Gleichzeitig mit Allenbys siegreichem Feldzug setzte der langst uberfallige, immer wieder angekundigte, teuer bezahlte und in seiner Wirkung wesentlich uberschatzte Aufstand der Araber ein. Faisal, der Sohn des Scherifs von Mekka, fuhrte ein paar Araberstamme aus der Wuste heran, als die Niederlage der Turken bereits praktisch entschieden war. In dem Augenblick, da es mit den Ottomanen zu Ende ging, strichen die Araber die Flagge ihrer Neutralitat, um bei der Verteilung der Beute dabeisein zu konnen. Faisals »Rebellen« machten allerhand Larm, beteiligten sich aber niemals an irgendeiner gro?eren oder kleineren Schlacht.

Bei Meggido, der Stadt aus dem Altertum, stellten sich Allenbys Truppen und die der Turken zum Kampf. Durch funf Jahrtausende waren Hunderte von Eroberern an dieser Stelle mit ihren Streitkraften zur Entscheidung angetreten. Wer Meggido besa?, beherrschte den Einschnitt im Gebirge, der einen naturlichen Pa? nach dem Norden darstellte. Uber diesen Pa? waren seit Beginn der Zeitrechnung die Eroberer gezogen.

Meggido fiel in die Hande der Englander! Um Weihnachten, knapp ein Jahr, nachdem Allenby das Kommando ubernommen hatte, fuhrte er seine Truppen in das befreite Jerusalem! Die Englander stie?en weiter nach Damaskus vor und trieben die Turken vor sich her. Der Fall von Damaskus war das Grabgelaut der Ottomanenherrschaft.

Barak ben Kanaan und sein Bruder Akiba kehrten heim. Die Rosen bluhten, das Land lag grun, und die Wasser des Jordan stromten in den See Genezareth, als sie nach Schoschana kamen. Baraks roter Bart hatte wei?e Strahnen, und wei?e Faden durchzogen Saras schwarzes Haar. Beide standen sich an der Tur ihres Hauses gegenuber. Er nahm sie sanft in seine Arme, und all das Schwere der letzten Jahre war plotzlich vergessen.

Dann nahm die kleine Sara den Riesen bei der Hand. Sie humpelte ein wenig, als sie ihn ins Haus hineinfuhrte. Ein strammer dreijahriger Bub mit hellen Augen sah neugierig zu ihm auf. Barak kniete sich zu ihm und hob ihn mit seinen starken Handen hoch. »Mein Sohn«, sagte er leise, »mein Sohn.«

»Ja«, sagte Sara, »dein Sohn Ari.«

XII.

Die Balfour-Deklaration wurde von funfzig Staaten ratifiziert. Der Jischuw, die judische Bevolkerung von Palastina, war im Verlauf des ersten Weltkrieges durch den turkischen Terror stark zuruckgegangen. Im Kielwasser des Krieges kam es in Osteuropa zu einer neuen Welle von Pogromen. Die Zeit, die darauf folgte, war fur die Juden in Palastina aufregend und von entscheidender Bedeutung. Wieder kam, um der Verfolgung zu entgehen, ein Strom von Einwanderern ins Land, der die dezimierten Reihen des Jischuw auffullte.

Es war die dritte Aliyah-Welle.

Seit Jahren schon hatte die Zionistische Siedlungsgesellschaft ein Auge auf das Gebiet des Jesreel-Tales geworfen, das den ganzen sudlichen Teil von Galilaa darstellte. Es bestand vorwiegend aus Sumpf. In diesem Gebiet gab es nur einige wenige armselige Araberdorfer. Das Land gehorte gro?tenteils einer einzigen Familie, deren Mitglieder in Beirut lebten. Die Turken hatten den Juden nicht gestattet, Land im Jesreel-Gebiet zu erwerben, doch nachdem jetzt die Englander ins Land gekommen waren und die Beschrankungen des Bodenerwerbs aufgehoben hatten, begaben sich Barak ben Kanaan und zwei andere Landaufkaufer nach Beirut. Sie erwarben ein Gebiet, das sich von Haifa bis nach Nazareth erstreckte. Es war das erstemal, da? Juden in Palastina ein so gro?es Stuck Land erworben hatten, und es war die erste Erwerbung dieser Art, die ausschlie?lich durch Stiftungen der Judenheit in aller Welt finanziert wurde. Die Erwerbung des Jesreel-Gebietes eroffnete gro?e Moglichkeiten fur die Errichtung weiterer Kibbuzim.

Pioniere der alten Garde trennten sich uneigennutzig von ihren Siedlungsgemeinschaften, um beim Aufbau neuer Gemeinschaftssiedlungen zu helfen. Akiba und seine Frau Ruth verlie?en mit ihrer kurzlich geborenen Tochter Scharona ihr geliebtes Schoschana und die bescheidenen Annehmlichkeiten, die sie dort genossen hatten, um mitzuhelfen bei der Errichtung eines neuen Kibbuz nordlich von Rosch Pina. Die Neusiedlung bekam den Namen Ejn Or — Quelle des Lichts.

So ging Barak ben Kanaans Traum endlich in Erfullung, wenn auch nicht fur ihn selbst, so doch fur die Juden. Tief im Hule-Tal, nahe der syrischen und libanesischen Grenze, wurde Neuland erworben und urbar gemacht. Sogar der Boden »seines« Berges wurde bearbeitet, und ganz in der Nahe errichtete man einen Kibbuz namens Gileadi. Baraks alter Freund und Kamerad, Joseph Trumpeldor, machte sich auf nach Kfar Gileadi, der neuen bauerlichen Siedlung, um die erforderlichen Sicherungsma?nahmen in die Hand zu nehmen. Gleichzeitig mit der Zunahme der Siedlungstatigkeit wuchsen auch Tel Aviv und die anderen Stadte. In Haifa fingen die Juden an, sich oberhalb der Stadt, am Karmelberg, Grundstucke zu kaufen und Hauser zu bauen. In Jerusalem begann eine neue Bautatigkeit au?erhalb der Mauer der alten Stadt, da die Belange des wachsenden Jischuw ein gro?eres Verwaltungszentrum notig machten. Die orthodoxen Juden vereinigten sich mit den Zionisten in dem gemeinsamen Bemuhen, das Land zu erschlie?en und eine Heimat fur alle Juden zu schaffen.

Auch die britische Verwaltung tat viel. Stra?en wurden gebaut. Schulen und Krankenhauser errichtet. Bei den Gerichten wurde Recht gesprochen. Balfour in eigener Person kam nach Jerusalem und legte auf dem Scopusberg den Grundstein zu einer neuen hebraischen Universitat.

Zur Regelung der Belange des Jischuw wahlten die Juden eine vertretende Korperschaft. Diese Jischuw- Zentrale war eine kommissarische Regierung geworden mit der Funktion, alle Juden zu vertreten, mit den Arabern und den Englandern zu verhandeln und als Bindeglied zu der Zionistischen Siedlungsgesellschaft und zu den Zionisten in aller Welt zu dienen. Sowohl der Jischuw-Zentralrat als auch die Zionistische Siedlungsgesellschaft errichteten ihre Hauptburos in dem neuerbauten Verwaltungszentrum von Jerusalem. Barak ben Kanaan, ein angesehener Mitburger der alteren Generation, wurde in den Jischuw-Zentralrat gewahlt. Er versah dieses Amt und setzte gleichzeitig seine Arbeit bei der Zionistischen Organisation fort.

Doch die Lage begann sich bedrohlich zuzuspitzen. Palastina wurde mehr und mehr zum Mittelpunkt eines gigantischen Spiels um die Macht.

Der erste Akt dieses Spiels war die Veroffentlichung eines Geheimabkommens, das die Franzosen mit den Englandern in der Absicht getroffen hatten, den Nahen Osten zwischen sich aufzuteilen. Dieses Dokument wurde erstmalig von russischen Revolutionaren in den Geheimakten des Zaren entdeckt und von ihnen veroffentlicht, um die Englander und die Franzosen in Verlegenheit zu bringen.

Die Abmachungen dieses Geheimabkommens befanden sich in offenem Widerspruch zu den fruheren Versprechungen der Englander, die Unabhangigkeit der Araber zu garantieren. Die Araber fuhlten sich betrogen. Zwar machten die Englander alle Anstrengungen, die aufgeregten Gemuter zu beschwichtigen, doch die Befurchtungen der Araber erwiesen sich spaterhin als berechtigt, als England und Frankreich auf der Konferenz von San Remo die nahostliche Torte aufteilten und England den Lowenanteil fur sich beanspruchte. Frankreich gelang es, die syrische Provinz und eine Olleitung von den reichhaltigen Erdolfeldern des Mossul-Gebietes fur sich zu gewinnen.

Unter den Ottomanen hatten auch Palastina und der Libanon zur Provinz Syrien gehort, und die Franzosen leiteten daraus fur sich das Recht auf den Norden von Palastina ab. Doch die Englander waren eisern. Auch sie wollten Haifa als Endstation einer Olleitung vom Mossul-Gebiet haben, und sie machten geltend, da? das ganze Land auf Grund der Balfour-Deklaration und angesichts der besonderen Situation Palastinas als einer den Juden versprochenen Heimstatte unter britischer Oberhoheit bleiben musse. Daraufhin kauften sich die Franzosen mehrere Stamme syrischer Araber, die in Palastina Unruhe erzeugen und einen moglichst gro?en Teil von Nordpalastina an sich bringen sollten, bevor die endgultigen Grenzen festgelegt waren. Die Juden, die sich in das Hule-Gebiet vorgewagt hatten, die Siedler von Kfar Gileadi, sa?en in der Falle. Die von den Franzosen gekauften Araber machten einen Angriff auf Tel Chaj — jenen Berg, uber den die beiden Bruder Rabinski einst nach Palastina gekommen waren, um den Franzosen ein Argument fur ihre Gebietsanspruche zu liefern.

Joseph Trumpeldor, der ob seines Schlachtenruhms legendare judische Kriegsmann, schlug sich bei Tel Chaj wie ein Held. Er selbst fand den Tod, doch Tel Chaj wurde gehalten, die Juden blieben in Kfar Gileadi, und das Hule-Tal verblieb innerhalb des britischen Mandats.

Der nachste, der den Franzosen Schwierigkeiten bereitete, war Faisal, der Sohn des Scherifs von Mekka und Anfuhrer der angeblichen arabischen Revolte im ersten Weltkrieg. Faisal kam nach Damaskus, setzte sich hier auf den Thron und rief sich selbst zum Konig eines neuen gro?arabischen Staates und zum neuen Oberhaupt des Islams aus. Die Franzosen verjagten ihn aus Syrien. Faisal begab sich nach Bagdad, wo ihm die Englander bessere Behandlung zusicherten. Sie belohnten ihren treuen Diener, indem sie aus der Provinz Mesopotamien einen neuen Staat machten. In diesem neuen Staat, dem sie den Namen Irak gaben, setzten sie Faisal als Konig ein.

Faisal hatte einen Bruder namens Abdullah, den man gleichfalls belohnen mu?te. Ohne hierzu vom Volkerbund autorisiert zu sein, machten die Englander aus einem Teil des Mandatsgebietes von Palastina einen weiteren neuen Staat. Sie nannten ihn Transjordanien und setzten Abdullah als Emir ein. Sowohl Faisal als auch

Вы читаете Exodus
Добавить отзыв
ВСЕ ОТЗЫВЫ О КНИГЕ В ИЗБРАННОЕ

0

Вы можете отметить интересные вам фрагменты текста, которые будут доступны по уникальной ссылке в адресной строке браузера.

Отметить Добавить цитату