zuruckzuhalten. Lie?en wir sie gewahren, sie fingen morgen noch Krieg gegen die Englander an. Sie und ich, wir fuhlen im Grunde genauso wie Akiba, doch was er jetzt vorhat, kann uns unter Umstanden alle ins Verderben sturzen. Da? wir in Palastina erreichen konnten, was wir erreicht haben, liegt unter anderem auch daran, da? wir ungeachtet unserer inneren Differenzen nach au?enhin stets geschlossen aufgetreten sind. Wenn die Englander und die Araber mit uns verhandelten, so hatten sie es sozusagen immer mit einer einzigen Person zu tun. Jetzt hat Akiba eine Bande hitziger Aktivisten um sich versammelt. Wenn diese Leute dazu ubergehen sollten, Terrormethoden anzuwenden, dann wird die Gesamtheit darunter zu leiden haben.«
Barak begab sich nach Ejn Or, das nicht weit von Yad El entfernt war. Gleich den meisten der alteren Kibbuzim hatte sich auch Ejn Or in einen wahren Garten verwandelt. Als alteres Mitglied und einer der Mitbegrunder bewohnte Akiba ein separates Hauschen, dessen zwei Zimmer mit Buchern angefullt waren. Er hatte sogar einen eigenen Radioapparat und ein eigenes WC — was in einem Kibbuz eine seltene Ausnahme darstellte.
Barak sprach sanft auf seinen Bruder ein. Doch alles, was er vorbrachte, war fur Akiba nichts Neues, und der drohende Streit mit seinem Bruder beunruhigte ihn.
»Sieh mal an — die Herren vom Jischuw-Zentralrat haben dich vorgeschickt, damit du mir die Ohren volljammerst. Sie entwickeln sich nachgerade zu Beschwichtigungsspezialisten.«
»Ich ware auch ohne Aufforderung des Zentralrates zu dir gekommen«, sagte Barak, »nachdem ich erfahren hatte, was fur ein wahnsinniges Unternehmen du planst.«
Akiba ging unruhig im Raum auf und ab. Barak beobachtete ihn. Er war noch immer genauso leicht zornig und aufgebracht wie als Junge. »Ich habe nur vor«, sagte Akiba, »das zu tun, was der Zentralrat nicht zu tun wagt, obwohl er einsieht, da? es getan werden mu?. Doch auch die Herren vom Zentralrat werden sich fruher oder spater mit den nackten Tatsachen auseinanderzusetzen haben. Die Englander sind unsere Feinde.«
»Wir sind nicht dieser Ansicht, Akiba. Alles in allem sind wir bisher mit den Englandern recht gut gefahren.«
»Wenn du das im Ernst meinst, bist du ein Narr.«
»Ich habe mich vorher falsch ausgedruckt. Die Englander stellen die rechtma?ige Obrigkeit in Palastina dar.«
»Und sehen ruhig zu, wie die Araber uns die Gurgel durchschneiden«, sagte Akiba voller Hohn. »Die Herren vom Jischuw-Zentralrat fahren mit ihren Aktenmappen zu Konferenzen, unterbreiten ihre bescheidenen Noten und machen artige Dienerchen, wahrend der Mufti und seine Halsabschneider Amok laufen. Hast du die Araber schon mal verhandeln gesehen?«
»Wir wollen unsere Ziele auf legalem Wege erreichen.«
»Wir werden unsere Ziele nur erreichen, wenn wir bereit sind, fur sie zu kampfen!«
»Wenn wir wirklich kampfen mussen, dann la? uns einig sein in unserem Kampf. Du begibst dich mit dem Mufti auf eine Stufe, indem du eine Gruppe von Leuten bildest, die sich au?erhalb des Gesetzes stellen. Hast du jemals bedacht, was es fur Folgen haben kann, wenn die Englander aus Palastina abziehen? Ganz gleich, wie bitter deine Gefuhle sind — und auch meine —, die Englander sind immer noch entscheidend fur uns, wenn wir einen Nationalstaat erreichen wollen.«
Akiba winkte ablehnend mit der Hand. »Wir werden den Nationalstaat auf die gleiche Weise erreichen, wie wir dieses Land erschlossen haben — durch unseren Schwei? und unser Blut. Ich lehne es ab, dazusitzen und abzuwarten, bis uns die Englander etwas schenken.«
»Zum letztenmal, Akiba — tu das nicht, was du vorhast. Du bietest unseren Feinden damit nur die Moglichkeit, mit Fingern auf uns zu zeigen und ihre Lugenpropaganda noch mehr zu verstarken.«
»Aha!« rief Akiba. »Damit waren wir beim Kern des ganzen Problems angelangt! Die Juden mussen die Spielregeln befolgen! Die Juden durfen nichts Unrechtes tun! Sie mussen bitten und appellieren! Sie mussen dem, der ihnen einen Backenstreich gibt, auch noch die andere Backe hinhalten.«
»Hor auf damit!« sagte Barak.
»Um Gottes willen, nur das nicht!« rief Akiba. »Tut, was ihr wollt, nur kampft um Gottes willen nicht! Ihr konnt doch unmoglich wunschen, da? die Deutschen und die Araber und die Englander euch fur bose Buben halten.«
»Hor auf, hab' ich gesagt!«
»Wei?t du, was du bist, Barak? Ein Ghetto-Jude. Das ist es, was du bist und was all die anderen Leute vom Zentralrat sind. Aber la? dir etwas von mir gesagt sein, lieber Bruder. Du siehst hier einen Juden vor dir, der vielleicht unrecht haben mag, der aber entschlossen ist, sich seiner Haut zu wehren. Soll doch die ganze verdammte Welt der Meinung sein, da? wir unrecht haben!«
Barak zitterte vor Wut. Er sa? regungslos da und versuchte, seine Erregung zu verbergen. Akiba sprach weiter und machte seinem zornigen Herzen Luft. Hatte Akiba wirklich unrecht? Wieviel Leid und Erniedrigung, wieviel Schmerz und Verrat mu?te ein Mensch hinnehmen, bevor er zuruckschlug?
Barak stand auf und ging zur Tur.
»Sage Avidan und den Herren vom Jischuw-Zentralrat und all den anderen Schwachlingen, die immer nur verhandeln wollen, Akiba und die Makkabaer hatten eine neue Botschaft fur die Englander und die Araber. Diese Botschaft hei?t: Auge um Auge, Zahn um Zahn!« »Du wirst von heute an mein Haus nicht mehr betreten«, sagte Barak.
Die beiden Bruder starrten sich lange an. Akiba stiegen die Tranen in die Augen. »Ich soll dein Haus nicht mehr betreten?« fragte er. Barak blieb stumm und ruhrte sich nicht.
»Wir sind Bruder, Barak. Du hast mich auf deinem Rucken nach Palastina getragen.«
»Ja, und heute bedaure ich es.«
»Ich liebe Palastina nicht weniger als du«, sagte Akiba mit zitternden Lippen. »Du verurteilst mich, weil ich dem Gebot meines Gewissens folge.«
Barak, der an der Tur stand, kam einen Schritt zuruck. »Du bist es, Akiba, du und deine Makkabaer, die aus Brudern Gegner gemacht haben. Seit wir Kinder waren, habe ich immer wieder gehort, wie du bei jeder Gelegenheit die passende Stelle aus der Bibel zitiertest. Nun, vielleicht solltest du wieder einmal die Stelle lesen, wo von den Zeloten berichtet wird, die den Bruder gegen den Bruder aufhetzten, die Juden untereinander uneinig machten und die Zerstorung Jerusalems durch die Romer verschuldeten. Ihr nennt euch Makkabaer — ich nenne euch Zeloten.« Damit wandte sich Barak erneut zum Gehen.
»Vergi? das eine nicht, Barak ben Kanaan«, sagte Akiba. »Nichts von alledem, was immer wir tun mogen, sei es recht oder unrecht, kann mit dem verglichen werden, was man dem judischen Volk angetan hat. Die Makkabaer sind nicht in der Lage, etwas zu tun, das man auch nur einen Augenblick lang fur ein Unrecht halten konnte, wenn man an das Morden denkt, das sich uber zwei Jahrtausende erstreckt.«
XV.
Yad El erbluhte zu einem Garten Eden. Unablassig wurden die Sumpfe zuruckgedrangt, bis genugend anbaufahiges Land vorhanden war, um weitere hundert Familien anzusiedeln. Die Zentrale des Moschaw verfugte uber zwei Dutzend schwerer landwirtschaftlicher Maschinen und eine Versuchsstation. Die Fischzucht in den angelegten Teichen wurde von allen Angehorigen des Moschaw gemeinsam betrieben.
Die Wege von Yad El waren das ganze Jahr hindurch grun, und im Fruhling und Herbst bluhten und leuchteten sie in vielen Farben. Yad El besa? eine Grund- und eine Oberschule, ein gro?es Gemeindezentrum mit Schwimmbad, Bibliothek und Theater, und ein kleines Krankenhaus mit zwei Arzten.
Ein ganz gro?es Ereignis war die Fertigstellung der elektrischen Zuleitung. Sie wurde in samtlichen Siedlungen des Hule-Tals festlich begangen. Dieses Fest ubertraf alles bisher Dagewesene; in Ejn Or, Kfar Gileadi, Ayelet Haschachar und in Yad El gingen gleichzeitig die Lampen an.
Im selben Jahr halfen die Juden von Yal El ihren arabischen Nachbarn, eine Wasserleitung nach Abu Yesha zu legen, die es bisher in keinem arabischen Dorf in ganz Palastina gegeben hatte. Au?erdem dehnte Yad El einen Teil der elektrisch betriebenen Bewasserungsanlage bis auf die Felder von Abu Yesha aus, um den Arabern zu zeigen, wie sich der Ertrag des Bodens durch die kunstliche Bewasserung steigern lie?.
Als Zeichen seiner Dankbarkeit schenkte Kammal der Zionistischen Siedlungsgesellschaft mehrere Dunam eines Hochplateaus oberhalb von Abu Yesha. Er hatte gehort, da? die Juden im Hule-Gebiet nach einem Stuck Land zur Errichtung eines Jugend-Dorfes suchten.
Ari ben Kanaan war der ganze Stolz seines Vaters. Mit siebzehn Jahren war er einsachtzig gro? und stark wie ein Lowe. Au?er Hebraisch und Englisch beherrschte er Arabisch, Deutsch, Franzosisch und Jiddisch, die Sprache, in die seine Mutter Sara immer wieder zuruckfiel, wenn sie aufgeregt war oder sich argerte und ihrem Herzen Luft