Kitty, jetzt brauchen wir ja nicht mehr hier zu warten.«

Er nahm seinen Feldstecher, ging mit Kitty nach unten zum Empfang und verlangte ein Telegrammformular.

KENNETH BRADBURY AMERICAN NEWS SYNDICATE LONDON

NETTE BEKANNTSCHAFT GEMACHT STOP ERBITTE ZWEI WOCHEN URLAUBSVERLANGERUNG. MARK »Geben Sie das bitte auf, als dringendes Telegramm. Wie lange wird das dauern?«

Der Portier sah auf das Formular und sagte: »Es wird in ein paar Stunden in London sein.«

Mark und Kitty verlie?en das Hotel und gingen zum Hafen.

»Was war das fur ein Telegramm?« fragte Kitty.

»Das war das verabredete Signal, da? mein Bericht heute abend an die Presse gehen soll.«

Am Kai blieben sie eine Weile stehen und sahen zu, wie der gebrechliche Kahn im Hafen festmachte. Dann nahm Mark Kittys Arm. Sie gingen hinuber auf die andere Seite des Hafens und stiegen auf den Turm des Kastells. Von hier oben konnten sie sowohl den Hafen sehen als auch weit die Kustenstra?e hinunter, auf der die Wagenkolonne ankommen mu?te.

Gegen elf Uhr funfzehn richtete Mark seinen Feldstecher auf diese Stra?e, die sich am Meer entlangzog, in Windungen hinter den Hugeln verschwand und wieder hervorkam. Der Pa? uber das Gebirge war zu weit entfernt, um ihn von hier aus sehen zu konnen. Plotzlich erstarrte er: er hatte einen Staubschleier gesichtet und jetzt erkannte er eine Reihe von Lastwagen, klein wie Ameisen. Er stie? Kitty an und gab ihr das Glas. Sie hielt es auf die Wagen gerichtet, die auf der sich schlangelnden Stra?e auftauchten, verschwanden, von neuem sichtbar wurden und sich langsam auf Kyrenia zu bewegten.

»Sie sind ungefahr noch eine halbe Stunde entfernt.«

Sie stiegen von dem Turm wieder herunter, gingen wieder auf die andere Seite des Hafens und blieben am Ende des Kais stehen. Von hier waren es nur funf Minuten zum Dom-Hotel. Als die Wagenkolonne das Krankenhaus am Stadtrand passierte, nahm Mark Kitty bei der Hand und ging mit ihr zum Hotel zuruck.

Dort begab sich Mark in eine Telefonzelle und lie? sich dringend mit dem Britischen Intelligence Service in Famagusta verbinden.

»Ich hatte gern Major Alistair gesprochen«, sagte Mark. Er hielt ein Taschentuch uber die Sprechoffnung und sprach mit englischem Akzent.

»Verzeihung, wer spricht dort, und um was handelt es sich, bitte?« »Horen Sie mal«, sagte Mark, »dreihundert Juden sind aus Caraolos entflohen. Also stellen Sie jetzt gefalligst keine dummen Fragen, sondern verbinden Sie mich mit Alistair.«

Der Apparat auf Major Alistairs Schreibtisch lautete.

»Hier Alistair«, sagte er mit seiner leisen Stimme.

»Hier ist ein guter Freund«, sagte Mark. »Ich wollte Ihnen nur melden, da? mehrere hundert Juden aus Caraolos ausgebrochen sind und sich in diesem Augenblick im Hafen von Kyrenia an Bord eines Schiffes begeben.«

Dann legte er auf.

Alistair druckte mehrfach rasch auf die Gabel. »Hallo, wer spricht denn da? Hallo — hallo!« Er legte den Horer hin und nahm ihn sofort wieder ab. »Hier Alistair. Ich habe soeben eine Meldung uber die Flucht von dreihundert Juden bekommen. Sie sollen sich in Kyrenia an Bord eines Schiffes begeben. Geben Sie Alarmstufe blau. Sagen Sie dem Ortskommandanten von Kyrenia, er solle sofort feststellen, was los ist. Falls die Meldung stimmt, mussen sofort einige Einheiten unserer Flotte dorthin dirigiert werden.«

Alistair legte den Horer hin und machte sich eiligst auf den Weg zu Sutherlands Buro.

Die Wagenkolonne kam in den Hafen gerollt und hielt auf dem Kai. Ari ben Kanaan entstieg dem Jeep an der Spitze der Kolonne, und der Fahrer fuhr mit dem Jeep davon. Die Lastwagen kamen herangefahren und hielten bei der Exodus. Jungens und Madchen stiegen aus und begaben sich rasch und ohne jeden Larm an Bord. Alles vollzog sich, dank der Ausbildung durch Seew Gilboa, in mustergultiger Disziplin. An Bord schleusten Joab, David und Hank Schlosberg, der Kapitan, die Jugendlichen an ihre Platze im Raum und an Deck.

Am Kai blieben ein paar Neugierige stehen und staunten. Einige englische Soldaten zuckten die Achseln und kratzten sich am Kopf. Sobald einer der Lastwagen leer war, fuhr der Fahrer damit in die Berge davon und lie? ihn in der Nahe der Ruinen von St. Hilarion stehen. Die 23. Transportkompanie, die in diesem Augenblick ihre Aufgabe erfullt hatte, horte zu existieren auf. Joab hinterlie? in seinem Lastwagen einen Zettel, auf dem er sich bei den Englandern fur die Uberlassung des Fahrzeuges bedankte. Ari ging an Bord und begab sich in das Ruderhaus. Nach zwanzig Minuten war der letzte Lastwagen entladen und alle an Bord. Ari ubergab Hank das Kommando.

Der Kapitan lichtete den Anker und lie? die Maschinen auf Touren laufen.

»Geht zu den Kindern«, sagte Ari zu Seew, David und Joab, »und erklart ihnen genau, was wir vorhaben und was wir von ihnen erwarten. Jedes Kind, das meint, es konne die Sache nicht durchstehen, soll hierher ins Ruderhaus kommen, mir Bescheid sagen; dann wird es nach Caraolos zuruckgebracht werden. Macht den Kindern klar, da? ihr Leben in Gefahr ist, wenn sie bleiben. Weder von euch noch von den Kindern soll auf diejenigen, die lieber von Bord gehen wollen, irgendein Druck ausgeubt werden, um sie zum Bleiben zu veranlassen.«

Wahrend die Palmach-Angehorigen von der Brucke nach unten gingen, um die Kinder zu unterweisen, begab sich die Exodus in die Mitte des Hafens und ging dort vor Anker.

Im nachsten Augenblick tonte ganz Kyrenia wider vom Schrillen der Sirenen. Ari richtete sein Fernglas auf die Hugel und die Kustenstra?e und sah Dutzende englischer Lastwagen und Jeeps, die sich Kyrenia naherten. Er mu?te laut lachen, als er sah, wie die Lastwagen der einstmaligen 23. Transportkompanie, die von Kyrenia aus in die Berge gebracht wurden, den Wagenkolonnen mit englischen Soldaten begegneten, die in entgegengesetzter Richtung herangebraust kamen.

Dann sah Ari nach unten. Die Kinder an Deck waren ruhig.

Die Englander kamen heran und stromten in den Hafen! Ein Wagen nach dem andern hielt auf dem Kai und entlud Soldaten. Offiziere zeigten aufgeregt zu der Exodus hin und brullten Befehle. Soldaten rannten im Galopp auf beiden Seiten die Mole entlang und brachten bei der engen Hafeneinfahrt Maschinengewehre und Granatwerfer in Stellung, um die Exodus am Auslaufen zu hindern.

Immer mehr Wagen kamen heran. Der Kai wurde abgesperrt, neugierige Zuschauer wurden zuruckgedrangt. Innerhalb einer Stunde wimmelte es im Hafen von funfhundert schwerbewaffneten Soldaten. Vor der Hafeneinfahrt nahmen zwei Torpedoboote Aufstellung. Am Horizont sah Ari drei Zerstorer, die eilig herankamen. Das Sirenengeheul nahm kein Ende! Der kleine verschlafene Ort verwandelte sich in ein Aufmarschgebiet! Dann kamen Tanks herangerollt, und die Maschinengewehre und Granatwerfer wurden durch Artillerie ersetzt.

Unter erneutem Sirenengeheul erschien am Kai ein Wagen, dem Brigadier Sutherland, Caldwell und Alistair entstiegen. Major Cooke, der Ortskommandant von Kyrenia, begab sich zu Sutherland und erstattete Meldung.

»Das Schiff da drau?en, Sir, das ist es. Und es ist tatsachlich vollgeladen mit Juden. Aber es kann unter gar keinen Umstanden entkommen.«

Sutherland sah sich im Hafen um. »Was ihr hier aufgebaut habt, genugt, um eine Panzerdivision zu bekampfen«, sagte er. »Die auf dem Schiff da mussen wahnsinnig geworden sein. Lassen Sie sofort eine Lautsprecheranlage installieren.«

»Jawohl, Sir.«

»Also, wenn Sie mich fragen«, sagte Caldwell, »wir sollten den Kahn in die Luft jagen.«

»Ich habe Sie aber nicht gefragt«, sagte Sutherland scharf. »Cooke! Lassen Sie das ganze Hafengebiet absperren. Organisieren Sie ein Prisenkommando — Tranengas, leichte Waffen, fur den Fall, da? sie nicht freiwillig zuruckkommen wollen. Freddy, laufen Sie doch eben mal 'ruber zum Dom-Hotel und sagen Sie auf der Kommandantur Bescheid, da? ich eine allgemeine Nachrichtensperre wunsche.« Alistair musterte schweigend die Exodus.

»Was halten Sie von der Sache, Alistair?«

»Gefallt mir nicht, Sir«, sagte er. »Die wurden so etwas nicht am hellichten Tage inszenieren, wenn sie nicht irgend etwas anderes im Schilde fuhrten.«

»Nun beruhigen Sie sich schon, Alistair. Sie vermuten hinter allem irgendeinen finsteren Anschlag.«

Mark Parker drangte sich durch die Absperrung und naherte sich den beiden Offizieren.

»Was bedeutet die ganze Aufregung eigentlich?« fragte er Alistair. Als Alistair Mark sah, wu?te er sofort, da? sein Verdacht richtig gewesen war. »Nun seien Sie mal nett, Parker«, sagte er, »und sagen Sie uns, was los ist. Wirklich, alter Junge, wenn Sie das nachstemal mit mir telefonieren, sollten Sie vorher Ihren britischen Akzent

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