er sich mit einem erneuten wilden Schwung um die eigene Achse, und sogleich bohrte sich die Klinge seines Messers zwischen die Schulterblatter des gesturzten Angreifers und nagelte den rochelnden Mann am Fu?boden fest. Dann stellte sich Aurelius dem furchterlichsten Feind entgegen: Ihre Schwerter kreuzten sich mit ohrenbetaubendem Larm in einem Hagel grauenhafter Hiebe, so da? die Funken nur noch so stoben. Ihre beiden Schwerter hatten scharf geschliffene Schneiden, doch die Barenkrafte des Barbaren zerschellten an der Geschicklichkeit und Beweglichkeit des Romers.

Schon horte man die Schreie der immer naher kommenden Wachen, und Aurelius war klar, da? er sich auf die eine oder andere Weise von seinem Gegner befreien mu?te, weil er sonst in deren Hande fallen und einen grauenvollen Tod erleiden wurde. Die Schwerter verhakten sich zwischen den Oberkorpern der beiden Kampfer ineinander, und jeder versuchte, dem anderen die Kehle zu durchschneiden, und jeder druckte dem anderen mit der freien Hand den Puls ab. Und just in diesem Moment, aus dieser geringen Entfernung, starrten sie sich in die Augen, und Wulfila ri? die seinen vor plotzlichem Erstaunen weit auf. »Wer bist du?« rief er. »Ich habe dich schon einmal gesehen, Romer!«

Dem Barbaren hatte es genugt, Aurelius noch fur ein paar Sekunden festzuhalten, dann waren seine Kameraden gekommen, hatten den Kampf beendet und so die Frage beantwortet. Doch Aurelius befreite sich, indem er ihm mit dem Kopf einen gewaltigen Sto? ins Gesicht versetzte. Er trat zuruck, um einen Ausfall zu machen, rutschte aber auf dem Blut der niedergemetzelten Feinde aus und glitt zu Boden. Wulfila beugte sich uber ihn, um ihm den Todessto? zu versetzen, aber Romulus, der sich, wie gelahmt vor Schreck, bis zu diesem Augenblick krampfhaft an seine Mutter geklammert hatte, hatte in ihm den Morder seines Vaters wiedererkannt. Nun gab er sich plotzlich einen Ruck, ri? sich los und griff nach dem Schwert eines der gefallenen Soldaten, um sich damit auf Wulfila zu sturzen. Dieser wurde der Bedrohung aus dem Augenwinkel heraus gewahr und schleuderte seinen Dolch auf ihn, aber schon hatte sich Flavia nach vorn geworfen, um ihren Sohn zu schutzen, und so traf er sie mitten in die Brust. Romulus fing, von Entsetzen gepackt, an zu schreien, und Aurelius machte sich die momentane Unaufmerksamkeit des Gegners zunutze, um ihm einen Sto? zu versetzen. Wulfila drehte den Kopf nach hinten und entging so dem Tod, nicht aber einem gewaltigen Hieb, der ihm das Gesicht vom linken Ohr bis zur rechten Wange aufschlitzte. Er brullte vor Wut und Schmerz, schwang aber weiter das Schwert, wahrend Aurelius den Jungen von der Leiche seiner Mutter fortri? und ihn dieselbe Treppe hinunterzog, die zuvor seine Angreifer benutzt hatten.

Ambrosinus schickte sich an, ihnen zu folgen, aber als er einen gro?eren Trupp Wachsoldaten auftauchen sah, zog er sich schleunigst wieder in den Schatten des Bogens zuruck und verschwand durch die Tur. Nun befand er sich auf der langen, aus Marmor errichteten Empore, die auf das Mittelschiff der Basilika schaute; dieses wurde beherrscht von einem gro?en Mosaik in der Apsis mit dem Bild eines Pantokrators, das im schwachen Widerschein des Goldes kaum erkennbar war. Mit raschen Schritten stieg er bis zu den Brustungen hinab, durchquerte den Chorraum und die Sakristeien und bog dann in den schmalen Korridor ein, den man in den Hohlraum der Au?enmauer der Kirche gebaut hatte. Er uberlegte, wo wohl Aurelius hinausgeschlupft war, und stellte sich vor, wie er versucht hatte zu fliehen, und bei dem Gedanken bangte er um das Schicksal des Jungen, der einer todlichen Gefahr ausgesetzt war.

Aurelius war in der Tat nur noch eine einzige Fluchtmoglichkeit geblieben: der Weg, der durch die Bader des Palastes fuhrte. Er betrat einen gro?en Saal mit einem Tonnengewolbe, der von ein paar Ollampen nur sparlich erleuchtet wurde. In den Fu?boden war ein gro?es Becken eingelassen; es war mit Wasser gefullt, das infolge der Nachlassigkeit der neuen Herren schon ganz trub und mit einem Algenteppich bedeckt war. Aurelius versuchte, die Tur zu offnen, die auf die Stra?e fuhrte, aber sie war von au?en verschlossen. Dann wandte er sich an den Jungen: »Kannst du schwimmen?« Romulus nickte, wahrend er mit Widerwillen auf die ubelriechende Kloake starrte.

»Dann folge mir, wir mussen den Abflu?kanal, der mit dem Kanal drau?en verbunden ist, hinaufschwimmen. Nicht weit davon steht mein Pferd. Das Wasser wird gleich ganz schwarz und kalt werden, aber du kannst es schaffen, ich helfe dir. Nur zu, halt den Atem an, es geht los.«

Er stieg in das Becken und half Romulus, ihm zu folgen, dann tauchten beide ins Wasser, und Aurelius begann, den Abflu?kanal hinaufzuschwimmen. Schon bald beruhrte er mit den Handen das Schott, das das Bassin vom Zuflu?kanal trennte. Es war geschlossen. Er glaubte sich schon verloren und dachte, da? er es allein versuchen musse. Nur wenige Sekunden noch, und der Knabe wurde ertrinken: Er spurte durch das schwarze Wasser bereits das Zittern seiner verzweifelten Panik. Es gelang ihm, die Hande unter das Schott zu schieben, und er begann, es unter Aufbietung all seiner Krafte nach oben zu sto?en, bis er merkte, da? es sich langsam bewegte. Da packte er den Knaben auf gut Gluck und druckte ihn nach unten und hinuber auf die andere Seite; dann kroch er selbst durch die Offnung hindurch und lie? das Schott hinter sich wieder nach unten fallen. Kurz darauf tauchte er mit beinahe schon platzender Lunge neben Romulus wieder uber der Wasserflache auf. Der Junge klapperte vor Kalte mit den Zahnen und schien einer Ohnmacht nahe; aber er konnte ihn nicht allein im Wasser warten lassen, bis er mit dem Pferd zuruckkam. Deshalb schob er ihn na? und zitternd ans Ufer, dann zog er sich selbst nach oben und brachte den Jungen rasch hinter der Sudecke des Palastes in Sicherheit.

»Der Nebel steigt auf«, sagte er zu ihm. »Wir haben Gluck. Nur Mut, wir konnen es schaffen! Jetzt ruhr dich blo? nicht von der Stelle!«

Zunachst antwortete der Knabe nicht. Er schien keinen Bezug zur Realitat mehr zu haben. Dann sagte er mit kaum horbarer Stimme: »Wir mussen auf Ambrosinus warten.«

»Der ist erwachsen«, erwiderte Aurelius, »und wird schon wissen, wie er seine Haut rettet. Es ist schon allerhand, wenn es uns gelingt, hier herauszukommen. Drau?en sind die Barbaren bereits auf der Suche nach uns.« Tatsachlich horte man, wie die Verfolger aus den Stallungen im Nordflugel des Palastes herausritten, um die Stra?en zu durchkammen. Aurelius lief durch eine Gasse, bis er seinen Juba fand, der im Inneren eines alten, halbverfallenen Fischgeschafts angebunden war.

Er nahm ihn am Zugel, und wahrend er auf dem gleichen Weg zuruckkehrte, versuchte er, nicht das leiseste Gerausch zu machen, doch als er schon ganz nahe war, horte er plotzlich einen Ruf in der Sprache der Heruler: »Da ist er! Stehenbleiben! Stehenbleiben!« Und gleich darauf sah er, wie Romulus aus seinem Versteck herausrannte und an der Ostseite des Palastes entlanglief. Sie hatten ihn entdeckt!

Aurelius sprang auf das Pferd und sprengte uber den weiten offenen Platz vor dem Kaiserpalast, der von vielen brennenden Fackeln beleuchtet war, und sah Romulus au?er Atem rennen, gefolgt von einer Gruppe herulischer Krieger. Er trieb sein Pferd noch mehr an, ritt mitten durch die Verfolger hindurch und mahte dabei zwei von ihnen mit dem Schwert nieder - der eine fiel nach rechts, der andere nach links - , und ehe die anderen uberhaupt bemerkten, was vor sich ging, war er an ihnen vorbeigesaust. Er holte Romulus ein, fa?te ihm mit einer Hand unter die Achsel, hob ihn vom Boden hoch und feuerte zugleich sein Pferd an: »Los, Juba! Los, los!« Doch noch wahrend er im Begriff war, den Jungen vor sich auf den Sattel zu ziehen, nahm ihn einer der Verfolger mit dem Bogen aufs Korn, scho? und traf ihn mit seinem Pfeil in die Schulter.

Aurelius bi? die Zahne zusammen und versuchte durchzuhalten, doch die Kontraktion der Muskeln verursachte ihm einen stechenden Schmerz, und er mu?te den Knaben loslassen. Romulus fiel zu Boden, aber Aurelius gab nicht auf: Er pre?te die Beine gegen die Flanken seines Pferdes, zwang es zu einer Ruckwartsdrehung und machte kehrt, um den Jungen mit dem anderen, dem unverletzten Arm aufzuheben. Doch genau in diesem Augenblick sturzte Ambrosinus aus einer Seitentur ins Freie, warf sich auf Romulus und druckte ihn zu Boden, um ihn mit dem eigenen Korper zu schutzen. Aurelius begriff, da? er keine Wahl mehr hatte, bog mit einem letzten Sprung zur Seite in eine schmale Nebengasse ein, uberquerte mit einem akrobatischen Satz einen Kanal, der ihm im Weg lag, und ritt in wildem Tempo zu einer Stelle des Mauergurtels, wo eine alte, niemals ganz wieder geflickte Bresche es ihm ermoglichte, die Anhohe so zu erreichen, als wurde er eine Rampe hinaufklettern, und er gelangte unter gro?en Muhen auf die andere Seite.

Eine Gruppe barbarischer Krieger ritt, brennende Fackeln schwingend, aus einem der Tore heraus, um ihm den Fluchtweg abzuschneiden. Aurelius gelang es, als erster auf den Damm, der uber die Lagune fuhrte, einzubiegen, wobei er versuchte, den gro?tmoglichen Abstand zwischen sich und seine nachsten Verfolger zu legen; den Rest wurde der Nebel bewerkstelligen. Aber der stechende Schmerz in seiner Schulter erlaubte ihm nicht mehr, sein Pferd zu lenken, das zu lahmen begann. In der Dunkelheit erkannte er verschwommen ein Dickicht aus Baumen und Buschen, zog die Zugel an, glitt zu Boden und versuchte, sich dort zu verstecken, indem er vom Damm aus ins Wasser stieg. Er hoffte, da? seine Verfolger weiter- und an ihm vorbeireiten wurden, aber sie sahen seine Bewegung voraus und hielten nun ihrerseits inne. Es waren mindestens ein halbes Dutzend: Schon bald wurden sie ihn aufspuren, und dann wurde es kein Entrinnen mehr geben.

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