tief hinein in ein Gebiet, in das sich bis dahin Juden noch nie vorgewagt hatten. Tausende arabische Augenpaare sahen gespannt der Wagenkolonne nach, die hinein in das Vorgebirge unterhalb des Teggart-Walls und hinaus zu den Bergen an der libanesischen Grenze fuhr.

Sie hielten an, stellten Wachen aus und entluden rasch die Wagen, die eilig zuruckfuhren, um vor Einbruch der Dunkelheit wieder in Naharia den Schutz der befestigten Siedlungen zu erreichen. Die hundert jungen Leute waren allein. Die Hohen und Taler vor ihnen wimmelten von arabischen Marodeuren. Hinter ihnen lag ein Dutzend feindlicher arabischer Ortschaften. Die Hundert errichteten eine kleine Palisade, gruben sich ein und warteten auf das Ende der Nacht.

Als es Morgen wurde, war die Kunde von Hebron bis nach Beirut gedrungen: Die Juden sind in die Berge gezogen! Der Mufti in Beirut tobte. Das war eine offene Herausforderung. Er schwor beim Barte des Propheten, diese Juden ins Meer zu werfen.

Die hundert Manner und Frauen der Hagana arbeiteten die nachsten Tage fieberhaft am Ausbau der Stellung zur Verteidigung des Ausgangslagers am Fu? des Berges, um fur den Angriff, der kommen mu?te, gerustet zu sein. Jede Nacht fielen Dafna und Ari,wenn sie nicht Wache hatten, Arm in Arm in einen Schlaf tiefer Erschopfung.

In der vierten Nacht kam der Angriff! Es war ein Angriff, wie ihn die Juden noch nie erlebt hatten. Vom Gipfel des Berges aus uberschutteten tausend arabische Gewehrschutzen, unterstutzt von Maschinengewehren, funf Stunden lang die Stellung der Juden mit pausenlosem Feuer. Zum erstenmal verwendeten die Araber auch Granatwerfer. Ari und seine Leute lagen geduckt in ihren Graben und warteten darauf, da? die Araber einen Sturmangriff versuchten. Sie warteten, bis die Araber flach uber die Erde herangekrochen kamen, mit Messern zwischen den Zahnen. Plotzlich leuchteten hinter der Palisade ein halbes Dutzend Scheinwerfer auf und strichen mit ihren Lichtkegeln uber das Vorfeld. Die Juden eroffneten das Feuer auf den Gegner, der schon nahe herangekommen war, und toteten mit dem ersten Feuersto? sechzig Araber.

Die Angreifer waren vor Furcht gelahmt. Ari ging mit der Halfte seiner Leute zum Gegenangriff vor, und bald war das Schlachtfeld von toten und verwundeten Arabern ubersat. Die ubrigen flohen laut schreiend zuruck.

Eine Woche lang unternahmen die Araber keinen neuen Angriff. Der Mufti und Kawuky waren machtlos. Weder durch Drohungen noch durch Versprechungen waren die Araber dazu zu bringen, erneut anzugreifen.

Bei dem ersten Angriff verlor die Hagana drei Jungen und ein Madchen. Einer der Gefallenen war der Kommandeur. Ari ben Kanaan ubernahm an seiner Stelle das Kommando.

Jeden Tag ruckten die Hagana-Leute ein paar Meter weiter den Hang hinauf, gruben sich ein und erwarteten das Ende der Nacht. Die Araber beobachteten sie aus ihren Stellungen oben am Berg, unternahmen aber, solange es hell war, niemals einen Angriff. Nach einer Woche konnte Ari das Ausgangslager am Fu?e des Berges abbrechen, da inzwischen ein neues Lager auf halbem Hang aufgeschlagen worden war.

Den Arabern sa? die Lektion der ersten Nacht noch in den Knochen. Sie versuchten nicht mehr, das Lager zu sturmen, sondern begnugten sich damit, es aus der Entfernung zu beschie?en.

Wahrend die Araber weiterhin unentschlossen waren, beschlo? Ari, eine Offensive zu starten. Gegen Ende der zweiten Woche schlug er kurz vor Tagesanbruch zu. Er wartete ab, bis die Araber, die die ganze Nacht hindurch geschossen hatten, mude waren und nicht mehr so wachsam Ausschau hielten. Mit funfundzwanzig seiner besten Manner und zehn Frauen ging er bei Morgengrauen zu einem Angriff vor, der die schlafrigen Araber vom Gipfel des Berges vertrieb. Die Juden gruben sich in aller Eile ein, wahrend sich die Araber von ihrem Schreck erholten und zum Gegenangriff sammelten. Ari verlor funf Soldaten, doch er hielt die Stellung. Rasch baute er einen befestigten Beobachtungsposten auf der Spitze des Berges aus, der einen Uberblick uber das gesamte Gebiet gewahrte. Als es hell geworden war, arbeiteten sie fieberhaft daran, ihre hastig ausgehobene erste Stellung zu einer Festung auszubauen.

Der Mufti tobte! Er wechselte die Anfuhrer aus und stellte nochmals eine Streitmacht von tausend Mann auf. Die Araber griffen an, doch sobald sie an Aris Stellung herankamen, blieb der Angriff liegen, und die Angreifer flohen. Zum erstenmal beherrschten die Juden eine Gipfelstellung, und sie waren entschlossen, sich daraus nicht wieder vertreiben zu lassen!

Wenn sich die Araber auch nicht auf einen Nahkampf einlassen wollten, so bemuhten sie sich doch, den Juden das Leben so schwer wie moglich zu machen. Ari und seine Leute lagen unter bestandigem Beschu? und waren vollig isoliert. Die nachste judische Siedlung war Naharia. Der gesamte Nachschub einschlie?lich des Wassers mu?te auf Lastwagen durch feindliches Gebiet herangebracht werden. War das glucklich gelungen, dann mu?ten Aris Leute alles den Hang hinauftragen. Doch Hamischmar hielt ungeachtet aller Schwierigkeiten und Strapazen stand. Im Schutz der Palisade hatte man ein paar behelfsma?ige Hutten errichtet und mit dem Bau einer Stra?e zum Fu?e des Berges begonnen. Nachts patrouillierte Ari mit seinen Leuten am Teggart-Wall, um illegale Grenzganger und Waffenschmuggler zu schnappen. Den Rebellen des Mufti wurde der heimliche Zugang, durch den sie bisher nach Palastina eingesickert waren, versperrt.

Aris Leute kamen zu neunzig Prozent von einem Kibbuz oder Moschaw. Die Erschlie?ung und Bearbeitung des Landes war ihnen so in Fleisch und Blut ubergegangen, da? sie nicht lange an irgendeiner Stelle sein konnten, ohne zu versuchen, irgend etwas anzubauen. Sie fingen an, auch in Hamischmar den Boden zu bestellen! Sie waren unter dem Vorwand hergekommen, einen Kibbuz zu errichten, und bei Gott, jetzt wollten sie aus Hamischmar auch wirklich einen Kibbuz machen. Die landwirtschaftliche Bearbeitung eines Berghanges war fur sie etwas vollig Neues, und besonders schwierig war sie an einer Stelle, wo es bis auf die seltenen Regenfalle keinerlei naturliche Bewasserung gab. Doch sie machten sich auch an diese Aufgabe mit dem gleichen Schwung, mit dem sie die Sumpfe des Jesreel-Tals und die ausgetrocknete und verwitterte Ebene von Scharon wieder urbar gemacht hatten. Sie legten an den Hangen Terrassen an und baten die Zionistische Siedlungsgesellschaft um Geld zum Ankauf von landwirtschaftlichen Geraten.

Der Jischuw-Zentralrat und die Fuhrer der Hagana waren so begeistert uber den Erfolg der hartnackigen jungen Leute von Hamischmar, da? sie beschlossen, auch kunftig einzelne Neusiedlungen an Punkten zu errichten, die von strategischer Bedeutung fur die Abwurgung der arabischen Rebellion waren.

Eines Nachts lag Ari in seinem Zelt und schlief fest, als ihn jemand wachruttelte.

»Komm, Ari, rasch!«

Er warf seine Decke ab, nahm sein Gewehr und rannte hinter den anderen her zu den sudlichen Feldern, auf denen gerade Terrassen zum Anbau von Wein angelegt wurden. Dort stand eine Gruppe aufgeregt herum. Alle verstummten, als sie Ari herankommen sahen. Er drangte sich hindurch und starrte auf die Erde. Sie war voll Blut. Fetzen einer blauen Bluse lagen am Boden. Eine blutige Spur fuhrte von der Stelle in die Berge. Ari sah die Umstehenden an. Keiner sagte etwas.

»Dafna«, sagte Ari tonlos.

Zwei Tage spater fanden sie ihre Leiche. Man hatte ihr die Hande abgehackt, Nase und Ohren abgeschnitten und die Augen ausgestochen.

Niemand sah Ari ben Kanaan eine Trane vergie?en. Von Zeit zu Zeit verschwand er fur mehrere Stunden. Er kam mit bleichem Gesicht zuruck. Doch er zeigte weder Trauer noch Ha?, nicht einmal Wut. Er erwahnte ihren Namen nie mehr.

Ein halbes Dutzend arabischer Ortschaften in der Nahe von Hamischmar wartete voller Angst auf einen Vergeltungsangriff. Doch er erfolgte nicht. Ari ben Kanaan war durch und durch Soldat. Die Juden in Hamischmar und einem halben Dutzend anderer Neusiedlungen, die gleichfalls an strategisch wichtigen Punkten errichtet waren, hielten stand. Die neue Taktik beeintrachtigte zwar die Revolte des Mufti, konnte sie aber nicht unterbinden.

In dieses Durcheinander kam ein englischer Major namens P. P. Malcolm.

Major P. P. Malcolm war bei Ausbruch der Revolte des Mufti zum Intelligence Service in Jerusalem versetzt worden. Er war ein Einzelganger. P. P. gab wenig auf sein Au?eres und nichts auf militarische Tradition. Er hielt Formlichkeit fur etwas Lacherliches. Er konnte seine Ansichten unverhohlen und notfalls mit gro?ter Scharfe au?ern, aber er konnte auch tagelang tief in Gedanken versinken; dann kam es vor, da? er sich weder rasierte noch kammte. Er hatte eine sehr scharfe Zunge und verfehlte nie, seine Umgebung zu schockieren. Er war exzentrisch und galt bei den anderen Offizieren als ausgefallene Type. Er war gro? und hager, hatte ein knochiges Gesicht und hinkte leicht. Alles in allem war er genauso, wie ein englischer Offizier nicht sein sollte.

Als Malcolm nach Palastina kam, sympathisierte er mit den Arabern, weil das fur einen britischen Offizier zum guten Ton gehorte. Doch diese Sympathien dauerten nicht lange. Innerhalb kurzer Zeit war aus P. P. Malcolm ein fanatischer Zionist geworden. Wie die meisten Christen, die sich fur den Zionismus begeistern, war auch P. P. Malcolm ein wesentlich entschiedenerer und fanatischerer Anhanger dieser Idee als irgendein Jude. Er lernte bei einem Rabbi Hebraisch und verbrachte jede freie Minute damit, die Bibel zu lesen. Er war davon uberzeugt, da? es

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