»Noch mal!«, ruft Philip und druckt mit aller Gewalt gegen den Wagen.

Die Hinterreifen drehen sich erneut, ohne Bodenhaftung zu finden. Sie arbeiten sich noch tiefer in den Morast. Brian fliegt eine Ladung Schlamm ins Gesicht.

Hinter ihm nahern sich die Kreaturen durch eine Bank aus Nebel und Rauch auf funfzig Meter. Sie laufen mit der typisch langsamen, unbeholfenen Art uber die Scherben – fast wie eine Horde verletzter Eidechsen.

»Zuruck in den Wagen, Brian!« Philips Stimme klingt tonlos. »Jetzt!«

»Was ist?«

»Los.« Philip offnet die Heckklappe. Die Scharniere quietschen. Er durchsucht hastig im Kofferraum. »Jetzt keine Fragen.«

»Aber was ist mit …« Doch Brian bleiben die Worte im Hals stecken, als er mindestens ein Dutzend Schatten aus dem Augenwinkel erspaht, die auf sie zukommen und sie zu umzingeln drohen.

Sechs

Die Gestalten uberqueren den Mittelstreifen. Andere erscheinen hinter dem lodernden Haufen der Wracks, wieder andere wanken aus dem nahegelegenen Wald auf sie zu. Sie kommen in allen Formen und Gro?en, doch ihre Gesichter haben stets die Farbe von grauem Beton, und ihre Augen leuchten wie Murmeln im Licht der Flammen. Einige sind verbrannt, andere schlurfen in Fetzen daher, wieder andere taumeln im Sonntagsstaat auf das Auto zu, als waren sie gerade erst aus der Kirche gekommen. Die meisten schurzen die Lippen und machen den Eindruck, als ob sie einen unstillbaren Hunger hatten.

»Verdammt.« Brian tauscht einen Blick mit seinem Bruder aus. »Was hast du vor? Was willst du machen?«

»Beweg deinen Hintern ins Auto, Brian!«

»Verdammt … Verdammt!« Brian eilt zur hinteren Tur, offnet sie und springt neben Penny in den Wagen. Er rei?t die Tur zu und schlie?t ab. »Nick, verriegle die Turen.«

»Ich helfe Philip …« Nick greift nach seiner Marlin und offnet die Beifahrertur, als er innehalt. Philips entschlossene Stimme dringt durch die geoffnete Heckklappe ins Auto.

»Ich habe alles unter Kontrolle. Tu, was er sagt, Nick. Schlie? die Turen ab und geht in Deckung.«

»Es sind zu viele!« Nick ist bereits dabei auszusteigen. Er entsichert seine Waffe.

»Bleib im Wagen, Nick!«, warnt ihn Philip und schnappt sich zwei Axte, die er in einem Gartenschuppen in den Wiltshire Estates gefunden hat. Es sind zwei rasiermesserscharfe, identische und perfekt ausbalancierte Waffen. Warum hatte sich ein dickleibiger Reicher wohl zwei so feine Prachtstucke zugelegt, die er ohne Zweifel nie in die Hand nehmen wurde?

Wahrenddessen zieht Nick sein Bein wieder in den SUV, wirft die Tur ins Schloss und schlie?t ab. Dann dreht er sich zu Philip um. Seine Augen funkeln, die Waffe halt er noch in den Armen. »Was zum Teufel hast du vor, Philly?«

Er hort, wie Philip die Heckklappe zuschlagt.

Eine unheimliche Stille legt sich uber den Wagen.

Brian sieht Penny an. »Ich glaube, du solltest dich besser auf den Boden legen, Kleines.«

Ohne Widerrede folgt Penny seiner Anweisung und rollt sich auf dem Boden zusammen. Etwas an ihrer Art und ihrem Gesichtsausdruck, in ihren gro?en, runden Augen lasst vermuten, dass sie wei?, was vor sich geht. Und das zerrei?t Brian beinahe das Herz. Er streicht ihr ermutigend uber den Rucken. »Das schaffen wir schon. Alles wird gut.«

Er dreht sich um und schielt uber die Ruckbank und die Sachen im Kofferraum, um zu sehen, was drau?en passiert.

Philip, in jeder Hand eine gemeingefahrliche Prazisionsaxt, geht seelenruhig auf die immer gro?er werdende Menge von Zombies zu.

»Verdammt«, murmelt Brian leise.

»Was hat er vor?«, will Nick mit gepresster Stimme wissen. Er halt sich an seiner Marlin fest.

Brian antwortet nicht. Der furchtbare Anblick, der sich ihm durch die Heckscheibe bietet, verlangt seine gesamte Aufmerksamkeit.

Es ist nicht hubsch. Es ist auch nicht anmutig oder cool oder heldenhaft oder auch nur gut ausgefuhrt … Aber es fuhlt sich gut an. »Ich habe alles unter Kontrolle«, flustert sich Philip selbst zu, als er ausholt, um den ersten Zombie, einen dicken Mann in der Latzhose eines Farmers, zu erledigen.

Die rasierklingenscharfe Axt trennt ein Stuck Schadel in der Gro?e einer Pampelmuse ab und schickt eine Fontane fleischfarbener Masse gen Himmel. Der Zombie fallt zu Boden, doch Philip hat noch nicht genug. Ehe ihn der nachste erreicht, macht er sich uber den schlaffen Korper her und bearbeitet das tote Fleisch mit dem kalten Stahl in seinen Handen. »Die Rache ist mein. Ich will vergelten, spricht der HERR.« Blut und Gewebe spritzen in alle Richtungen, und es spruhen Funken, wenn sich die Axt durch den Korper grabt und mit voller Wucht auf dem Teer aufkommt.

»Ich habe alles unter Kontrolle, ich habe alles unter Kontrolle«, murmelt Philip weiter. Seine angestaute Wut und sein Schmerz stecken in jedem Hieb, den er austeilt. »Ich habe alles unter Kontrolle, ich habe alles unter Kontrolle …«

Jetzt kommen die anderen naher – ein schlaksiger junger Mann, von dessen Lippen schwarze Flussigkeit tropft, eine dicke Frau mit aufgedunsenem Gesicht, ein Kerl in einem blutbesudelten Anzug. Philip lasst von dem zerfetzen Leichnam auf dem Boden ab, um sich den Neuen zu widmen. Bei jedem Hieb knurrt er: »Ich habe alles unter Kontrolle.« Der nachste Schadel – ICH HABE ALLES UNTER KONTROLLE! – eine durchtrennte Halsschlagader – ICH HABE ALLES UNTER KONTROLLE! Seine Wut fahrt in den kalten Stahl und durchschneidet Knorpelgewebe, Knochen – ICH HABE ALLES UNTER KONTROLLE! Blut und Hirn spritzen durch die Luft und vernebeln seine Sicht. Er erinnert sich an die schaumende Schnauze und triefenden Lefzen, die sich auf ihn sturzten, als er noch ein Kind war. Wie Gott seine Ehefrau Sarah von ihm nahm und an die Monster, die ihm seinen Freund und Kumpel Bobby Marsh entrissen. ICH HABE ALLES UNTER KONTROLLE! – ICH HABE ALLES UNTER KONTROLLE!

Brian wendet sich von der Szene ab. Er hustet und merkt, wie sich ihm bei den furchterlichen Gerauschen, die bis ins Innere des Wagen vordringen, der Magen umdreht. Er unterdruckt sein starkes Bedurfnis, sich zu ubergeben, und streckt die Arme nach Penny aus, um ihr die Ohren zuzuhalten – eine Geste, die bedauerlicherweise zur Routine geworden ist.

Nick kann sich von dem Gemetzel, das hinter ihnen passiert, nicht abwenden. Brian mustert ihn aufmerksam und sieht eine merkwurdige Mischung aus Bewunderung und Abscheu in seiner Miene – eine Art Ehrfurcht, die zu sagen scheint: Zum Gluck ist er auf unserer Seite. Dieser Anblick schnurt ihm noch weiter die Kehle zu. Er muss sich zusammenrei?en – schon wegen Penny darf er sich nicht gehenlassen.

Brian lasst sich auf den Boden runter und druckt die Kleine fest an sich. Der Korper des Kindes fuhlt sich leblos und feucht an. Ihm schwindelt.

Sein Bruder bedeutet ihm alles. Er ist der Eckpfeiler in seinem Leben. Doch etwas passiert gerade mit Philip, etwas Furchterliches. Es beginnt auch Brian zu qualen. Wie lauten hier eigentlich die Regeln? Diese wandelnden Abscheulichkeiten verdienen jeden verdammten Hieb, den Philip ihnen verpasst … Aber wie lauten die Regeln in diesem grauenvollen Spiel?

Als Brian merkt, dass die furchtbaren Gerausche endlich verstummt sind, versucht er, diese Gedanken zu verdrangen. Schwere Tritte dringen an sein Ohr. Die Fahrertur wird geoffnet.

Philip Blake setzt sich in den SUV und legt die blutigen Axte auf den Boden zu Nicks Fu?en. »Da werden noch mehr kommen«, keucht er, das Gesicht feucht vor Schwei?. »Der Schuss hat sie geweckt.«

Nick spaht aus der Heckscheibe auf das Schlachtfeld und die Leichen, die vom prasselnden Feuer erhellt werden. Mit monotoner Stimme, in der eine Mischung aus Ehrfurcht und Abscheu mitschwingt, sagt er: »Home Run, Mann … Grand Slam Home Run!«

»Wir mussen hier weg«, drangt Philip und wischt sich den Schwei? von der Nase. Er holt tief Luft und blickt suchend in den Ruckspiegel. Nicks Worte scheint er uberhaupt nicht wahrzunehmen.

»Und jetzt, Philip?«, fragte Brian.

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