insgeheim aber fordern. Diese geheime Truppe sollte ein stummer Partner der Juden bei ihren Bemuhungen sein, die Araber in Schranken zu halten und mit den Englandern weiter zu verhandeln.
Als Chef dieser geheimen Organisation wurde durch Abstimmung Avidan eingesetzt. Man gab ihr den Namen Hagana: Selbstschutz.
XIII.
Die Manner und Frauen der dritten Aliyah-Welle zogen in das kurzlich erworbene Land im Jesreel-Gebiet. Sie gingen in das Scharon-Tal und nach Samaria, in die Berge von Judaa und nach Galilaa, und sie gingen sogar nach Suden in die Wuste. Uberall erweckten sie die Erde aus ihrer langen Erstarrung zu neuem Leben. Sie kamen mit Traktoren, und sie intensivierten die landwirtschaftliche Nutzung des Bodens durch Fruchtfolge, Kunstdunger und kunstliche Bewasserung. Zusatzlich zu den Weintrauben, den Oliven und den Zitrusfruchten, die fur den Export bestimmt waren, bauten sie Korn und Gemuse an, Flachs und Obst, errichteten sie Huhnerhofe und Meiereibetriebe. Sie experimentierten, um neue Anbaumoglichkeiten zu entdecken, und erzielten bei dem, was man bisher angebaut hatte, gro?ere Ernten. Sie drangen bis zum Toten Meer vor. Sie nahmen alkalische Boden in Bearbeitung, auf denen seit vierzigtausend Jahren nichts gediehen war, und auch diese Erde machten sie wieder fruchtbar. Sie legten Teiche an und betrieben Fischzucht. Sie pflanzten eine Million Baume, die in zehn, in zwanzig oder in drei?ig Jahren die Verwitterung des Bodens verhindern sollten.
Um die Mitte der Zwanziger Jahre bearbeiteten in rund hundert Siedlungen mehr als funfzigtausend Juden uber eine halbe Million Dunam neu erschlossenen Bodens. Die meisten dieser Juden trugen die blauen Kittel des Kibbuz. Die Kibbuz-Bewegung, dieses Kind der Notwendigkeit, wurde zur Losung des gesamten SiedlungsProblems. Diese genossenschaftlichen Siedlungen waren in der Lage, viele der neuen Einwanderer aufzunehmen.
Doch es war nicht jedem gegeben, sich an das Leben in einem Kibbuz zu gewohnen. Vielen Frauen, die fur Selbstandigkeit und Gleichberechtigung kampften, gefielen diese Errungenschaften nicht mehr, wenn sie sie erst einmal hatten. Andere nahmen Ansto? daran, da? es kein Privatleben gab, und wieder andere waren mit der Einrichtung der Kinderheime nicht einverstanden. Zwar waren sich alle Juden in Palastina daruber einig, da? Grund und Boden nationales Eigentum waren und eigenhandig bearbeitet werden sollten, aber viele Siedler lehnten das Leben in einem Kibbuz ab, weil der einzelne nicht ein Fleckchen Erde besa?, das er wirklich sein eigen nennen konnte. So spaltete sich von der KibbuzBewegung eine kleine Gruppe ab, die sich die Moschaw-Bewegung nannte.
In einem Moschaw hatte jeder ein eigenes Stuck Land und ein eigenes Haus. Auch hier wurden, ganz wie in einem Kibbuz, alle Gemeinschaftsbelange zentral geregelt und verwaltet, und alle Traktoren, Dreschmaschinen und dergleichen waren Eigentum des gesamten Moschaw. Gewisse lebensnotwendige Feldfruchte wurden von allen Mitgliedern des Moschaw gemeinsam angebaut. Es gab eine zentrale Agentur, die den gesamten Einkauf und Verkauf vornahm.
Der wesentliche Unterschied aber war das Ma? individueller Freiheit und der Umstand, da? ein Mann mit seiner Familie in seinem eigenen Hause lebte und mit seinem eigenen Boden so wirtschaften konnte, wie es ihm am besten schien. Nachteilig an dem Moschaw war, da? er nicht solche Mengen neuer Einwanderer aufnehmen konnte wie der Kibbuz; doch beide Bewegungen wuchsen und gediehen.
In dem Ma?e, wie der Jischuw wuchs, wuchs auch die Vielfalt und die Schwierigkeit der kommunalen Verwaltung. Fur Barak ben Kanaan, dessen Rat man in vielen Fragen einholte, nahm die Arbeit kein Ende.
Zu neuen Ausbruchen gegen die Juden war es zwar nicht gekommen, doch schwelte eine heimliche Unruhe. Jeder Tag brachte die Nachricht von einem neuen Diebstahl, einem Uberfall oder einem Schu? aus dem Hinterhalt. Der Mufti, der finstere Hadsch Amin el Husseini, sorgte durch seine gehassigen Kanzelreden dafur, da? bestandige Spannung in der Luft lag.
Eines Tages — es war im Jahre 1924 — kam Barak nach einer besonders anstrengenden Woche im Jischuw- Zentralrat von Jerusalem nach Tel Aviv zuruck. Er war jedesmal froh und glucklich, wenn er nach Haus kam, in die Drei-Zimmer-Wohnung auf der Hayarkon-Stra?e, von wo aus man den Blick auf das Mittelmeer hatte. Diesmal war er erfreut und uberrascht, seinen alten Freund Kammal zu treffen, den Muktar von Abu Yesha, der in seiner Wohnung auf ihn wartete.
»Seit vielen Jahren habe ich mir Gedanken gemacht, um hinter die Losung des verwirrenden Ratsels zu kommen, wie ich meinen Leuten helfen konnte. Es fallt mir schwer, es zu glauben, doch es gibt keine schlimmeren Ausbeuter als die arabischen Gro?grundbesitzer. Sie wollen nicht, da? es den Fellachen besser geht. Denn das konnte unter Umstanden ja ihr eigenes Wohlleben gefahrden.«
Barak horte gespannt zu. Es war ein ungewohnliches Bekenntnis aus dem Munde eines Arabers.
»Ich habe gesehen und erlebt«, fuhr Kammal fort, »wie die Juden zuruckgekommen sind und wahre Wunder in dem Land vollbracht haben. Wir haben nichts gemeinsam, weder die Religion, die Sprache noch unser Au?eres. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob uns die Juden nicht letzten Endes vielleicht doch das ganze Land wegnehmen werden. Trotzdem — die Juden sind die einzige Rettung fur das arabische Volk. Sie sind im Verlauf von tausend Jahren die einzigen, die Licht in diesen dunklen Winkel der Welt gebracht haben.«
»Ich wei?, Kammal, da? es Ihnen nicht leicht fallt, das zu sagen — .«
»Lassen Sie mich bitte ausreden. Wenn es moglich ist, da? wir friedlich nebeneinander leben, so gro? die Unterschiede zwischen uns auch sein mogen, dann mu? sich das, was ihr erreicht habt, schlie?lich auch fur uns vorteilhaft auswirken. Ich wei? nicht, Barak, ob ich mit meiner Ansicht recht habe, aber ich sehe keinen anderen Weg fur das arabische Volk.«
»Wir haben euch niemals irgendeinen Anla? gegeben, an der Aufrichtigkeit unseres Wunsches nach Frieden zu zweifeln —.« »Gewi? — doch es gibt Krafte, die machtiger sind als Sie und ich, und die uns gegen unseren Willen in einen Konflikt bringen konnten.«
Wie wahr, dachte Barak, nur allzu wahr.
»Horen Sie, Barak — ich habe mich entschlossen, dieses Land am Hule-See, das Sie so gern besitzen wollten, an die Zionistische Siedlungsgesellschaft zu verkaufen.«
Baraks Herz begann zu klopfen.
»Das geschieht nicht nur aus reinem Wohlwollen. Ich knupfe bestimmte Bedingungen daran. Ihr mu?t den Arabern von Abu Yesha Gelegenheit geben, eure Methoden der Bodenbearbeitung und der Gesundheitspflege zu erlernen. Das ist nur allmahlich zu erreichen, im Verlauf einer langeren Zeitspanne. Ich mochte, da? einige der aufgeweckten Jungen aus meinem Dorf Gelegenheit bekommen, eure Schule zu besuchen, um Lesen und Schreiben zu lernen.«
»Das soll geschehen«, sagte Barak.
»Ich habe noch eine weitere Bedingung.«
»Welche?«
»Sie mussen mit von der Partie sein.«
Barak stand auf und strich sich seinen Bart. »Ich? Warum ich?« »Wenn Sie dabei sind, kann ich sicher sein, da? meine Bedingungen erfullt werden und wir in Frieden miteinander leben konnen. Ich habe Ihnen vom ersten Tage an vertraut, seit Sie vor mehr als drei?ig Jahren als junger Mann nach Abu Yesha kamen.«
»Ich werde es mir uberlegen«, sagte Barak.
»Und was wirst du nun Kammal sagen?« fragte Sara.
Barak zuckte die Schultern. »Was gibt es da zu sagen? Wir konnen naturlich nicht hin. Wirklich ein Jammer. Jahrelang habe ich versucht, ihn dazu zu bringen, dieses Land zu verkaufen. Wenn ich jetzt nicht mitmache, bekommen wir es nie.«
»Wirklich schade«, sagte Sara. Sie go? den Tee ein.
Barak ging unruhig und unglucklich im Zimmer umher. »Wir mussen nun mal auf dem Teppich bleiben, Sara«, brummte er. »Man braucht mich beim Jischuw-Zentralrat, und man braucht mich bei der Siedlungsgesellschaft. Leider bin ich nicht einer von denen, die auf der Allenbystra?e einen Laden haben.«
»Nein, naturlich nicht«, sagte Sara voller Anteilnahme. »Deine Arbeit ist wichtig, und du bist fur die Allgemeinheit unentbehrlich.« »Ja«, sagte er, wahrend er seine unruhige Wanderung durch das Zimmer wieder aufnahm, »und au?erdem sind wir nicht mehr die Jungsten. Ich bin uber Funfzig, und dieses Land dort urbar zu machen, wird eine sehr harte Arbeit sein.«
»Du hast recht, Barak. Wir sind zu alt, um als Pioniere in die Wildnis zu gehen. Du hast deinen Beitrag zum Aufbau dieses Landes geleistet.«
»So ist es! Ich werde Kammal absagen.«
Er lie? sich in einen Sessel sinken und seufzte tief. Es war ihm nicht gelungen, sich selbst zu uberzeugen.