»Ich wei?, was Sie damit sagen wollen, Bradshaw, und ich mu? Ihre Unterstellung ablehnen. Es mag sein, da? ich einer der wenigen bin, die immer wieder sagen, die einzige Moglichkeit, unsere Stellung im Nahen Osten zu halten, sei die Schaffung eines starken judischen Palastinas. Doch wenn ich das sage, so habe ich damit nicht das judische Interesse im Auge, sondern das Interesse Englands.«

»Kommen wir lieber zu dieser Exodus-Affare«, unterbrach ihn Bradshaw. »Es ist vollig klar, worum es dabei geht. Im Falle der Gelobtes Land haben wir nachgegeben, diesmal aber werden wir nicht nachgeben. Die Exodus befindet sich in britischen und nicht in franzosischen Gewassern. Wir werden nicht an Bord gehen, wir werden das Schiff auch nicht nach Deutschland schicken, und wir werden es nicht versenken. Die sollen da in Kyrenia auf dem Schiff sitzen bleiben, bis sie schwarz werden. Haben Sie gehort, Tevor-Browne? Bis sie schwarz werden!« Er redete sich so in Wut, da? seine Hand zu zittern begann.

Tevor-Browne schlo? die Augen und sagte: »Wir haben kein Recht, dreihundert Kinder, die in Konzentrationslagern aufgewachsen sind, daran zu hindern, nach Palastina zu gehen. Erdol, Suez-Kanal, Araber — zum Teufel damit! Wir haben kein Recht dazu! Wir haben uns schon lacherlich genug gemacht, als wir die Fluchtlinge von der Gelobtes Land nach Deutschland geschickt haben.«

»Ihre Einstellung ist mir bekannt!«

»Meine Herren!«

Tevor-Browne stand auf und trat an Bradshaws Schreibtisch. »Es gibt fur uns nur eine Moglichkeit, wie wir in dieser Sache gewinnen konnen. Die Juden haben den ganzen Vorfall planma?ig inszeniert, um fur sich Propaganda zu machen. Machen Sie ihnen einen Strich durch die Rechnung. Geben Sie der Exodus noch in dieser Minute die Erlaubnis zum Auslaufen. Das ist genau das, was sie nicht wollen.«

»Nie und nimmer!«

»Sehen Sie denn nicht ein, da? wir den Juden die Trumpfe zuspielen?«

»Solange ich hier in diesem Amt sitze, wird die Exodus nicht auslaufen!«

XXXI.

MARK PARKER DOM-HOTEL KYRENIA, ZYPERN

STORY MACHT WIND STOP SCHICKEN SIE FORTSETZUNGEN KEN BRADBURY, ANS LONDON

ANS-BERICHT AUS KYRENIA, ZYPERN VON MARK PARKER

Es ist ein grotesker Anblick: eintausend schwerbewaffnete Soldaten, Tanks, Artillerie und Einheiten der Flotte stehen hilflos einem unbewaffneten Bergungsschiff gegenuber.

In dem Kampf um die Exodus steht es am Ende der ersten Woche unentschieden. Weder die Englander noch die Fluchtlinge sind bereit, nachzugeben. Bisher hat noch niemand versucht, an Bord des Blockadebrechers zu gehen, der damit gedroht hat, sich in die Luft zu sprengen. Das Schiff liegt nur ein paar hundert Meter vom Kai entfernt, und mit dem Fernglas kann man es auf Armeslange heranholen.

Die Stimmung der dreihundert Kinder an Bord der Exodus ist allem Anschein nach au?erst gut.

Tag fur Tag gingen Marks Berichte hinaus, und jeder neue Bericht enthielt neue und interessante Einzelheiten.

Als Cecil Bradshaw beschlo?, aus der Exodus einen Prazedenzfall zu machen, war er sich daruber klar, da? es Ablehnung und Kritik hageln wurde. Die franzosische Presse reagierte mit der ublichen Aufregung, wobei sie sich eines so heftigen Tons bediente, wie er in der Geschichte der englisch-franzosischen Freundschaft noch nie angeschlagen worden war. Die gesamte europaische Presse befa?te sich mit dem Fall; sogar in England waren die Meinungen geteilt, und einige Zeitungen warfen die Frage auf, ob Whitehall weise daran getan habe, der Exodus zu verbieten, nach Palastina auszulaufen. Bradshaw war ein erfahrener Politiker, der schon manchen Sturm durchgemacht hatte. Dies hier war ein Sturm im Wasserglas, und Bradshaw war uberzeugt, da? er abflauen wurde. Er schickte drei freundlich gesinnte Journalisten nach Kyrenia, um Parkers Berichten entgegentreten zu konnen, und ein halbes Dutzend Fachleute waren fieberhaft damit beschaftigt, die englische Haltung zu erklaren und zu untermauern.

Die Englander hatten durchaus gute Grunde und sie argumentierten sehr geschickt, doch es war nicht leicht, uber das naturliche Mitleid, das selbstverstandlich jedermann fur ein Haufchen von Fluchtlingskindern hatte, hinwegzukommen.

»Wenn die Absichten der Zionisten wirklich so lauter sind, weshalb gefahrden sie dann das Leben von dreihundert unschuldigen Kindern? Das Ganze ist ein bosartiges und kaltblutig inszeniertes Komplott, um Sympathie in der Offentlichkeit zu gewinnen und das wirkliche Problem des Palastina-Mandats zu vernebeln. Wir haben es hier ganz offensichtlich mit Fanatikern zu tun. Ari ben Kanaan ist ein professioneller zionistischer Agitator, der schon jahrelang in der illegalen Arbeit tatig ist.«

Reporter aus einem halben Dutzend Lander landeten auf dem Flugplatz von Nikosia und baten um die Erlaubnis, das Gebiet von Kyrenia zu betreten. Auch mehrere gro?e Zeitschriften entsandten Wort- und Bildberichter. Das Dom-Hotel begann allmahlich dem Tagungsburo eines politischen Kongresses zu gleichen.

In Pariser Cafes wurden die Englander beschimpft.

In Lokalen in London wurden die Englander verteidigt.

In Stockholm wurde gebetet.

In Rom wurde debattiert.

Bei den Buchmachern in New York wurden Wetten abgeschlossen, vier zu eins, da? die Exodus nicht auslaufen wurde.

Gegen Ende der zweiten Woche bekam Mark von Ari die Erlaubnis, an Bord zu kommen. Da er der erste war, der Zugang zur Exodus erhielt, erschienen seine folgenden drei Berichte in allen Zeitungen auf der ersten Seite.

ANS-SONDERBERICHT

ERSTES INTERVIEW MIT ARI BEN KANAAN, DEM SPRECHER DER EXODUS, KYRENIA, ZYPERN Heute hatte ich als erster Korrespondent Gelegenheit, Ari ben Kanaan, den Sprecher der Kinder an Bord der Exodus, zu interviewen. Ich unterrichtete Ben Kanaan uber die Kritik der englischen Presse, die behauptet, er sei ein professioneller zionistischer Quertreiber, und uber die anderen Vorwurfe, die von Whitehall gegen ihn erhoben wurden. Unsere Unterredung fand in dem Ruderhaus der Exodus statt, der einzigen Stelle an Bord des Schiffes, wo nicht qualvolle Enge herrscht. Auch heute noch schienen die Kinder entschlossen und begeistert zu sein, doch machen sich bei ihnen die physischen Auswirkungen der vierzehntagigen Belagerung allmahlich bemerkbar.

Ben Kanaan, drei?ig, ein stammiger Bursche von uber einsachtzig, mit schwarzen Haaren und hellblauen Augen, den man fur einen erfolgreichen Filmproduzenten halten konnte, bat mich, den Menschen in aller Welt, die mit guten Wunschen an die Exodus dachten, seinen Dank zu ubermitteln. Er versicherte mir, da? sich die Kinder gro?artig hielten.

Auf meine Fragen antwortete er mir: »Die personlichen Angriffe gegen mich lassen mich kalt. Es interessiert mich ubrigens, ob die Englander auch erwahnt haben, da? ich im zweiten Weltkrieg als Hauptmann in der englischen Armee gedient habe. Ich gebe zu, da? ich ein zionistischer Querulant bin, und ich werde so lange einer bleiben, bis die Englander ihre Versprechungen in Bezug auf Palastina einlosen. Ob meine Arbeit legal oder illegal ist, das ist Ansichtssache.«

Auf meine weiteren Fragen hinsichtlich der englischen Argumentation und der Bedeutung der Exodus sagte er: »Man wirft uns Juden alles mogliche vor, und wir sind daran gewohnt. Bei jedem Problem, das mit dem Palastina-Mandat zusammenhangt und das mit logischen Erklarungen und vernunftigen Begrundungen nicht aus der Welt zu schaffen ist, kommen die Englander mit der alten Ausrede, es handle sich um irgendein finsteres Komplott des Zionismus. Ich bin wirklich erstaunt, da? sie den Zionisten noch nicht vorgeworfen haben, sie seien schuld an den Schwierigkeiten, die sie in Indien haben. Zum Gluck fur uns ist Ghandi kein Jude.« »Whitehall bedient sich der geheimnisvollen Zionisten, dieser strapazierten Prugelknaben, um drei Jahrzehnte ubler Machenschaften im Mandatsgebiet zu vertuschen, drei Jahrzehnte, in denen man sowohl die Juden als auch die Araber belogen, betrogen und verkauft hat. Das erste Versprechen, das die Englander nicht eingehalten haben, war die Balfour- Deklaration von 1917, worin den Juden eine Heimat versprochen wurde, und seither haben sie ihr Wort immer wieder gebrochen. Den letzten Verrat hat die Labour-Partei begangen, die vor den Wahlen versprach, die Grenzen von Palastina fur die Uberlebenden des Hitler-Regimes zu offnen.«

»Ich nehme mit Staunen zur Kenntnis, da? Whitehall Krokodilstranen daruber vergie?t, da? wir das Leben von Kindern aufs Spiel setzen. Jedes der dreihundert Kinder ist freiwillig an Bord der Exodus. Jedes dieser Kinder ist durch das Hitler-Regime Waise geworden. Jedes dieser Kinder hat fast sechs Jahre in deutschen und britischen Konzentrationslagern verbracht.«

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