Bevor sie losgegangen waren, hatte Major Malcolm einen von ihnen niesen gehort. Der Betreffende durfte nicht mitkommen. Jeder, der das Tempo nicht durchhielt, sollte windelweich geschlagen werden.

Als sie in der Nahe ihres Zieles angekommen waren, ging Malcolm allein voraus, um den Ort zu erkunden. Nach einer halben Stunde kam er zuruck.

»Sie haben, wie ich es vermutet hatte, keine Wachen ausgestellt. Wir werden es also folgenderma?en machen.« Er skizzierte mit raschen Strichen einen Lageplan und zeichnete die drei oder vier Hutten ein, von denen er vermutete, da? sie den Schmugglern als Unterkunft dienten. »Ich gehe mit drei von euch Burschen in die Ortschaft, wir eroffnen auf kurze Entfernung das Feuer und werfen ihnen ein paar Handgranaten in die Bude, um die Bande ein bi?chen aufzupulvern. Alle werden in wilder Flucht davonsturzen. Ich werde sie mit meiner Gruppe hierher an das Ende der Ortschaft treiben, wo Sie, Ben Kanaan, mit dem Rest der Leute im Hinterhalt liegen. Sehen Sie zu, da? Sie ein paar Gefangene machen, denn die Gegend hier ist offensichtlich von heimlichen Waffendepots voll.«

»Ihr Plan ist unsinnig«, sagte Ari. »Das klappt nicht.«

»Dann schlage ich Ihnen vor, da? Sie sich auf den Ruckweg nach Palastina begeben«, sagte Malcolm.

Das war das erste- und letztemal, da? Ari die Richtigkeit irgendeiner Ma?nahme von P. P. Malcolm anzweifelte.

Malcolms Plan wurde ausgefuhrt. Der Major ging mit einem aus vier Mann bestehenden Kommando dicht an das vermutliche gegnerische Hauptquartier heran. Vier Handgranaten flogen in die Eingange der Hutten, und sofort danach wurde das Gewehrfeuer eroffnet. Genau wie Malcolm es vorhergesagt hatte, entstand eine Panik. Kaltblutig trieb er die Strauchdiebe Ari direkt in die Arme. Innerhalb von zehn Minuten war alles vorbei.

Zwei Gefangene, die Aris Gruppe gemacht hatte, wurden dem Major vorgefuhrt.

»Wo habt ihr eure Waffen versteckt?« fragte er den ersten auf Arabisch. Der Araber zog die Schultern hoch.

Malcolm schlug dem Mann ins Gesicht und wiederholte seine Frage. Diesmal beteuerte der Araber bei Allah seine Unschuld. Malcolm nahm in aller Ruhe seine Pistole heraus und scho? dem Araber durch den Kopf. Dann wandte er sich an den zweiten Gefangenen. »Wo habt ihr eure Waffen versteckt?« fragte er ihn. Der zweite Araber beeilte sich, die genaue Lage der Waffenlager zu verraten.

»Ihr Sohne und Tochter Judaas habt heute nacht eine ganze Menge wichtiger Dinge gelernt«, sagte Malcolm. »Ich werde es euch morgen im einzelnen noch genauer erklaren. Fur jetzt nur soviel: man soll sich nie brutaler Mittel bedienen, um etwas in Erfahrung zu bringen, sondern immer auf dem kurzesten Weg zur Sache kommen.«

Die Nachricht von Malcolms erfolgreichem Sto?truppunternehmen machte auf alle Leute in Palastina sehr gro?en Eindruck. Allerdings wirkte es auf die verschiedenen Leute sehr verschieden. Fur die Juden war es ein Ereignis von historischer Bedeutung. Zum allererstenmal waren die Juden aus ihren Siedlungen herausgegangen, um einen Angriff zu unternehmen. Viele meinten, das hatte schon viel fruher geschehen sollen.

Bei den Englandern loste die Nachricht einen Aufruhr aus. Die meisten waren der Meinung, P. P. Malcolm sei sofort zu entfernen. General Charles war sich nicht ganz so sicher. Die britischen Methoden der Kriegfuhrung gegen die Araber waren hochst mangelhaft, und General Charles hatte den Eindruck, da? Malcolm der Losung dieses schwierigen Problems sehr viel naher war.

Fur die Soldner des Mufti und die muselmanischen Fanatiker war es ein Tag bitterer Ernuchterung. Sie konnten nicht mehr unbehindert durch das Land ziehen und je nach Lust und Laune irgendwo angreifen, ohne mit Vergeltungsma?nahmen rechnen zu mussen. Ari und P. P. Malcolm begaben sich mit wachsendem Erfolg auf ein Dutzend weiterer Kommandounternehmungen weit hinter der libanesischen Grenze. Die Rauberbanden, die Heckenschutzen und Waffenschmuggler und die Soldner des Generalissimo Kawuky wurden aus ihrer selbstgefalligen Ruhe aufgescheucht. Durch das rasche und erbarmungslose Zuschlagen der Hagana wurde ihre Tatigkeit sowohl unsicher als auch unrentabel. Der Mufti setzte auf den Kopf von P. P. Malcolm einen Preis von tausend englischen Pfund aus.

Nachdem es Malcolm und seinen jungen Hagana-Soldaten gelungen war, am Teggart-Wall in der Umgebung von Hamischmar die Ruhe herzustellen, verlegte er sein Hauptquartier nach dem Kibbuz Ejn Or. Er forderte bei der Hagana einhundertundfunfzig ihrer besten Soldaten an; besonderen Wert legte er auf Ari ben Kanaan, auf den er gro?e Stucke hielt. In Ejn Or stellte Malcolm seine KommandoEinheit auf. Als die hundertfunfzig Soldaten, die aus allen judischen Siedlungen Palastinas ausgesucht waren, sich in Ejn Or versammelt hatten, begab sich Major Malcolm mit ihnen auf einen langen Marsch zum Berge Gilboa, der historischen Grabstatte des gro?en hebraischen Richters und Kriegers Gideon, den Malcolm besonders verehrte. An Gideons Grab trat er vor seine versammelte Mannschaft, offnete seine Bibel und las auf Hebraisch:

»Also kam Gideon und hundert Mann mit ihm vor das Lager, zu Anfang der mittelsten Nachtwache, da sie eben die Wachter aufgestellt hatten, und bliesen mit Posaunen, und zerschlugen die Kruge in ihren Handen.

Also bliesen alle drei Haufen mit Posaunen, und zerbrachen die Kruge. Sie hielten aber die Fackeln in ihrer linken Hand und die Posaunen in ihrer rechten Hand, da? sie bliesen, und riefen: Hie Schwert des Herrn und Gideons!

Und ein jeglicher stund auf seinem Ort um das Lager her. Da ward das ganze Heer laufend, und schrien, und flohen.«

Malcolm klappte die Bibel zu. Dann schritt er vor der Front auf und ab, die Hande auf dem Rucken und den Blick wie in weite Ferne gerichtet. »Gideon war ein kluger Mann«, sagte er. »Gideon wu?te, da? die Midianiter unwissende und aberglaubische Leute waren. Gideon wu?te, da? er sich ihre primitiven Angste zunutze machen konnte, da? sie das Dunkel der Nacht furchteten und da? man sie durch lauten Larm erschrecken konnte. Gideon wu?te es — und wir wissen es auch.«

Die Araber konnten nie wissen, wo oder wann Malcolms Leute das nachstemal zuschlagen wurden. Ihr altes zuverlassiges SpionageSystem funktionierte gegenuber dieser neuen Truppe einfach nicht mehr. Manchmal schickte Malcolm drei verschiedene Kommandos in verschiedene Richtungen los, um den Gegner zu verwirren. Er marschierte mit seinen Mannern an einem arabischen Dorf vorbei, kam auf einem Umweg im Laufschritt zuruck und schlug zu. Er lie? eine Wagenkolonne eine Stra?e entlangfahren und die Manner einzeln von den Wagen springen. Tagsuber lagen sie unsichtbar verborgen in den Graben am Rande der Stra?e und versammelten sich, sobald es dunkel geworden war. Jeder Angriff erfolgte mit so lautem Geschrei, da? der Feind glaubte, tausend Mann wurden angreifen. So gelang es Malcolm jedesmal, beim Gegner Panik hervorzurufen.

Gleich allen anderen Angehorigen der Kommandotruppe wurde auch Ari ben Kanaan ein begeisterter Schuler des exzentrischen Englanders. Er begleitete Malcolm bei rund einem Hundert nachtlicher Gange gegen den Feind, und nicht ein einzigesmal unterlief Malcolm ein Irrtum. Er verlangte eiserne Disziplin, blinde Ergebenheit und fanatischen Einsatz als Gegenleistung dafur, da? er seine Leute von Sieg zu Sieg fuhrte.

Malcolms Kommando-Einheit erzeugte bei den Arabern eine Furcht, die sogar noch gro?er war als die Furcht vor dem Klan der Husseinis. Mit seinen hundertfunfzig Mann vernichtete er die Rebellion. Die Marodeure suchten das Weite, und Kawukys grandiose Befreiungsarmee zog sich eiligst in den Libanon zuruck. In seiner Verzweiflung richtete der Mufti seine Wut auf die Olleitung, die von den Erdolfeldern des Mossul-Gebietes nach Haifa fuhrte. »Zwanzigtausend dieser sturen Englander waren nicht in der Lage, diese Olleitung zu sichern«, sagte Malcolm. »Wir werden es mit unseren hundertfunfzig Mann machen. Unsere Methode ist sehr einfach. Jedesmal, wenn die Leitung irgendwo zerstort wird, werden wir das Araberdorf, das dieser Stelle am nachsten gelegen ist, angreifen und dem Erdboden gleichmachen. Das wird die arabischen Ortschaften dazu veranlassen, die Leitung in ihrem eigenen Interesse gegen Saboteure zu schutzen, und es wird eine Warnung fur sie sein, diese Strauchdiebe bei sich aufzunehmen. Vergeltung — merkt euch das, denn die Juden sind zahlenma?ig unterlegen. Wir mussen uns des Prinzips der Vergeltung bedienen.«

Jedesmal, wenn die Araber irgend etwas unternahmen, bekamen sie es sofort heimgezahlt. Vergeltung wurde von jetzt an zum Losungswort der judischen Verteidigung.

Die arabische Revolte flackerte noch eine Weile, dann erlosch sie. Sie war ein jammerlicher und sehr kostspieliger Fehlschlag gewesen. Die Araber hatten ihr ganzes stattliches Vermogen verpulvert und ihre hervorragendsten Manner geopfert. Drei Jahre der Unruhe und des Blutvergie?ens hatten sie an den Rand des Zusammenbruchs gebracht. Und in der ganzen Zeit hatten sie die Juden nicht aus einer einzigen der bereits bestehenden Siedlungen vertrieben; ebensowenig hatten sie verhindern konnen, da? rund funfzig neue Siedlungen entstanden.

Als der Aufstand der Araber kurz vor dem Zusammenbruch stand, machte Whitehall bei der britischen

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