Verwaltung im Mandatsgebiet reinen Tisch. Major P. P. Malcolm wurde abkommandiert und mu?te Palastina verlassen. Wenn er weiterhin mit den Juden gemeinsame Sache machte, konnte das den Englandern nur Schwierigkeiten bereiten.
Es brach Malcolm das Herz, als er von seiner judischen Truppe Abschied nehmen mu?te. Doch die Juden, die er ausgebildet hatte, bildeten den Kern fur eine kunftige judische Armee, und seine gro?artigen taktischen Lehren waren ihre militarische Bibel. Nachdem die Kommando-Einheit aufgelost worden war, kehrte Ari ben Kanaan nach Yad El zuruck. Doch sein Herz schien noch immer auf einem einsamen Berg an der libanesischen Grenze zu sein, wo Dafna begraben lag, zusammen mit zwanzig anderen Mannern und Frauen der Hagana, die ihr Leben fur Hamischmar gelassen hatten. Da die Situation ruhig und die Verhaltnisse sicherer geworden waren, ging Taha, der die ganze Zeit uber in Yad El bei der Familie Ben Kanaan gelebt hatte, wieder nach Abu Yesha, um das Amt des Muktar zu ubernehmen. Barak und Sara erkannten deutlich, da? sich Taha in den achtzehn Monaten, die er bei ihnen verbracht hatte, in die dreizehnjahrige Jordana verliebt hatte. Die Liebe zu einem Madchen dieses Alters war bei den Arabern nichts Ungewohnliches. Sowohl Barak als auch Sara sprachen nie daruber und hofften, da? der Junge ohne allzu gro?en Kummer daruber hinwegkommen wurde.
Eine neue britische Verwaltung unter dem Kommando von General Haven-Hurst kam nach Palastina. Kurz darauf holte man die Angehorigen der aufgelosten Kommando-Einheit zusammen, stellte sie vor Gericht und verurteilte sie zu Gefangnisstrafen von sechs Monaten bis zu funf Jahren. Die Anklage, die man gegen sie erhob, lautete: Illegaler Waffengebrauch!
Ari und hundert weitere Angehorige der Hagana von der Kommando-Einheit P. P. Malcolms wurden in das Gefangnis von Akko geworfen, das einem finsteren Kerker glich. Es war ein dusterer alter Bau mit dicken Mauern, feucht, verwanzt und voller Ratten. Ein gro?er Teil der Inhaftierten nahm die Sache mit viel Humor. Die eingesperrten Hagana-Leute brachten die englischen Wachtposten zur Verzweiflung, indem sie von morgens bis abends Hagana-Marsche und Siedlerlieder sangen.
Im Fruhling 1939 wurde Ari entlassen. Bleich und hager kam er nach Yad El zuruck. Sara weinte in der Stille ihrer Kammer, nachdem sie ihn so wiedergesehen hatte. Was hatte das Leben ihrem Sohn von Jugend auf gegeben? Nichts als Ochsenziemer, ein Gewehr und tiefen Schmerz. Dafna war tot, und so viele seiner Kameraden waren gefallen. Wie lange sollte es noch so weitergehen?
Die Englander setzten wieder einmal einen Untersuchungsausschu? ein. Er stellte fest, da? an dem jahrelangen Blutvergie?en, hinter dem der Mufti als treibende Kraft stand, die judischen Einwanderer schuld waren.
XVII.
Whitehall und Chatham-House und Neville Chamberlain, englischer Premierminister und als Leisetreter bekannt, verblufften die Welt durch eine amtliche Verlautbarung. Am Vorabend des zweiten Weltkrieges gab die englische Regierung einen Beschlu? bekannt, der den verzweifelten Juden in Deutschland den Weg nach Palastina versperrte und den Juden in Palastina den Erwerb von Grund und Boden untersagte. Die Leisetreter von Munchen, die die Spanier und die Tschechen verraten und verkauft hatten, taten jetzt dasselbe mit den Juden in Palastina.
Die Makkabaer, die bis dahin mehr oder weniger passiv gewesen waren, wurden auf einmal hochst lebendig. Der englische Beschlu? fuhrte ihnen neue Mitglieder zu Hunderten zu. Die Makkabaer schlugen mit einer Reihe von Uberfallen zuruck, sprengten ein britisches Offizierskasino in Jerusalem in die Luft und verbreiteten unter den Arabern Angst und Schrecken. Sie sturmten ein britisches Arsenal und uberfielen mehrere Wagenkolonnen.
General Haven-Hurst machte die bisherige Politik der halben Zusammenarbeit mit den Juden in allen Teilen ruckgangig. Die von den Englandern aufgestellte judische Polizei wurde aufgelost; die Hagana wurde verboten und mu?te untertauchen. Fuhrende Manner des Jischuw-Zentralrats und weitere Angehorige der aufgelosten Kommando-Einheit wurden vor Gericht gestellt und ins Gefangnis geworfen.
Auch diesmal appellierte Ben Gurion an den Jischuw, die gleiche Besonnenheit und Zuruckhaltung an den Tag zu legen, die die Juden in Palastina bisher gezeigt hatten. Er distanzierte sich offentlich von den Terrormethoden. Barak ben Kanaan wurde nach London geschickt, um gemeinsam mit Chaim Weizmann und anderen Wortfuhrern des Zionismus zu versuchen, die Englander zu einer Anderung ihrer Haltung zu bewegen. Doch die Manner von Whitehall waren entschlossen, an dem eingeschlagenen Kurs festzuhalten, um die Araber nicht zu reizen.
In Palastina war der Klan der Husseinis wieder eifrig am Werk. Hadsch Amin war zwar immer noch im Exil, doch die ubrigen Angehorigen seines Klans hielten weiterhin die Opposition durch Meuchelmorde in Schach. Ein Neffe des Mufti, Gamal Husseini, rief den Gro?arabischen Aktionsausschu? wieder ins Leben.
In Deutschland befanden sich die Juden in einer verzweifelten Lage. Die Zionistische Organisation sah sich kaum einer zu meisternden Aufgabe gegenuber, weil jetzt auch diejenigen deutschen Juden, die sich zunachst nicht aus ihrer Ruhe hatten bringen lassen, in panischer Angst aus dem Lande hinauszukommen versuchten.
Die Englander machten es den Jischuw-Angehorigen, die ihnen durch ihre Tatigkeit in der Hagana und bei der illegalen Einwanderung bekannt waren, fast ebenso schwer, aus Palastina hinauszukommen, wie den deutschen Juden, nach Palastina hereinzukommen. Als Ari von Avidan den Befehl bekam, sich nach Berlin zu begeben, mu?te er bei Hamischmar schwarz uber die libanesische Grenze und zu Fu? nach Beirut gehen. Er reiste mit dem Pa? eines Juden, der vor kurzer Zeit als »Tourist« nach Palastina gekommen war. Von Beirut aus fuhr er per Schiff nach Marseille, und eine Woche spater erschien er in Berlin im Hauptquartier der Zionistischen Vereinigung, in der Meineckestra?e 10. Sein Auftrag lautete, soviel Juden wie moglich aus Deutschland hinauszuschaffen. Die Nazis holten aus dem Geschaft mit Ausreisegenehmigungen alles heraus, was nur herauszuholen war. Je verzweifelter die Juden wurden, desto hoher wurde der Preis, den sie fur ihre Freiheit bezahlen mu?ten. Viele Familien opferten ihr gesamtes Vermogen fur das Recht, aus Deutschland fliehen zu durfen. Visa wurden gefalscht und gestohlen. Ein Visum bedeutete Leben. Sehr bitter war es, da? nur wenige Lander der Welt die deutschen Juden aufnehmen wollten. Die meisten Lander machten ihnen die Tur vor der Nase zu. Wenn sie bereit waren, Einreisevisa zu erteilen, dann nur unter der stillschweigenden Bedingung, da? die Juden nicht wirklich in das betreffende Land einreisten.
Ari sah sich vor die Aufgabe gestellt, zu entscheiden, wer ein Visum bekommen sollte und wer nicht. Tag fur Tag kamen Leute zu ihm, die ihm drohten, ihn zu bestechen versuchten oder ihn verzweifelt anflehten, ihnen zu helfen. Nachdem die Zionisten funf Jahre lang die deutschen Juden vergeblich aufgefordert hatten, Deutschland zu verlassen, waren sie jetzt der Ansicht, da? in erster Linie die Kinder herausgebracht werden sollten, au?erdem wichtige Spezialisten, wissenschaftliche Kapazitaten und bedeutende Kunstler: die Elite. Es gelang Ari und der Aliyah Bet, Hunderte aus Deutschland hinauszuschmuggeln, doch diesen Hunderten standen Tausende gegenuber, die in der Falle sa?en.
In dem angsterfullten Sommer des Jahres 1939 arbeitete Ari Tag und Nacht. Mitte August bekam er von der Aliyah Bet in Frankreich die dringende Aufforderung, Deutschland sofort zu verlassen. Ari kummerte sich nicht darum und setzte seine Arbeit fort. Jeder Tag wurde zu einem Wettrennen mit dem Tod.
Dann erhielt er eine zweite Aufforderung. Diesmal kam sie von der Hagana und enthielt den Befehl zuruckzukommen. Ari nahm es auf seine Kappe, nochmals zweiundsiebzig Stunden weiterzuarbeiten, weil er gerade damit beschaftigt war, Ausreisegenehmigungen fur mehrere hundert Kinder zu beschaffen, die mit einem Sonderzug nach Danemark fahren sollten.
Es kam ein drittes Telegramm und ein viertes. Als der Zug mit den Kindern die danische Grenze uberquerte, machte sich Ari ben Kanaan seinerseits auf die Flucht. Er verlie? Deutschland achtundvierzig Stunden, bevor Hitlers Wehrmacht Polen uberrollte und den zweiten Weltkrieg einleitete.
Der Jischuw-Zentralrat war sich bei Kriegsausbruch sofort uber den einzuschlagenden Kurs klar. Ben Gurion richtete an die Juden in Palastina die Aufforderung, in die britische Armee einzutreten, um gegen den gemeinsamen Feind zu kampfen. Diese Aufforderung wurde noch durch die Hagana unterstutzt, die hierin eine Moglichkeit erblickte, judische Soldaten auf legale Weise auszubilden.
General Haven-Hurst, der Kommandeur der britischen Streitkrafte in Palastina, meldete beim britischen Kriegsministerium schwere Bedenken dagegen an, Palastina-Juden in die britische Wehrmacht aufzunehmen. »Wenn wir die Juden jetzt ausbilden und ihnen die Moglichkeit geben, Fronterfahrung zu gewinnen, dann setzen wir uns damit nur Lause in den Pelz, denn mit Sicherheit werden wir eines Tages gegen genau dieselben Juden zu kampfen haben.« Innerhalb einer Woche nach Ausbruch des Krieges hatten sich hundertdrei?igtausend Manner und Frauen — jeder vierte der Juden in Palastina — beim Jischuw-Zentralrat gemeldet, um als Freiwillige in die britische Armee einzutreten.
Die Araber dagegen warteten darauf, da? die Deutschen als ihre »Befreier« auch nach Palastina kamen.