Da fangt Nick zu schluchzen an. Philip, der nicht mehr weiterwei?, fallt auf die Knie.

Wahrend Nick laut weint, starrt sein Freund auf das frische Grab, als ob er von dort eine Antwort erhoffte.

Falls es je Zweifel daruber gegeben hat, wer in der Truppe das Sagen hat – was nie der Fall war –, so ist es jetzt klarer als je zuvor, dass es Philip ist.

Sie verbringen den Rest des Tages mit Packen. Philip gibt einsilbig Befehle. Seine Stimme klingt heiser vor Stress. »Nehmt die Werkzeugkiste«, knurrt er. »Batterien fur die Taschenlampen« und »Vergesst die Munition nicht.« Dann noch: »Wir brauchen auch Extradecken.«

Nick uberlegt, ob es nicht besser ware, wenn sie ein zweites Auto mitnehmen wurden.

Obwohl die meisten Wagen in der Stra?e nur darauf zu warten scheinen, gefahren zu werden – alles sind neue Luxusmodelle mit steckenden Zundschlusseln –, gefallt Brian die Idee, dass sich die bereits dezimierte Truppe weiter aufteilt, ganz und gar nicht. Vielleicht hangt er jetzt auch noch mehr an seinem Bruder – diesem Zentrum der Schwerkraft.

Sie entscheiden sich also, den Chevy Suburban zu behalten. Das Ding ist schlie?lich fast wie ein Panzer.

Genau so etwas brauchen sie, um nach Atlanta zu gelangen.

Brian Blake, dessen Erkaltung sich mittlerweile in der Lunge festgesetzt und sein Atmen zu einem asthmatischen Keuchen verwandelt hat, konzentriert sich auf die Arbeit. Er packt drei gro?e Kuhlboxen mit Essen: geraucherter Schinken und Aufschnitt, Kase, Saft, Joghurt, Limo und Mayonnaise. Brot, Minisalamis, Pulverkaffee, Wasser, Musliriegel, Vitaminkapseln, Papierteller und Plastikbesteck: Alles kommt in einen Karton. Dazu noch eine Auswahl scharfer Kuchenmesser: Hackbeil, Sagemesser und Ausbeinmesser – fur den Fall, dass sie die eine oder andere Begegnung mit weiteren Monstern haben sollten.

In eine andere Kiste legt er Klopapier, Seife, Handtucher und kleine Lappen. Dann wuhlt er sich durch den Medizinschrank und nimmt ausreichend Hustensaft, Schlaftabletten und Schmerzmittel mit. Plotzlich kommt ihm eine Idee. Da gibt es etwas, was er noch unbedingt machen muss.

Im Keller findet er einen Eimer mit roter Farbe und zwei breite Pinsel. Daneben liegt ein gro?es Stuck Sperrholz. Rasch schreibt er eine Nachricht auf das Holz. Funf Worter in gro?en Buchstaben – gro? genug, damit man sie von einem vorbeifahrenden Wagen aus lesen kann. Dann nagelt er zwei kurze Holzstecken an das Schild.

Er nimmt es mit nach oben und zeigt es seinem Bruder. »Das hier sollten wir an die Barrikade stellen«, schlagt er vor.

Philip zuckt nur mit den Schultern.

Sie warten auf die Dunkelheit, bevor sie aufbrechen. Punkt neunzehn Uhr, als die kalte, metallisch wirkende Sonne hinter den Dachern verschwindet, beladen sie den SUV. Hastig bilden sie eine Kette von der Haustur bis zum Wagen, wahrend sich die Zombies noch immer vor der Barrikade scharen.

Au?er den Axten, die sie von Anfang an dabeihatten, kommen jetzt noch Pickel, Schaufeln, kleine Axte, Sagen und Klingen aus dem Gerateschuppen im Garten dazu. Zudem packen sie Stricke, Drahte, Fackeln, weitere Mantel, Schneestiefel und Feueranzunder sowie einen Schlauch zum Absaugen und so viel Benzinkanister ein, wie sie in den Kofferraum bekommen konnen.

Der Tank des SUV ist voll. Philip hat sechzig Liter von einer Limousine aus der Garage des Nachbarhauses abgezapft, schlie?lich kann keiner wissen, ob man an den Tankstellen uberhaupt noch Treibstoff kriegt.

Wahrend der vergangenen vier Tage hat Philip die Sportgewehre in den angrenzenden Hausern genau unter die Lupe genommen. Die Leute hier lieben es offenbar, Enten zu schie?en. Sie warten in ihren geheizten Verstecken, bis die ahnungslosen Tiere an ihnen vorbeifliegen, sodass sie ihre Prazisionsgewehre benutzen und die Beute danach von ihren reinrassigen Jagdhunden apportieren lassen konnen.

Philips Vater ist es noch auf die althergebrachte Art gewohnt gewesen: in Gummistiefeln, beim Licht des Mondes und aus einem geschickten Hinterhalt heraus.

Philip schnappt sich drei Gewehre und verstaut sie in den dafur vorgesehenen Plastiktaschen im Auto – eine Winchester Magnum Ringfire, Kaliber zweiundzwanzig, und zwei Gewehre Marlin 55. Insbesondere die Marlins konnten sich als nutzlich erweisen. Man nennt sie auch Gans-Gewehre. Sie sind speziell fur hoch fliegende Zugvogel entwickelt worden und sehr schnell, prazise und treffsicher … In diesem Fall wurden sie allerdings etwas zweckentfremdet, denn schlie?lich geht es um menschliche Schadel, die aus circa einhundert Metern Entfernung getroffen werden mussen.

Als sie mit dem Einpacken fertig sind, ist beinahe eine Stunde vergangen. Penny sitzt in einem Daunenmantel in der Mitte der Sitzbank. Neben ihr der Pinguin. Sie wirkt aufgeregt, obwohl ihr Gesichtsausdruck einen muden, erschopften Eindruck macht – beinahe so, als ob sie krank ware und zum Kinderarzt musste.

Die Turen offnen sich und schlie?en sich wieder. Philip klettert auf den Fahrersitz, Nick setzt sich neben ihn. Brian macht es sich neben Penny auf der Mittelbank bequem. Das Schild steht zu seinen Fu?en und druckt auf seine Knie.

Philip dreht den Zundschlussel, und das Aufheulen des Motors hallt schrill durch die Stille. Die Untoten auf der anderen Seite der Barrikade horchen auf.

»Bringen wir es hinter uns«, murmelt Philip und legt den Ruckwartsgang ein. »Haltet euch fest!«

Er gibt Gas, und die Reifen des Allradantriebs beginnen zu greifen.

Alle werden leicht nach vorne geschleudert, wahrend der SUV nach hinten schie?t.

Im Ruckspiegel sieht man, wie die schwachste Stelle im Zaun auf sie zurast, bis … KRACH! Das Auto bricht durch die Planken aus Zedernholz und wird vom schwachen Licht der Stra?enlaternen in der Green Briar Lane erhellt.

Schon prallt der Wagen auf einen Untoten. Philip steigt aufs Gas und schaltet auf Drive. Der Zombie fliegt ein paar Meter durch die Luft und dreht sich zum Abschluss inmitten eines Regens aus Blut. Ein Teil seines vermodernden Arms bricht ab und rollt davon.

Der SUV schie?t zur Hauptstra?e und nimmt dabei drei weitere Zombies mit sich. Bei jedem Zusammensto? zuckt Penny schmerzhaft zusammen, bis sie die Augen schlie?t. Die dumpfen Erschutterungen sind im Inneren des Autos deutlich zu spuren – und die gelb rotlichen Spuren auf der Windschutzscheibe nicht zu ubersehen.

An der Kreuzung rei?t Philip das Lenkrad herum. Er kratzt mit quietschenden Reifen die Kurve, ehe er nordlich auf das Tor zur Siedlung zuhalt.

Wenige Minuten spater ruft er Brian einen Befehl zu. »Los! Mach schnell! Verdammt schnell!«

Er steigt erneut auf die Bremse. Zum Gluck sind alle angeschnallt. Der Wagen bleibt vor dem Eingangstor stehen. Im Scheinwerferlicht ist der mit Buschen gesaumte Kiesweg deutlich zu erkennen.

»Bin gleich wieder da!«, erklart Brian, ergreift das Schild und rei?t die Tur auf. »Lass den Motor laufen.«

»Beeil dich!«

Er steigt aus, das Schild in der Hand.

In der kalten Nachtluft eilt er uber den Kiesweg. Angespannt lauscht er in die Dunkelheit. Er hort das Schlurfen und Stohnen der Zombies. Sie sind bereits im Anmarsch.

Brian stellt das Schild rechts neben dem Tor auf, wo es durch keine Busche verdeckt wird, und lehnt es an die Mauer.

Dann druckt er die holzernen Beine in die weiche Erde, um dem Ganzen etwas Halt zu geben, ehe er zuruck zum Wagen sprintet. Er ist zufrieden, seinen Teil fur die Menschheit getan zu haben – oder was von ihr ubrig ist.

Ehe sie davonrasen, drehen sich alle noch einmal um – selbst Penny – und blicken zuruck. In der Ferne ist das Schild zu sehen. Darauf steht:

ALLE TOT!

NICHT BETRETEN!

Funf

Sie halten sich in westlicher Richtung, wobei sie nicht schneller als funfzig Stundenkilometer durch die Nacht fahren. Die vier Spuren der Interstate 20 sind mit zuruckgelassenen Autos ubersat. Die Stra?e fuhrt auf ein

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