Mademoiselle Blanche ihre Anwesenheit in der Turnhalle rechtfertigen. Aber weshalb? Es war ihr gutes Recht, sich den Park und die Nebengebaude der Schule anzusehen. Bestimmt war es unnotig, sich beim Gartner dafur zu entschuldigen. Was hatte die junge Franzosin in der Turnhalle zu suchen?

Er betrachtete Mademoiselle Blanche nachdenklich. Es ware vielleicht ganz gut, etwas mehr uber sie zu erfahren. Deshalb begann er, seine Taktik vorsichtig und geschickt zu andern. Er blieb noch immer respektvoll, aber seine Blicke sagten deutlich, dass er sie fur eine reizvolle Frau hielt.

»Finden Sie es nicht manchmal etwas langweilig, in einer Madchenschule zu arbeiten und zu leben, Miss?«

»Sehr amusant finde ich es nicht.«

»Aber Sie haben doch gelegentlich frei, nicht wahr?«, fragte Adam.

Es entstand eine kurze Pause, in der sie anscheinend mit sich zurate ging. Dann schien sie mit leichtem Bedauern zu dem Schluss zu kommen, dass da wohl nichts zu machen war…

»Ja, ich habe recht viel Freizeit«, erwiderte sie. »Die Arbeitsbedingungen sind ausgezeichnet.« Sie nickte herablassend. »Guten Morgen.«

Adam sah ihr nach. Er war jetzt fest davon uberzeugt, dass sie aus einem ganz bestimmten Grund in die Turnhalle gegangen war.

Er wartete, bis sie um eine Ecke verschwunden war, dann lie? er seine Arbeit im Stich und betrat die Turnhalle. Obwohl dort alles in schonster Ordnung zu sein schien, hatte Adam nach wie vor das Gefuhl, dass Mademoiselle Blanche etwas im Schilde fuhrte.

Als er wieder herauskam, stie? er auf Ann Shapland.

»Wissen Sie, wo Miss Bulstrode ist?«, fragte sie.

»Ich glaube, sie ist ins Haus zuruckgegangen, Miss. Vorhin hat sie mit Briggs gesprochen.«

Ann runzelte die Stirn.

»Was hatten Sie in der Turnhalle zu suchen?«

Adam war unangenehm beruhrt. Misstrauische Person, dachte er. Er sagte in leicht gekranktem Ton: »Ich wollte sie mir mal ansehen. Ist das vielleicht verboten?«

»Wenn Sie nichts Besseres zu tun haben…«

»Ich bin sowieso gleich fertig. Ich hab nur noch ein paar Nagel in den Zaun vom Tennisplatz zu schlagen.« Er wandte sich um und betrachtete die Turnhalle. »Nagelneu, nicht wahr? Muss eine Menge gekostet haben. Fur die jungen Damen hier tut’s nur das Beste, was?«

»Sie zahlen auch dafur«, bemerkte Ann trocken.

Er verspurte den ihm unbegreiflichen Wunsch, diese Frau zu kranken, zu verletzen.

Sie war so kuhl und uberlegen. Es wurde ihm wirklich Spa? machen, sie in Wut zu bringen.

Aber diesen Gefallen tat Ann ihm nicht. Sie sagte nur: »Beenden Sie lieber Ihre Arbeit«, und ging zuruck in Richtung Schulhaus. Auf halbem Weg verlangsamte sie ihren Schritt und wandte sich um. Adam war mit dem Zaun beschaftigt. Sie blickte kopfschuttelnd von ihm zur Turnhalle.

8

Sergeant Green hatte Nachtdienst auf der Polizeistation von St. Cyprian. Gerade als er laut und herzhaft gahnte, schrillte das Telefon; er nahm den Horer ab. Kurz darauf begann er mit vollig veranderter Miene eifrig Notizen zu machen.

»Ja? Meadowbank? Ja… und der Name? Bitte buchstabieren Sie: S-P-R-I-N-G-E-R. Jawohl, Springer… Bitte sorgen Sie dafur, dass niemand etwas beruhrt… Unsere Beamten kommen so schnell wie moglich zu Ihnen.«

Er setzte sofort alle Hebel in Bewegung.

»Meadowbank? Ist das nicht ein Madchenpensionat?«, fragte Kommissar Kelsey. »Wer ist denn dort ermordet worden?«

»Die Turnlehrerin.«

»Tod einer Turnlehrerin«, sagte Kelsey nachdenklich. »Klingt wie der Titel eines Kriminalromans.«

»Wer mag sie wohl um die Ecke gebracht haben?«, fragte der Sergeant. »Ich kann’s mir wirklich nicht vorstellen.«

»Selbst Turnlehrerinnen mogen ein Liebesleben haben«, bemerkte Kommissar Kelsey. »Wo soll die Leiche gefunden worden sein?«

»In der Turnhalle.«

»Also Mord in der Turnhalle… sagten Sie, sie wurde erschossen?«

»Ja.«

»Hat man den Revolver gefunden?«

»Nein.«

»Interessanter Fall«, bemerkte Kommissar Kelsey und machte sich mit seinem Gefolge auf den Weg zum Tatort.

Aus der offenen Haustur von Meadowbank fiel ein breiter Lichtstrahl in den Garten. Miss Bulstrode begru?te Kommissar Kelsey. Wie die meisten Leute in der Gegend kannte er sie vom Sehen. Selbst in diesem Augenblick der Unsicherheit und Verwirrung war Miss Bulstrode Herrin der Situation und ihrer Untergebenen.

»Kommissar Kelsey«, stellte er sich mit einer Verbeugung vor.

»Was wunschen Sie zuerst zu tun, Kommissar? Wollen Sie in die Turnhalle gehen oder zuerst nahere Einzelheiten horen?«

»Ich habe den Polizeiarzt mitgebracht. Wurden Sie ihn und zwei meiner Leute bitte an den Tatort fuhren lassen, wahrend Sie mir alle notigen Informationen geben?«

»Selbstverstandlich. Bitte kommen Sie mit in mein Wohnzimmer. Miss Rowan, zeigen Sie dem Arzt und den Polizisten den Weg zur Turnhalle.« Sie fugte freundlich hinzu: »Eine meiner Angestellten ist dort, um dafur zu sorgen, dass nichts beruhrt wird.«

»Ausgezeichnet – vielen Dank.«

Kelsey folgte Miss Bulstrode in ihr Wohnzimmer.

»Wer hat die Leiche gefunden?«

»Miss Johnson, die Hausmutter. Eins der Madchen hatte Ohrenschmerzen, und Miss Johnson war aufgestanden, um es zu behandeln. Dabei fiel ihr auf, dass die Vorhange nicht richtig zugezogen waren. Sie ging zum Fenster und sah Licht in der Turnhalle, was ihr seltsam vorkam, da es ein Uhr nachts war.«

»Sehr richtig. Wo ist Miss Johnson jetzt?«, fragte Kelsey.

»Hier. Mochten Sie sie sehen?«

»Etwas spater. Bitte fahren Sie fort, Miss Bulstrode.«

»Miss Johnson weckte Miss Chadwick, eine unserer Lehrerinnen, und sie beschlossen, zur Turnhalle ruberzugehen und zu schauen, was los ist. Als sie das Haus durch eine Seitentur verlie?en, horten sie einen Schuss. Daraufhin liefen sie, so schnell sie konnten, zur Turnhalle. Bei ihrer Ankunft…«

»Vielen Dank, Miss Bulstrode«, unterbrach der Kommissar. »Wenn es Ihnen recht ist, mochte ich den weiteren Verlauf der Dinge von Miss Johnson selbst erfahren. Konnen Sie mir nur noch etwas uber die Ermordete mitteilen?«

»Sie hei?t Grace Springer.«

»War sie lange bei Ihnen angestellt?«

»Nein, sie ist erst vor einigen Wochen zu uns gekommen. Unsere fruhere Turnlehrerin ist nach Australien gegangen.«

»Was wussten Sie von Miss Springer?«

»Sie hatte hervorragende Zeugnisse.«

»Sie war Ihnen vorher nicht personlich bekannt?«

»Nein.«

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