Fensterscheibe. Man kann es kaum mehr als menschlich erkennen, derart schwarz und verbrannt ist seine Haut. »Brian, halt Penny die Augen zu.«

»VERDAMMT!« Nick duckt sich und halt die Hande uber den Kopf, als ob er einen Luftangriff erwarten wurde. »MIST! MIST! MIST!«

Philip zieht die geladene Ruger aus dem Handschuhfach.

Mit einer flie?enden Bewegung rei?t er sie mit der rechten Hand hoch, wahrend er mit der linken das elektrische Fenster herunterlasst. Der verkohlte Zombie streckt sofort einen versengten Arm ins Auto und sto?t ein kehliges Stohnen aus. Ehe er seine Finger um Nicks Genick legen kann, druckt Philip ab – ein einziger Schuss direkt in den Schadel.

Der Knall der Ruger hallt in dem Innenraum des SUV so laut wider, dass alle vor Schreck zusammenzucken. Der verkohlte Untote dreht sich einmal um die eigene Achse, Richtung Kuhlerhaube. Aus dem Einschussloch nur wenige Millimeter uber der linken Schlafe spritzen die Uberreste seines Gehirns auf die Windschutzscheibe.

Dann rutscht die Kreatur an der Au?enseite der Beifahrertur zu Boden und fallt auf die Stra?e. Der Aufprall auf dem Teer ist nach dem lauten Knall der Waffe kaum zu horen.

Selbstlader wie die Ruger sind vom Klang her unverwechselbar. Der Schuss ahnelt einem harten, scharfen Schlag, als ob ein Kantholz der Lange nach auf Beton aufkommt. Au?erdem springt die Waffe dem Schie?enden beinahe aus der Hand.

In dieser Nacht hallt der Schuss vom Wind getragen in der dunklen Landschaft wider, obwohl er im Inneren des Autos abgefeuert wurde.

Er ist laut und deutlich noch in eineinhalb Kilometern Entfernung zu horen, und sein Echo arbeitet sich durch die dichten Walder bis in die Horkanale der Schattenkreaturen, um die bereits toten zentralen Nervensysteme zu neuem, grausamem Leben zu erwecken.

»Alle in Ordnung?« Philip blickt sich um in dem dunklen Auto und legt die Pistole auf die mit Teppich verkleidete Ablage. »Alles senkrecht?«

Nick richtet sich langsam wieder auf, die Augen weit aufgerissen. Er starrt auf die Uberreste, die an der Windschutzscheibe kleben. Brian halt Penny in den Armen. Sie hat die Augen noch immer fest zu, wahrend sich ihr Onkel panisch umsieht. Er spaht durch jedes Fenster, um nach weiteren Untoten Ausschau zu halten.

Philip legt den Ruckwartsgang ein und gibt Gas. Gleichzeitig lasst er das Beifahrerfenster wieder hoch. Die Kopfe der Mitfahrenden schnellen nach vorne, als das Auto ruckwartsschie?t und sich funfundzwanzig Meter – funfzig Meter – funfundsiebzig Meter von dem brennenden Wrack des Tankwagens entfernt.

Dann tritt er auf die Bremse, und der Wagen halt.

Drau?en herrscht Stille. Auch im SUV sagt niemand ein Wort. Philip ist sich dennoch sicher, dass er nicht der Einzige ist, der sich fragt, ob diese drei?ig Kilometer lange Reise in die Stadt nicht wesentlich schwieriger werden wird, als sie ursprunglich angenommen haben.

Eine Weile sitzen sie da und debattieren, was sie als Nachstes machen sollen, wahrend der Wagen im Leerlauf brummt. Philip wird immer unruhiger. Er will nicht zu lang an einem Ort bleiben – ganz besonders nicht, wenn der Motor lauft und sie nutzlos Benzin und Zeit verschwenden, wahrend sich die Schatten hinter den brennenden Baumen auf unheimliche Art bewegen. Er tut sein Bestes, den gutmutigen Diktator in seiner kleinen Bananenrepublik zu geben.

»Hort zu. Ich finde immer noch, dass wir versuchen sollten, au?en herumzufahren.« Er weist mit dem Kopf nach Suden, wo es stockdunkel ist.

Auf dem Standstreifen der Gegenfahrbahn liegen uberall ausgebrannte Autowracks. Doch es gibt zwischen dem Schotter und den Baumen, welche die Interstate saumen, eine schmale Lucke, die etwas breiter als ihr SUV zu sein scheint. Der Regen und das Ol aus dem umgesturzten Tankwagen haben den festen Untergrund zu einem schmierigen Brei werden lassen. Aber ihr Auto ist gro?, schwer und hat breite Reifen. Philip hat es schon uber ganz andere Boden gejagt.

»Das ist zu steil, Philly«, gibt Nick zu bedenken und wischt die Blutspritzer, die ins Innere dringen, mit einem schmutzigen Handtuch von der Windschutzscheibe.

»Da muss ich zustimmen«, erklart auch Brian aus der Dunkelheit der Ruckbank, den Arm noch immer um Penny gelegt. Seine besorgte Miene wird ab und zu von den lodernden Flammen erhellt. »Ich bin dafur, dass wir zur Ausfahrt zuruckfahren.«

»Aber wir haben keine Ahnung, was uns da erwartet. Das konnte noch viel schlimmer sein.«

»Wissen wir aber nicht«, entgegnet Nick.

»Wir mussen auf jeden Fall weiter.«

»Aber was, wenn es in der Stadt noch morderischer zugeht? Bisher wird es ja auch immer schlimmer, je naher wir Atlanta kommen.«

»Es sind immerhin noch gute zwanzig Kilometer, und wir haben keine Ahnung, wie es in Atlanta zugeht.«

»Ich wei? nicht so recht, Philly.«

»Ich verrate dir was«, erklart Philip. »Ich schaue einfach mal nach.«

»Was soll das hei?en?«

Philip nimmt seine Pistole. »Ich gehe kurz raus und sondiere die Lage.«

»Einen Moment!«, ruft Brian. »Philip, mach keinen Mist. Wir mussen zusammenbleiben.«

»Ich will mir nur ein Bild von dem Boden machen, ehe wir probieren, da hindurchzufahren.«

»Daddy …« Penny will noch etwas sagen, uberlegt es sich dann aber anders.

»Ist schon okay, mein Schatz. Daddy ist gleich wieder zuruck.«

Brian starrt aus dem Fenster. Er ist ganz und gar nicht begeistert. »Wir haben abgemacht, dass wir uns nicht trennen wurden – komme, was wolle. Philip, uberlege es dir doch noch einmal.«

»Bin in zwei Minuten wieder da.« Philip offnet die Fahrertur und schiebt die Waffe hinten in seine Jeans.

Die kuhle Luft, das Gerausch des knisternden Feuers, der Geruch nach Ozon und der nach verbranntem Gummi dringen alle wie ein ungebetener Gast in den SUV. »Ruhrt euch nicht von der Stelle. Bin gleich wieder zuruck.«

Er steigt aus.

Die Tur fallt zu.

Brian lauscht auf das laute Pochen seines Herzens, wahrend Nick Wache schiebt. Er spaht durch die Fenster und vergewissert sich, dass ihre nachste Umgebung zombiefrei ist. Doch uberall sieht er tanzende, flackernde Schatten. Penny wirkt wie erstarrt. Sie scheint sich in sich selbst zuruckgezogen zu haben – wie eine Blute, wenn es dunkel wird.

»Er kommt gleich wieder, Kleines«, beruhigt Brian seine Nichte. Er leidet mit ihr. Das ist alles so falsch. Ein Kind sollte so etwas nicht ertragen mussen. Brian versteht sehr gut, wie Penny sich fuhlt. »Er ist ein starker Mann, dein Vater. Er schlagt jedes Monster, das ihm uber den Weg lauft. Das kannst du mir glauben.«

Nick dreht sich zu den beiden um. »Du kannst deinem Onkel glauben, meine Su?e. Er hat vollig recht. Dein Vater kann auf sich selbst aufpassen, nicht nur auf andere.«

»Ich habe mal gesehen, wie dein Vater einen tollwutigen Hund fing«, erzahlt Brian. »Damals war er neunzehn oder so, und es gab diesen Schaferhund, vor dem kein Kind in der Nachbarschaft sicher war.«

»Daran kann ich mich auch noch erinnern«, erklart Nick.

»Das Tier hatte schon Schaum im Maul, und dein Daddy ist ihm bis in ein trockenes Flussbett gefolgt, wo er es niedergerungen und in eine Mulltonne gesperrt hat.«

»Ich kann mich noch bestens daran erinnern«, wiederholt Nick. »Er hat den Hund mit blo?en Handen gepackt und ihn durch die Luft gewirbelt, ehe er die Tonne uber ihn gestulpt hat, als ware er nichts anderes als eine harmlose Fliege.«

Brian beugt sich zu Penny und streicht ihr behutsam eine Strahne aus dem Gesicht. »Ihm passiert garantiert nichts, mein Kind … Das kannst du mir glauben. Dein Daddy ist ein knallharter Muchacho.«

Drau?en sturzt ein brennendes Trummerstuck zu Boden. Der Larm schreckt alle auf, und Nick sieht Brian an. »He, Mann. Kannst du mal hinter dich in die lange Plastiktasche neben dem Reserverad greifen?«

Brian sieht Nick an. »Was willst du haben?«

»Eines von den Gewehren.«

Brian starrt Nick einen Moment lang an, ehe er nach hinten fasst – und die lange Tasche findet, die zwischen

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