auffrischen.«
»Ich verstehe nicht, wovon Sie reden, Major Alistair.«
Sutherland ging allmahlich ein Licht auf. Er sah von der Exodus zu Parker und Alistair, und ihm wurde klar, da? Mossad Aliyah Bet ihn uberrumpelt hatte.
Die Rote stieg ihm ins Gesicht.
Major Cooke, der Ortskommandant von Kyrenia, kam und meldete: »Das Prisenkommando wird in zehn Minuten bereitstehen, Sir. Zweihundert Mann, die auf Fischerbooten zu dem Schiff hinausfahren.«
Sutherland hatte kaum hingehort. »Wo bleibt denn der Lautsprecher, verdammt noch mal!«
Zehn Minuten spater hob Sutherland das Mikrophon an den Mund. Im Hafen wurde es still. Das Prisenkommando stand bereit, um an Bord der Exodus zu gehen, die in der Mitte des Hafenbeckens vor Anker lag.
»Hallo, da drau?en! Hier spricht Brigadier Bruce Sutherland, der Inselkommandant von Zypern«, hallte es mit vielfaltigem Echo durch den Hafen. »Konnen Sie mich horen?«
Im Ruderhaus der Exodus schaltete Ari ben Kanaan seine Lautsprecher-Anlage ein. »Hallo, Sutherland!« rief er. »Hier spricht Capain Caleb Moore von der 23. Transportkompanie Seiner Majestat Judischer Streitkrafte auf Zypern. Wenn Sie Ihre Lastwagen suchen, sie stehen oben bei St. Hilarion.«
Sutherland wurde bla?. Alistair fiel der Unterkiefer herunter.
»Hallo, da drau?en!« rief Sutherland zuruck. »Wir geben Ihnen zehn Minuten Zeit, an den Kai zuruckzukommen. Wenn Sie nicht freiwillig kommen, sind wir gezwungen, Ihnen ein schwerbewaffnetes Prisenkommando zu schicken, das Sie mit Gewalt zuruckbringt.«
»Hallo, Sutherland! Hier spricht die Exodus. Wir haben dreihundertundzwei Kinder an Bord. Unser Maschinenraum ist mit Dynamit gefullt. Wenn einer Ihrer Manner bei uns an Bord kommen sollte, oder wenn auch nur ein Schu? auf uns abgegeben wird, dann sprengen wir uns in die Luft!«
In diesem Augenblick ging Mark Parkers Bericht von London aus uber Fernschreiber in alle Welt.
Sutherland, Alistair und die funfhundert englischen Soldaten auf dem Kai waren sprachlos, als jetzt am Mast der Exodus eine Flagge gehi?t wurde. Es war der Britische Union Jack, mit einem riesigen Hakenkreuz in der Mitte.
Der Kampf der Exodus hatte begonnen!
XXX.
ANS-SONDERBERICHT
DAVID GEGEN GOLIATH, MODELL 1946
VON UNSEREM SONDERBERICHTERSTATTER
MARK PARKER
KYRENIA, ZYPERN
Ich schreibe diesen Bericht in Kyrenia, einer kleinen, zauberhaft schonen Hafenstadt an der Nordkuste der Britischen Kronkolonie Zypern.
Zypern hatte eine reichbewegte Geschichte. Die Insel ist voll von Denkmalern einer gro?en Vergangenheit, angefangen von den Ruinen der Stadt Salamis bis zu den Kathedralen von Famagusta und Nikosia und den zahlreichen Schlossern aus der Zeit der Kreuzritter. Doch diese bewegte Vergangenheit kann es nicht an Dramatik mit dem aufnehmen, was sich in diesem Augenblick in dieser kleinen, abgelegenen und unbekannten Stadt abspielt. Seit einigen Monaten ist Zypern ein Internierungszentrum fur judische Fluchtlinge, die versuchen, die englische Einwanderungsblockade zu durchbrechen und nach Palastina zu gelangen.
Auf bisher noch ungeklarte Weise sind heute dreihundert Kinder im Alter zwischen zehn und siebzehn aus dem Internierungslager bei Caraolos entkommen und quer uber die Insel nach Kyrenia geflohen, wo sie ein umgebautes Transportschiff von rund zweihundert Tonnen erwartete, um sie nach Palastina zu bringen. Die Fluchtlinge sind fast alle Uberlebende aus deutschen Konzentrations- und Vernichtungslagern. Das Bergungsschiff, das man passenderweise in Exodus umbenannt hat, wurde, bevor es den Hafen verlassen konnte, vom Britischen Intelligence Service entdeckt.
Das Schiff mit den dreihundert Fluchtlingskindern an Bord liegt vor Anker in der Mitte des Hafens, der einen Durchmesser von knapp dreihundert Metern hat.
Ein Sprecher der Exodus hat mitgeteilt, da? der Raum des Schiffes mit Dynamit gefullt ist. Die Kinder sind entschlossen, gemeinsam Selbstmord zu begehen, und man wird das Schiff in die Luft sprengen, wenn die Englander versuchen sollten, an Bord zu gehen.
LONDON
General Sir Clarence Tevor-Browne, der an seinem Schreibtisch in London sa?, legte die Zeitung mit Parkers Bericht beiseite, brannte sich eine Zigarre an und beschaftigte sich mit den inzwischen eingegangenen letzten Meldungen. Mark Parkers Bericht hatte nicht nur in Europa, sondern auch in den Vereinigten Staaten wie eine Bombe eingeschlagen. Sutherland hatte es abgelehnt, die Verantwortung fur den Befehl zu ubernehmen, an Bord der Exodus zu gehen, und Tevor-Browne um Anweisung gebeten, was er tun solle.
Tevor-Browne war sich daruber klar, da? er die Ereignisse zum Teil verschuldet hatte. Er selbst hatte Bruce Sutherland fur den Posten in Zypern vorgeschlagen, und er hatte auf den Brief von Alistair nicht reagiert, obwohl dieser Brief die Warnung enthalten hatte, da? irgend etwas passieren wurde, wenn man Sutherland nicht abberiefe. Humphrey Crawford betrat das Buro von Tevor-Browne. Crawford, ein bleichgesichtiger, ehrgeiziger Beamter der nahostlichen Abteilung des Kolonialministeriums, diente als Verbindungsmann zwischen der Armee und den politischen Drahtziehern von Whitehall und Chatham House.
»Tag, Sir Clarence«, sagte Crawford nervos. »Es wird Zeit, da? wir zu Bradshaw gehen.«
Tevor-Browne stand auf und nahm einige Unterlagen vom Schreibtisch. »Wollen den alten Cecil Bradshaw nicht warten lassen«, sagte er.
Cecil Bradshaws Buro befand sich im Institute of International Relations im Chatham House. Bradshaw war seit drei?ig Jahren einer der tonangebenden Leute in allen Fragen der nahostlichen Politik.
Als General Sir Clarence Tevor-Browne und Humphrey Crawford das Buro von Cecil Bradshaw betraten, stand dieser beleibte Mann in den Sechzigern mit dem Rucken zu ihnen und sah die Wand an. Humphrey Crawford nahm nervos auf einer Stuhlkante Platz. Tevor-Browne machte es sich in einem Ledersessel bequem und zundete sich eine Zigarre an.
»Gratuliere, meine Herren«, sagte Bradshaw, das Gesicht noch immer zur Wand gerichtet, ironisch und mit vor Arger bebender Stimme. »Wie ich aus der Presse sehe, haben wir heute das Rennen an allererster Stelle gemacht.« Dann drehte er sich herum, klopfte sich auf seinen Schmerbauch und lachelte. »Sie haben vermutlich angenommen, da? ich vor Wut schaume. Aber nein, keineswegs. Ich bekam heute vormittag einen Anruf von Whitehall. Wie zu erwarten war, hat der Minister diese Exodus-Affare mir zugeschoben.« Bradshaw setzte sich an seinen Schreibtisch, warf einen Blick auf die dort liegenden Berichte und nahm mit einer raschen Bewegung seine dicke Hornbrille ab. »Sagen Sie, Sir Clarence — waren Ihre Leute vom Intelligence Service da in Zypern eigentlich tot, oder waren sie nur gerade beim Tennisspielen? Und au?erdem scheint mir, da? Sie uns einige Erklarungen uber diesen Sutherland schuldig sind. Es war ja Ihre Idee, Sutherland nach Zypern zu schicken.«
Tevor-Browne lie? sich nicht einschuchtern. »Mir scheint, die Einrichtung von Internierungslagern auf Zypern war Ihre Idee. Was haben Sie dazu zu erklaren?«
»Meine Herren«, sagte Crawford rasch, um einem Zusammensto? vorzubeugen, »wir sind durch diese Exodus in eine sehr heikle Situation gekommen. Es ist das erstemal, da? die amerikanische Presse in solcher Form davon Notiz nimmt.«
Bradshaw lachte, da? sich seine Apfelbackchen roteten. »Trotz allem Gerede von Truman haben die Amerikaner seit Kriegsende nicht mehr als zehntausend judische Fluchtlinge in ihr Land hineingelassen. Gewi?, Truman ist ein Forderer des Zionismus — solange Palastina nicht in Pennsylvanien liegt. Alle Leute reden gro?e Tone, doch wir sind nach wie vor die einzigen, die eine Million Juden auf dem Hals haben, eine Million, die unsere ganze Position im Nahen Osten ruinieren konnte.« Bradshaw setzte seine Brille wieder auf. »Stern Davids, Moses, Palmach, Zinnen von Zion, Tor der Hoffnung, und jetzt die Exodus. Die Zionisten sind sehr kluge Leute. Seit funfundzwanzig Jahren haben sie uns in Palastina den Schwarzen Peter zugeschoben. Sie lesen aus den Mandatsbestimmungen und der Balfour-Deklaration Sachen heraus, die gar nicht drinstehen. Sie sind imstande, solange auf ein Kamel einzureden, bis es uberzeugt ist, es sei ein Muli. Bei Gott — zwei Stunden mit Chaim Weizmann, und ich bin drauf und dran, selbst Zionist zu werden.« Cecil Bradshaw nahm seine Brille wieder ab.
»Es ist bekannt, Tevor-Browne, wo Ihre Sympathien liegen.«