Gottes Plan war, die Juden wieder zu einer Nation werden zu lassen. Er studierte sehr genau die Feldzuge, von denen die Bibel berichtet, und machte sich mit den Taktiken Josuas, Davids und Gideons vertraut, fur den er sich besonders begeisterte. Schlie?lich war er uberzeugt, da? seine Versetzung nach Palastina eine gottliche Fugung war. Er, P. P. Malcolm, war von Gott dazu ausersehen, die Kinder Israels auf dem Weg zu ihrem hohen Ziel anzufuhren.
Malcolm fuhr in einer alten Karre, die er billig beim Schrotthandler erworben hatte, kreuz und quer durch Palastina. Wo es keine Stra?en gab, hinkte er mit seinem schief eingeschraubten Bein zu Fu? durch das Land. Er besuchte jedes Schlachtfeld aus biblischer Zeit, um die taktischen Begebenheiten an Ort und Stelle zu rekonstruieren.
Die Leute wunderten sich oft, wieso man einen Mann wie Malcolm beim britischen Oberkommando duldete. General Charles, Kommandeur der Streitkrafte in Palastina, war sich ganz einfach daruber klar, da? Malcolm ein Genie war, einer dieser seltenen Rebellen mit vollig eigener Meinung, die es auch unter den Militars gelegentlich einmal gab. Malcolm fand die englischen Handbucher uber Kriegfuhrung zum Lachen, hatte fur die darin vertretenen strategischen Ansichten nur Verachtung ubrig und hielt die gesamte englische Armee gro?tenteils fur glatte Geldverschwendung.
Eines Abends lie? P. P. Malcolm seinen Wagen stehen, als gleich zwei Reifen auf einmal keine Luft mehr hatten, und ging zu Fu? auf der Stra?e nach Yad El weiter. Als er die au?ere Verteidigungslinie uberschritt, kamen ein halbes Dutzend Posten auf ihn zu. Er lachelte, winkte mit der Hand und rief: »Gut gemacht, Jungs! Aber jetzt seid so nett und bringt mich zu Barak ben Kanaan.«
Malcolm ging aufgeregt in Baraks Wohnzimmer hin und her. Sein
Au?eres war noch starker vernachlassigt als sonst. Eine geschlagene Stunde lang hielt er Barak ben Kanaan einen Vortrag uber die Gro?e des Zionismus und den geschichtlichen Auftrag der hebraischen Nation. Schlie?lich sagte er: »Und jetzt sollen Sie horen, Ben Kanaan, was mich zu Ihnen gefuhrt hat. Ich werde die Hagana ubernehmen und daraus eine erstklassige Truppe machen. Ihr habt da das beste Rohmaterial, das mir jemals vor die Augen gekommen ist.« Barak blieb der Mund offen.
Malcolm sah zum Fenster hinaus. Er sah die Wasserspruher, die sich auf den Feldern drehten, und in der Ferne konnte er Abu Yesha sehen, das unterhalb von Fort Esther am Hang lag.
»Sehen Sie sich dieses Fort da oben an — Esther, wie ihr es nennt — ich nenne es Fort Sturheit. Die Araber brauchen weiter nichts zu tun, als einen Bogen darum zu machen. Die Englander werden das nie lernen.«
»Major Malcolm«, sagte Barak, »wollen Sie mir nicht verraten, was mir die Ehre Ihres Besuches verschafft?«
»Es ist allgemein bekannt, da? Barak ben Kanaan gerecht und unparteiisch ist«, sagte Malcolm. »Offen gestanden, die meisten Juden reden zuviel. In meiner judischen Armee werden sie keine zehn Worte zu sagen haben. Das Reden besorge ich ganz allein.« »Davon haben Sie mich bereits durchaus uberzeugt«, sagte Barak. »Hm«, brummte Malcolm und sah weiter zum Fenster hinaus. Dann drehte er sich plotzlich herum, und in seinen Augen brannte die gleiche Intensitat, wie sie Barak oft bei seinem Bruder Akiba gesehen hatte.
»Kampfen!« rief Malcolm. »Das ist es, was wir tun mussen — kampfen! Es geht um die judische Nation, Ben Kanaan, um den Gehorsam gegenuber der Vorsehung!«
»Ich bin da mit Ihnen durchaus einer Meinung; man braucht mich darauf nicht erst aufmerksam zu machen.«
»Doch, darauf mu? man Sie aufmerksam machen — euch alle mu? man darauf aufmerksam machen — solange ihr euch in euren Siedlungen verschanzt und darin bleibt. Wir mussen zu diesen Unglaubigen hingehen und sie zuchtigen! Wenn ein Araber aus seinem Kaffeehaus herauskommt und aus einer Entfernung von tausend Metern blindlings einen Schu? auf eine judische Siedlung abgibt, dann halt er sich fur einen tapferen Mann. Es ist an der Zeit, diesen finsteren Heiden auf den Zahn zu fuhlen. Hebraer, das ist es, was ich brauche, hebraische Soldaten! Arrangieren Sie sofort, da? ich mit Avidan sprechen kann. Die Englander sind zu dumm, um meine Methoden zu begreifen.«
So plotzlich, wie dieser seltsame Mann in Yad El erschienen war, war er auch wieder verschwunden. P. P. Malcolm hinkte zum Tor hinaus, laut einen Psalm singend. Barak ben Kanaan sah ihm nach, strich sich uber seinen Bart und schuttelte den Kopf.
Etwas spater rief er Avidan an. Sie sprachen Jiddisch miteinander, fur den Fall, da? die Leitung angezapft war.
»Wer ist dieser Mann?« fragte Barak. »Er kam herein wie der Messias und fing an, mir eine Predigt uber den Zionismus zu halten.«
»Wir haben Berichte uber ihn bei uns vorliegen«, sagte Avidan. »Ich mu? Ihnen gestehen, der Mann ist so sonderbar, da? wir nicht wissen, was wir von ihm halten sollen.«
»Ist er vertrauenswurdig?«
»Wir wissen es nicht.«
Major P. P. Malcolm verbrachte jetzt seine ganze freie Zeit mit Juden. Er au?erte unumwunden, die englischen Offiziere seien dumm und langweilig. Innerhalb weniger Monate war er bei allen Angehorigen des Jischuw eine bekannte Figur. Obgleich er in den hochsten Kreisen verkehrte, behandelten ihn die fuhrenden Manner meist wie einen harmlosen Exzentriker. Man fand ihn sehr nett und nannte ihn »unseren verruckten Englander«.
Doch es stellte sich bald heraus, da? P. P. Malcolm keineswegs verruckt war. Bei Diskussionen im kleinen Kreis entfaltete er eine unerhorte Uberredungsgabe. Mitglieder des Zentralrates, die bei ihm gewesen waren, gingen nach Haus und waren uberzeugt, da? Malcolm sie verhext habe.
Nachdem Malcolm fast sechs Monate lang mit irgendwelchen Ausreden hingehalten worden war, erschien er eines Tages unangemeldet in Ben Gurions Buro im Gebaude des Jischuw-Zentralrats in Jerusalem.
»Horen Sie mal, Ben Gurion«, sagte er bissig, »Sie sind ein verdammter Idiot. Sie verschwenden Ihre ganze Zeit damit, sich mit Ihren Feinden zu unterhalten, und fur einen Freund haben Sie keine funf Minuten ubrig.«
Damit machte er auf dem Absatz kehrt und ging wieder hinaus.
Dann lie? sich Malcolm bei General Charles melden, dem Kommandeur der britischen Streitkrafte in Palastina. Er trug dem General seine Ansichten vor und versuchte ihn dafur zu gewinnen.
Er wollte einige seiner Theorien uber die Kriegfuhrung gegen die Araber unter Verwendung judischer Truppen erproben. General Charles war, wie die meisten Offiziere seines Stabes, proarabisch eingestellt; doch die Rebellion des Mufti fing allmahlich an, zu einer Blamage fur ihn zu werden. Die Englander hatten gegenuber den Arabern so klaglich versagt, da? der General beschlo?, Malcolm freie Hand zu lassen.
Malcolm kreuzte mit seinem Klapperkasten in Hamischmar auf. Posten der Wache nahmen ihn in Empfang und fuhrten ihn den Hang hinauf zu Ari. Der stammige Anfuhrer der Hagana musterte verwundert den durren Englander, der da plotzlich vor ihm stand. Malcolm klopfte ihm auf die Schulter.
»Sie scheinen ein ordentlicher Junge zu sein«, sagte er. »Horen Sie auf meine Worte, befolgen Sie meine Befehle, geben Sie auf meine Handlungen acht, und ich mache aus Ihnen einen erstklassigen Soldaten. So, und jetzt zeigen Sie mir mal Ihr Lager und Ihre Stellungen.«
Ari war vollig verblufft. Auf Grund eines gegenseitigen Abkommens hatten sich die Englander bisher in Hamischmar nicht sehen lassen und Aris Patrouillen nicht zur Kenntnis genommen. Dennoch war es naturlich ihr gutes Recht, Hamischmar zu inspizieren, Major Malcolm nahm Aris Mi?trauen und seinen offensichtlichen Versuch, ihm nur einen Teil der Stellungen zu zeigen, uberhaupt nicht zur Kenntnis.
»Wo ist Ihr Zelt, mein Sohn?« fragte er schlie?lich. In Aris Zelt streckte sich P. P. Malcolm auf dem Feldbett aus und dachte nach. »Was wollen Sie eigentlich hier?« fragte Ari.
»Geben Sie mir eine Karte, mein Sohn«, sagte Malcolm, ohne Aris Frage zu beantworten. Ari gab ihm die Karte, P. P. Malcolm setzte sich auf den Rand der Koje, entfaltete die Karte und strich sich uber seine Bartstoppeln. »Wo ist die Hauptabsprungbasis der Araber?«
Ari zeigte mit dem Finger auf eine kleine Ortschaft rund funfzehn Kilometer jenseits der libanesischen Grenze.
»Wir werden diese Basis heute nach vernichten«, sagte Malcolm kurz und schlicht.
In dieser Nacht ging unter der Fuhrung von Malcolm ein Kommandotrupp, bestehend aus acht Mannern und zwei Frauen, von Hamischmar aus uber die libanesische Grenze. Die Juden waren ba? erstaunt, in was fur einem Tempo und mit welcher Ausdauer dieser Mann mit dem gebrechlichen Korper sie uber die steilen Hange und durch die Windungen der Berge fuhrte. Er blieb nicht ein einziges Mal stehen, um auszuruhen oder sich zu orientieren.