ware, wenn sie mit mir nach Amerika kame. Ich dachte, wenn ich ein paar Monate mit ihr zusammen sein konnte, dann wu?te ich genau —.«
»Kitty, Kitty! Karen ist nicht Sandra. Du hast die ganze Zeit nach Sandra gesucht, von dem Augenblick an, als der Krieg zu Ende war. Du hast nach ihr gesucht in diesem Waisenheim in Saloniki. Vielleicht war das der Grund, weshalb du Ben Kanaans Herausforderung annehmen mu?test; denn in Caraolos waren Kinder, und du dachtest, eins von diesen Kindern konnte vielleicht Sandra sein.«
»Bitte, Mark — hor auf.«
»Schon gut. Und was kann ich fur dich tun?«
»Versuche festzustellen, ob ihr Vater am Leben ist. Wenn er nicht lebt, mochte ich Karen adoptieren und sie nach Amerika mitnehmen.«
»Ich werde mein moglichstes tun«, sagte er. Er sah Ari ben Kanaan, der, als Captain Caleb Moore verkleidet, rasch herankam und bei ihnen am Tisch Platz nahm. Sein Gesicht war kuhl und beherrscht wie immer. Kittys Gesicht leuchtete, als sie ihn sah.
»Ich habe eben eine Nachricht von David aus Caraolos bekommen. Ich mu? sofort hin. Und es scheint mir das Beste, Sie kommen mit«, sagte er zu Kitty.
»Was ist los?« fragten Mark und Kitty voller Aufregung im gleichen Atemzug.
»Genau wei? ich es auch nicht. Dieser Landau, der Junge, der die gefalschten Papiere fur uns herstellt — er arbeitet im Augenblick an den Listen fur die Uberfuhrung der dreihundert Kinder. Er weigert sich, weiterzumachen, ehe er nicht mit mir gesprochen hat.«
»Und was soll ich dabei?« fragte Kitty.
»Ihre Freundin Karen ist so ziemlich der einzige Mensch, der mit ihm reden kann.«
Kitty wurde bla?.
»Diese Papiere mussen innerhalb der nachsten sechsunddrei?ig Stunden fertig sein«, sagte Ari. »Es konnte notwendig werden, da? Sie Karen veranlassen, mit dem Jungen zu reden.«
Kitty stand schwankend auf und folgte Ari widerstandslos. Mark schuttelte bekummert den Kopf und sah noch lange zu der Tur, durch die sie verschwunden waren.
XXI.
Karen stand in dem Klassenzimmer, das als Palmach-Hauptquartier diente. Wutend starrte sie auf den Jungen mit dem sanften Gesicht und dem blonden Haar. Er war etwas klein fur einen Siebzehnjahrigen, und sein sanftes Au?eres war eine Tauschung. In seinen kalten blauen Augen brannten Qual, Verwirrung und Ha?. Er stand bei einer kleinen Nische, die die Papiere und Instrumente enthielt, die er fur seine Falschungen verwendete. Karen ging zu ihm hin und fuhr ihm mit dem Finger unter der Nase hin und her. »Dov? Was hast du wieder angestellt?« Er schob die Unterlippe vor und brummte. »Hor auf, mich anzuknurren wie einen Hund«, sagte sie. »Ich will wissen, was du angestellt hast.«
Er blinzelte nervos. Es hatte keinen Sinn, mit Karen streiten zu wollen, wenn sie wutend war. »Ich habe ihnen gesagt, da? ich mit Ben Kanaan sprechen will.«
»Und warum?«
»Wei?t du, was das da ist? Das sind gefalschte englische Formulare. Ben Kanaan hat mir eine Liste mit den Namen von dreihundert Jungens und Madchen aus unserer Sektion gegeben, die auf diesen Papieren hier aufgefuhrt werden — und dann in das neue Lager bei Larnaca verlegt werden sollen. In Wirklichkeit kommen sie aber gar nicht in das neue Lager. Sie sollen auf ein Mossad-Schiff, das irgendwo liegt. Und dieses Schiff fahrt nach Palastina.«
»Na und? Du wei?t doch, wir fragen die Leute von Mossad oder Palmach nicht danach, was sie vorhaben.«
»Doch, diesmal frage ich danach. Unsere beiden Namen stehen nicht auf der Liste. Ich mache diese Papiere nicht fertig, wenn sie nicht auch uns mitnehmen.«
»Du wei?t ja gar nicht, ob wirklich ein Schiff da ist. Und sollte ein Schiff da sein und wir nicht mitfahren, dann wird das seine Grunde haben. Wir beide haben eine ganz bestimmte Arbeit hier in Caraolos zu tun.«
»Ich frage nicht danach, ob sie mich hier brauchen oder nicht. Man hat mir versprochen, da? man mich nach Palastina bringt, und ich fahre mit.«
»Denkst du denn gar nicht daran, da? wir diesen Mannern von Palmach auch etwas schuldig sind fur all das, was sie fur uns getan haben?«
»Fur uns getan, fur uns getan! Wei?t du eigentlich gar nicht, weshalb die so darauf versessen sind, Juden nach Palastina zu schmuggeln? Meinst du wirklich, sie taten das nur, weil sie uns so lieben? Nein, das machen sie, weil sie Leute brauchen, die gegen die Araber kampfen.«
»Und was ist mit den amerikanischen Juden und all den andern, die nicht gegen die Araber kampfen? Warum helfen die uns?«
»Das will ich dir sagen. Die geben Geld, um ihr schlechtes Gewissen zu beruhigen. Sie fuhlen sich schuldig, weil man sie nicht auch in die Gaskammern gesteckt hat.«
Karen bi? die Zahne aufeinander und schlo? die Augen, um ihre Fassung nicht zu verlieren. »Dov, Dov! Gibt es fur dich nichts anderes als Ha??« Sie drehte sich um und wollte zur Tur.
Dov lief ihr nach und versperrte ihr den Ausgang. »Jetzt bist du wieder wutend auf mich«, sagte er.
»Ja, das bin ich.«
»Karen, du bist der einzige Freund, den ich habe.«
»Du willst ja nur nach Palastina, damit du dich den Terroristen anschlie?en und Menschen toten kannst.«
Karen ging zuruck, setzte sich in eine Schulbank und seufzte. An der Wandtafel vor ihr stand in Blockschrift der Satz: DIE BALFOUR-DEKLARATION VOM JAHRE 1917 ENTHALT DAS VERSPRECHEN ENGLANDS, DEN JUDEN EINE HEIMAT IN PALASTINA ZU GEBEN. »Ich mochte auch nach Palastina«, sagte sie leise. »Ich wunsche es mir so sehr, da? es mich fast umbringt. Mein Vater erwartet mich dort — das wei? ich bestimmt.«
»Geh jetzt wieder in dein Zelt und warte dort auf mich«, sagte Dov. »Ben Kanaan wird gleich hier sein.«
Als Karen gegangen war, lief Dov zehn Minuten lang nervos hin und her durch das Klassenzimmer und steigerte sich in immer gro?ere Wut hinein.
Endlich offnete sich die Tur und die hohe, breite Gestalt Ari ben Kanaans kam herein, gefolgt von David ben Ami und Kitty Fremont. David machte die Tur zu und schlo? ab.
Dov kniff mi?trauisch die Augen zusammen. »Die da will ich nicht dabeihaben«, sagte er.
»Aber ich«, sagte Ari. »Also rede.«
Dov blinzelte und zogerte unschlussig. Er wu?te, da? er gegen Ben Kanaan nicht aufkam. Er ging zu der Nische und schnappte sich die Vordrucke der Uberfuhrungsliste. »Ich nehme an, da? Sie hier in Zypern ein Aliyah- Bet-Schiff haben, und da? die dreihundert, die auf dieser Liste stehen, auf dieses Schiff gebracht werden sollen.«
»Gar keine schlechte Idee«, sagte Ari. »Weiter.«
»Wir haben eine Abmachung getroffen, Ben Kanaan. Ich mache diese Liste fur Sie nicht fertig, wenn nicht auch mein Name und der von Karen Clement draufkommt. Noch irgendwelche Fragen?«
Ari warf Kitty von der Seite einen raschen Blick zu.
»Hast du eigentlich schon mal daran gedacht, Dov, da? du der einzige Spezialist hier bist, und da? wir dich deshalb hier brauchen?« sagte David ben Ami. »Und hast du auch schon mal daran gedacht, da? ihr beiden, du und Karen, hier wertvoller seid als in Palastina?« »Haben Sie eigentlich schon mal daran gedacht, da? mir das verdammt gleichgultig ist?« antwortete Dov.
Ari senkte den Blick, um ein Lacheln zu verbergen. Dov war ein schlauer Bursche und mit allen Wassern gewaschen. Es waren ausgekochte Jungens, die die Konzentrationslager uberleben konnten.
»Es scheint, du hast die Trumpfe in der Hand«, sagte Ari. »Setz deinen Namen mit auf die Liste.«
»Und was ist mit Karen?«
»Davon war bei unserer Abmachung nicht die Rede.«
»Aber ich mache es jetzt zur Bedingung.«
Ari ging zu ihm hin, baute sich dicht vor ihm auf und sagte: »Das pa?t mir nicht, Dov.«
Dov begehrte auf. »Schlagen Sie mich doch! Ich bin von Spezialisten geschlagen worden! Bringen Sie mich um! Ich habe keine Angst. Nach dem, was ich bei den Deutschen erlebt habe, kann mich nichts mehr einschuchtern.«