Abdullah waren Todfeinde von Ibn Saud, der es abgelehnt hatte, den Englandern im ersten Weltkrieg zu helfen.
So ergab sich fur die Englander alles zum Besten. Im Irak und in Transjordanien, ihren beiden Neuschopfungen, sa?en britische Marionetten auf dem Thron. Die Englander hatten Agypten, den Suez-Kanal, die Erdolfelder des Mossul-Gebietes und das PalastinaMandat. Au?erdem hatten sie an verschiedenen Stellen der arabischen Halbinsel ein Dutzend »Protektorate«.
Mit Palastina war die Sache schon schwieriger. Dort konnte man keine britischen Marionetten einsetzen. Die Balfour-Deklaration war von der ganzen Welt ratifiziert worden. Daruber hinaus waren die Englander auch durch die Bestimmungen des Mandats verpflichtet, hier eine judische Heimstatte zu schaffen. Au?erdem hatten ihnen die Juden eine demokratisch gewahlte Quasi-Regierung prasentiert, den Jischuw-Zentralrat, die einzige demokratische Korperschaft, die es im gesamten Gebiet des Nahen Ostens gab.
Barak ben Kanaan, Chaim Weizmann und eine Reihe weiterer fuhrender Zionisten traten mit Faisal, dem damaligen Oberhaupt der arabischen Welt, zu einer Verhandlung von historischer Bedeutung zusammen. Zwischen den Juden und den Arabern wurde ein gegenseitiger Freundschaftspakt abgeschlossen, durch den sich beide Seiten verpflichteten, die Interessen der anderen zu respektieren. Die Araber begru?ten die Ruckkehr der Juden und erkannten ihre historischen Rechte auf Palastina und ihr menschliches Recht auf eine Heimat an. Au?erdem erklarten die Araber offen, da? sie die Urbarmachung des Bodens durch die Juden und das »Hebraische Gold«, das sie ins Land brachten, durchaus begru?ten. Genau wie in allen anderen Teilen der arabischen Welt gab es auch in Palastina keine reprasentative arabische Regierung. Als die Englander die Araber aufforderten, eine vertretende Korperschaft zu bilden, begann der ubliche innerarabische Streit. Die verschiedenen Interessengruppen einflu?reicher Familien mit gro?em Grundbesitz vertraten jeweils nur einen kleinen Bruchteil des arabischen Volkes. Die machtigste dieser Familien war der El-Husseini-Klan, der im Gebiet von Jerusalem gro?e Landereien besa?. Das Oberhaupt dieses Klans, vor dem alle anderen arabischen Gro?grundbesitzer eine Heidenangst hatten, war der verschlagenste, hinterhaltigste Intrigant in diesem Teil der Welt, der dafur bekannt war, da? es hier verschlagene und hinterhaltige Intriganten gab. Sein Name war Hadsch Amin el Husseini. Hadsch Amin, der ursprunglich auf Seiten der Turken gekampft hatte, hielt nach dem Sturz des Reiches der Ottomanen seine Chance fur gekommen, um an die Macht zu gelangen, genau wie ein Dutzend anderer Fuhrer in den verschiedenen Teilen der arabischen Welt. El Husseini aber hatte einen Klan von Teufeln hinter sich.
Durch einen ersten Schachzug wollte er Palastina in die Hand bekommen. Es erschien ihm als die richtige Eroffnung, sich zunachst einmal in die Stellung des Mufti von Jerusalem hineinzumanovrieren. Jerusalem wurde in seiner Bedeutung als heilige Stadt des Islams nur von Mekka und Medina ubertroffen. Nach dem Fall der Ottomanen wurde die Stellung des Mufti von Jerusalem, die bis dahin hauptsachlich ein Ehrenamt gewesen war, innerhalb der Welt des Islams sehr bedeutend. Moslems in aller Welt sandten riesige Geldspenden fur die Erhaltung der heiligen Statten. Uber diese Gelder, die fruher von Konstantinopel verwaltet worden waren, sollte nunmehr der Mufti von Jerusalem verfugen. Wenn es Hadsch Amin gelang, sich dieses Postens zu bemachtigen, konnte er diese Gelder dazu verwenden, um seine eigenen Ziele weiterzuverfolgen. Und noch aus einem anderen Grund wunschte er sich das Amt des Mufti. Die Fellachen von Palastina waren zu neunundneunzig Prozent Analphabeten. Die einzige Moglichkeit zur Massenbeeinflussung war die Kanzel. Die Fellachen neigten dazu, auf die leiseste Aufforderung hin mit einem hysterischen Ausbruch zu reagieren, und diese hysterische Reizbarkeit konnte unter Umstanden ein wirksames politisches Machtmittel darstellen.
Als der alte Mufti starb, wurde ein Nachfolger gewahlt. Die Effendis, denen Hadsch Amins Machtgeluste bekannt waren, huteten sich wohlweislich, ihm ihre Stimme zu geben. Er kam erst an vierter Stelle. Das schreckte ihn jedoch wenig, denn die Angehorigen seines Klans waren eifrig damit beschaftigt, die drei anderen Kandidaten, die mehr Stimmen bekommen hatten, kraftig unter Druck zu setzen und sie zu »uberreden«, auf die Annahme des Amtes zu verzichten. So wurde Hadsch Amin el Husseini tatsachlich, sozusagen durch Versaumnisurteil, Mufti von Jerusalem.
Das gro?te Hindernis fur die Verwirklichung seiner Plane erblickte er in der Ruckkehr der Juden nach Palastina. Bei Gelegenheit eines kirchlichen Festes, das die Mohammedaner zur Erinnerung an die Geburt von Moses begehen, stachelte Hadsch Amin el Husseini in seiner Eigenschaft als Mufti die Fellachen zum Ha? gegen die Juden auf. Der Mob wurde hysterisch, und die Folge war ein Pogrom! Der Mob ging in seiner Hysterie allerdings nicht so weit, seine Wut gegen die Stadte und die Kibbuzim zu richten, also gegen Orte, wo die Juden in der Lage waren, sich zur Wehr zu setzen. Statt dessen erschlugen sie wehrlose Juden, fromme alte Leute in den heiligen Stadten Safed, Tiberias, Hebron und Jerusalem.
Ruth, die zu Besuch in Schoschana gewesen war und sich auf dem Ruckweg nach Ejn Or befand, war gerade in Tiberias, als der Aufruhr ausbrach. Sie hatte ihre kleine Tochter Scharona bei sich. Beide kamen ums Leben.
Es dauerte Monate, bis es Akiba gelang, seinen bitteren Schmerz zu uberwinden. Doch der Schmerz hinterlie? eine tiefe und schwarende Narbe, die nie mehr wieder ganz heilen sollte.
Viele der Siedlungen hatten den Englandern, als diese die Verwaltung des Mandatsgebietes ubernahmen, ihre Waffen ubergeben. Waren die Araber darauf verfallen, diese Siedlungen anzugreifen, hatten sie wehrlose Menschen niedergemetzelt. Die Englander waren fur die Aufrechterhaltung der Ordnung verantwortlich, und die Juden von Palastina erwarteten von ihnen, da? sie die Araber zur Rason bringen und die Verbrecher zur Rechenschaft ziehen wurden. Die Englander bildeten einen Untersuchungsausschu?, und Hadsch Amin el Husseini wurde fur schuldig befunden. Doch man gewahrte ihm Pardon!
Unmittelbar danach fa?te das britische Kolonialamt einen Beschlu?, durch den die judische Einwanderung nach Palastina auf das Ma? des »okonomisch Tragbaren« beschrankt wurde. Dies geschah zur gleichen Zeit, als der neue Staat Transjordanien entstand. Fur den Jischuw bedeutete es das Ende eines geschichtlichen Abschnitts. Die Periode des britischen Wohlwollens war voruber. Der Jischuw-Zentralrat und die Zionistische Siedlungsgesellschaft beriefen eine geheime Versammlung nach Tel Aviv ein, an der funfzig der fuhrenden Jischuw-Mitglieder teilnahmen. Chaim Weizmann kam mit dem Flugzeug von London. Barak war dabei, ebenso Akiba, noch immer voll schmerzlicher Trauer. Auch Jitzchak ben Zwi war anwesend.
Unter den Teilnehmern befand sich ein junger Mann von gedrungenem Korperbau, mit buschigen Augenbrauen, der unter den Juden der zweiten Aliyah-Welle eine fuhrende Stellung eingenommen hatte. Er hie? David ben Gurion. Viele waren der Meinung, da? dieser feurige Zionist, der standig die Bibel zitierte, dazu ausersehen sei, Fuhrer des Jischuw zu werden. Au?erdem war da ein Mann namens Avidan, der mit der dritten Aliyah-Welle gekommen war, ein barenstarker Kerl mit einem kahlen Schadel. Avidan war nach Palastina gekommen, nachdem er sich im Kriege als russischer Offizier hervorgetan hatte. Er stand an kriegerischem Ruhm nur dem gefallenen Helden Trumpeldor nach, und es hie? von ihm, da? er dazu ausersehen sei, Fuhrer einer judischen Verteidigungs-Streitmacht zu werden.
Barak ben Kanaan bat um Ruhe und ergriff das Wort. Die in dem Kellerraum versammelten Manner horten ihm grimmig und mit gespannter Aufmerksamkeit zu. Barak rief ihnen das Ungluck in Erinnerung, das jeder von ihnen zu erleiden hatte, nur, weil er als Jude zur Welt gekommen war. Und jetzt hatte sich hier, wo sie gehofft hatten, frei von Verfolgung zu sein, ein Pogrom ereignet. Chaim Weizmann sprach fur eine Gruppe, die der Ansicht war, die Englander seien die anerkannte Obrigkeit; man musse mit ihnen offen und auf legalem Wege verhandeln. Fur die Verteidigung seien die Englander verantwortlich.
Eine andere, ausgesprochen pazifistische Gruppe war der Meinung, es gabe nur noch mehr Schwierigkeiten mit den Arabern, wenn man die Juden bewaffnete.
In extremer Opposition hierzu befanden sich die von Akiba vertretenen Aktivisten, die die Forderung nach rascher und erbarmungsloser Vergeltung erhoben. Sie vertraten die Ansicht, das Wohlwollen und der Schutz der Englander stellten eine Illusion dar. Die Englander wurden nur ihre eigenen Interessen verfolgen; mundliche oder schriftliche Proteste hatten auf die Araber niemals die gleiche Wirkung wie ein geladenes Gewehr.
Die erregte Debatte ging bis tief in die Nacht, ohne da? die besonders streitlustigen Juden erlahmt waren. Die Englander wurden verdammt und gepriesen. Die Pazifisten mahnten zur Vorsicht, wahrend die Aktivisten Palastina das »zweimal Gelobte Land« nannten: Einmal den Juden und einmal den Arabern versprochen.
Gegenuber diesen beiden extremen Denkungsweisen befurworteten Ben Gurion, Ben Kanaan, Avidan und viele andere einen realistischen mittleren Kurs. Sie erkannten zwar die Notwendigkeit an, da? sich die Juden bewaffneten, wunschten aber gleichzeitig, die judischen Interessen auf legalem Wege zu verfechten. Diese Manner, die in der Mehrheit waren, beschlossen als Vertreter des Jischuw, da? sich die Juden heimlich bewaffnen und eine Miliz aufstellen sollten. Diese Miliz sollte einzig und allein zum Zwecke der Verteidigung eingesetzt werden. In der Offentlichkeit sollten alle offiziellen Stellen jede Kenntnis von der Existenz dieser judischen Wehrmacht leugnen, sie