sich Tevor-Browne dafur entschied, Alistairs Rat zu befolgen und in Caraolos rasch durchzugreifen, um eventuelle Plane der Juden zu durchkreuzen oder zu vereiteln, mu?te er sich beeilen. Denn Ari ben Kanaan hatte bereits den genauen Zeitpunkt festgesetzt, zu dem die Kinder mit Sicherheit aus Caraolos fortgebracht werden sollten. Die Englander hatten bekanntgegeben, da? die neuen Lager in der Nahe von Larnaca fertiggestellt seien, und da? man in den nachsten Tagen damit beginnen wurde, einen gro?en Teil der Insassen aus den uberfullten Lagern bei Caraolos dorthin zu uberfuhren. Die Fluchtlinge sollten mit Lastwagen hingebracht werden, und zwar zehn Tage lang taglich jeweils drei- bis funfhundert. Ari setzte den sechsten Tag als Zeitpunkt X des Unternehmens Gideon fest.
XX.
PERSONLICH ZU UBERBRINGEN AN MR. KENNETH BRADBURY AMERICAN NEWS SYNDICATE, LONDON Lieber Brad, der Uberbringer dieses Briefes und des beiliegenden Berichtes aus Zypern ist F. F. Whitman, ein Pilot der British Intercontinental Airways.
Der Tag X des Unternehmens Gideon ist in funf Tagen. Telegrafieren Sie mir sofort, ob Sie meinen Bericht bekommen haben. Ich habe mich auf eigene Faust eingeschaltet, glaube aber, da? eine ganz dicke Sache daraus werden konnte.
Am Tage X werde ich Ihnen ein Telegramm schicken. Wenn die Unterschrift MARK ist, so bedeutet das, da? alles planma?ig verlaufen ist und da? Sie die Story loslassen konnen. Wenn es mit PARKER unterschrieben ist, dann halten Sie die Story noch zuruck, denn das bedeutet, da? irgend etwas schiefgegangen ist. Ich habe F. F. Whitman als Belohnung fur sichere Uberbringung 500 Dollar, versprochen. Seien Sie so gut und geben Sie ihm das Geld, ja?
Mark Parker
MARK PARKER
DOM-HOTEL
KYRENIA/ZYPERN
TANTE DOROTHEA WOHLBEHALTEN IN LONDON GELANDET STOP HABEN UNS ALLE SEHR GEFREUT SIE ZU SEHEN STOP HOFFEN BALD VON DIR ZU HOREN.
BRAD
Marks Bericht lag also im Londoner Buro von ANS vor, um auf ein verabredetes Stichwort hin in den Zeitungen zu erscheinen.
Kitty zog, als sie in Caraolos zu arbeiten anfing, vom Dom-Hotel in das King-George-Hotel in Famagusta um. Mark beschlo?, im DomHotel wohnen zu bleiben, um an Ort und Stelle zu sein, wenn die Exodus in den Hafen von Kyrenia kam.
Er war zweimal im Wagen nach Famagusta gefahren, um Kitty zu besuchen. Beide Male hatte er sie nicht angetroffen, da sie im Lager gewesen war. Was Mark schon befurchtet hatte, wurde ihm von Mandria bestatigt: dieses junge Madchen im Lager arbeitete als Kittys Assistentin, und die beiden waren den ganzen Tag zusammen. Mark machte sich Sorgen. Kitty schien die unsinnige Idee zu haben, ihre tote Tochter sei in diesem Madchen wieder lebendig geworden. Das Ganze war nicht normal, war irgendwie uberspannt. Dazu kam noch, da? Kitty sich darauf eingelassen hatte, gefalschte Papiere aus dem Lager herauszuschmuggeln.
Bis zu der entscheidenden Phase des Unternehmens Gideon waren es nur noch wenige Tage. Die Spannung machte Mark nervos, und Kittys sonderbares Betragen machte ihn noch nervoser. Er verabredete sich mit ihr im King George.
Auf der Fahrt nach Famagusta waren seine Nerven bis zum Zerrei?en angespannt. Es war alles allzu glatt gegangen. Ben Kanaan und seine Rauberbande hatten die Englander vollig in die Irre gefuhrt. Die Englander waren sich daruber klar, da? irgend etwas im Gange war, aber es schien ihnen einfach nicht moglich, dahinten zukommen, wo die Drahtzieher sa?en. Mark war voller Bewunderung fur die Klugheit Ben Kanaans und den Mut des Palmach. Die Ausrustung der Exodus und die Ausbildung der dreihundert Jugendlichen waren mustergultig. Diese Sache wurde tatsachlich die sensationellste Story ergeben, die er jemals in die Finger bekommen hatte, doch er machte sich zur gleichen Zeit auch sehr gro?e Sorgen uber seine Beteiligung an der ganzen Angelegenheit.
Im King George, das wie das Dom-Hotel direkt am Meer lag, sah er Kitty an einem Tisch auf der Terrasse sitzen, die zum Meer ging.
»Hallo, Mark«, sagte sie lachelnd und gab ihm, als er neben ihr Platz nahm, einen Ku? auf die Wange.
Er bestellte etwas zu trinken, gab Kitty eine Zigarette und zundete sich selbst eine an. Kitty sah gro?artig aus; sie schien um zehn Jahre junger.
Die Cocktails kamen.
»Du machst keinen besonders glucklichen Eindruck«, sagte Kitty. »Ist es die Spannung?«
»Naturlich«, sagte er argerlich. »Meinst du vielleicht, ich ware nicht gespannt?«
Sie erhoben die Glaser und sahen sich an. Kitty stellte ihr Glas rasch wieder hin. »Horen Sie, Mr. Parker — Sie funkeln ja wie ein Warnungsschild vor einer Kurve. Mach deinem Herzen Luft, ehe du explodierst.«
»Was hast du denn? Bist du bose? Magst du mich nicht mehr?« »Mein Gott, Mark — ich wu?te gar nicht, da? du so empfindlich bist. Ich habe viel Arbeit gehabt. Au?erdem waren wir uns doch einig, da? wir uns in diesen zwei Wochen lieber nicht so oft sehen wollten, nicht wahr?«
»Gestatten Sie: mein Name ist Mark Parker. Wir haben uns fruher mal ziemlich gut gekannt. Es war bei uns ublich, da? wir uber alles miteinander sprachen.«
»Ich wei? nicht, worauf du hinauswillst.«
»Ich meine Karen — Karen Clement-Hansen. Ein kleines Fluchtlingsmadchen aus Deutschland, via Danemark.«
»Ich wu?te nicht, was es daruber zu reden gabe.«
»Ich glaube doch.«
»Sie ist einfach ein reizendes Madchen, und ich habe sie gern. Sie mag mich, und ich mag sie.«
»Lugen war nie deine Starke.«
»Ich mag nicht daruber reden!«
»Du la?t dich da auf etwas ein, was zwangslaufig schiefgehen mu?. Das letztemal bist du nackt im Bett eines Matrosen gelandet. Diesmal wirst du vermutlich draufgehen.«
Sie sah zur Seite und sagte: »Dabei bin ich immer so vernunftig gewesen, mein ganzes Leben lang.«
»Willst du etwa versuchen, alles, was du in dieser Beziehung versaumt hast, jetzt auf einmal nachzuholen?«
Sie legte die Hand auf seine Hand. »Ich verstehe es auch nicht — aber mir ist, als ware ich neu geboren. Sie ist ein so ungewohnliches Madchen, Mark.«
»Und was machst du, wenn sie auf die Exodus geht? Hast du vor, sie nach Palastina zu begleiten?«
Kitty zerdruckte ihre Zigarette im Aschenbecher und trank ihren Cocktail aus. Ihre Augen wurden schmal, und ihr Gesicht zeigte einen Ausdruck, den Mark an ihr kannte. »Was hast du getan?« fragte er.
»Karen geht nicht mit auf die Exodus. Das war die Bedingung, unter der ich mich bereit erklarte, fur Ari ben Kanaan zu arbeiten.«
»Was fur ein Blodsinn, Kitty — was fur ein verdammter Blodsinn!« »Hor auf!« sagte sie. »Hor auf, so zu tun, als ob irgend etwas dabei nicht in Ordnung ware. Ich bin einsam gewesen, habe gehungert nach einer Zuneigung, einer Liebe, wie sie dieses Madchen mir geben kann. Und ich kann fur sie der Mensch sein, nach dem sie verlangt.«
»Du willst gar nicht ,ein Mensch' sein — du mochtest ihre Mutter sein.«
»Na, und wenn? Auch das ware ganz in Ordnung.«
»Also, hor mal, wir wollen uns hier nicht weiter anschreien. Wir wollen in aller Ruhe daruber reden. Ich wei? nicht, was du dir da ausgedacht hast, aber ihr Vater ist vermutlich noch am Leben. Und wenn nicht, dann hat sie die Hansens in Danemark. Und drittens: dieses Madchen ist von den Leuten aus Palastina genauso verruckt gemacht worden wie alle anderen auch. Sie will unbedingt nach Palastina.«
Kittys Augen bekamen einen traurigen Ausdruck, und Mark bereute, was er gesagt hatte.
»Es war falsch von mir«, sagte Kitty, »da? ich sie nicht auf die Exodus gehen lassen will. Ich wollte sie ein paar Monate um mich haben, wollte ihr Vertrauen gewinnen, wollte ihr allmahlich beibringen, wie wunderbar es