grobere Version von April die Tur. »Ach, ist das ein su?es Madchen! Wie reizend!«, verkundet die Frau, nachdem sie Penny erspaht hat, die Brians Hand halt. »Rein mit euch … Ich kann euch gar nicht sagen, wie sehr es mich freut, endlich mal Leute zu treffen, die ihren Speichel im Mund halten konnen.«

Aprils Schwester, die sich als Tara vorstellt, ist mollig und etwas grobschlachtig. Sie riecht nach Tabak und billigem Shampoo und tragt ein verschossenes hawaiianisches Blumenkleid, um ihre Wulste zu verhullen. Ihr Dekollete quillt wie Brotteig aus dem Stoff, und auf dem Ansatz einer Brust hat sie ein Tattoo von Woody Woodpecker. Sie besitzt die gleichen auffallenden Augen wie ihre jungere Schwester, hat diese aber stark mit Kajalstift und einem stahlblauen Lidschatten geschminkt. Ihre langen kunstlichen Fingernagel machen den Eindruck, als ob sie auch Dosen offnen konnten.

Philip betritt als Erster die Wohnung. In der Hand halt er noch immer die Ruger.

Die anderen folgen ihm.

Er bemerkt kaum das unordentliche Wohnzimmer mit den Kleidern, die uber Stuhllehnen geworfen wurden, den ramponierten Taschen an einer Wand und den merkwurdig geformten Instrumentenkoffern, die an einer Schiebetur lehnen. Auch die kleine Kochnische mit den Kisten voller Dosen und Proviant und dem schmutzigen Geschirr in der Spule zu seiner Linken nimmt er fast nicht wahr. Selbst den Geruch nach abgestandenem Zigarettenrauch, muffigen Klamotten und altem Schwei? registriert er nur schwach.

Das Einzige, worauf er sich in diesem Augenblick konzentrieren kann, ist der Lauf eines Zwolf-Kaliber- Gewehrs, der direkt auf ihn gerichtet ist.

»Keinen Schritt weiter«, sagt der alte Mann, der das Gewehr in Handen halt und auf dem Schaukelstuhl an der gegenuberliegenden Wand sitzt. Er ist ein schlaksiger alter Kauz mit der gleichen Farmerbraune wie seine Tochter und einem Gesicht, das wie aus Holz geschnitzt aussieht. Dazu kommen seine stahlgrauen Haare im kurzen Burstenschnitt und klare blaue Augen. Der dunne Schlauch einer Sauerstoffanlage verlauft unter seiner Nase, und das dazugehorige Gerat steht direkt neben ihm wie ein nicht von seiner Seite weichendes Haustier. Er passt kaum in die engen Jeans und das Flanellhemd, seine wei?en, haarigen Knochel lugen zwischen Schuhen und Hosenbein hervor.

Instinktiv hebt Philip seine Achtunddrei?iger und schaltet auf Kampfmodus. Er zielt auf den alten Mann und sagt: »Sir, da drau?en gibt es schon genug Probleme. Wollen wir uns wirklich hier drinnen noch mehr schaffen?«

Niemand ruhrt sich.

April schiebt Philip beiseite und stellt sich zwischen die beiden Manner. »Jetzt habe ich genug, Dad. Runter mit der Flinte.«

Der alte Mann gibt seiner Tochter mit dem Lauf seines Gewehres zu verstehen, dass sie beiseitetreten soll. »Sei still, kleine Gore.«

April aber weicht keinen Millimeter zuruck. Sie stemmt die Hande in die Huften und blickt ihren Vater wutend an.

Auf einmal sagt Tara: »Konnt ihr nicht alle eine Stufe runterfahren? Bitte!«

»Wo kommt ihr uberhaupt her?«, fragt der alte Mann, das Gewehr immer noch schussbereit auf Philip gerichtet.

»Aus Waynesboro, Georgia.«

»Noch nie gehort.«

»In Burke County.«

»Das ist ja beinahe schon South Carolina.«

»Yes, Sir.«

»Seid ihr auf Drogen? Speed? Crack? … Sonst irgendwas?«

»Nein, Sir. Wie zum Teufel kommen Sie auf solche Schnapsideen?«

»Deine Augen, Junge. Die sehen so auf, als ob Speed durch deine Adern pumpen wurde.«

»Ich nehme keine Drogen.«

»Und wie seid ihr auf die Idee verfallen, hierher nach Atlanta zu kommen?«

»Wir haben erfahren, dass es in Atlanta ein Fluchtlingslager geben soll. Sieht aber nicht danach aus.«

»Da hast du recht«, meint der alte Mann.

April mischt sich ein. »Hort sich so an, als ob wir etwas gemeinsam hatten.«

Philip starrt weiterhin auf den alten Mann, spricht aber mit der Frau, als er sagt: »Und wieso?«

»Wir sind aus dem gleichen Grund in dieser gottverlassenen Wohnung gelandet«, erwidert sie. »Wir haben auch nach diesem Fluchtlingslager gesucht, von dem alle geredet haben.«

Philip starrt auf den Lauf des Gewehrs. »Tja, selbst die besten Plane …«

»Genauso sieht es aus«, stimmt der alte Mann zu. Philip kann jetzt das leise Zischen des Sauerstoffs horen. »Ich nehme an, ihr habt nicht die leiseste Ahnung, was ihr uns gerade angetan habt?«

»Ich hore.«

»Ihr habt die Bei?er aufgewuhlt. Bei Sonnenuntergang wird es da drau?en eine gottverdammte Tagung geben – direkt vor unserer Tur.«

Philip zieht die Nase hoch. »Das tut mir leid. Aber wir hatten keine Alternative.«

Der alte Mann stohnt. »Da wirst du wohl recht haben.«

»Ihre Tochter hat uns von der Stra?e geholt … Wir haben keine bosen Absichten … Au?er, dass wir nicht gebissen werden wollen.«

»Tja, das ist verstandlich.«

Es folgt eine lange Pause. Alle warten. Die beiden Waffen senken sich langsam.

»Was ist das da?«, fragt Philip und weist mit dem Kopf auf die vielen Instrumentenkoffer, die uberall herumliegen. Er hat die Pistole zwar noch immer auf den alten Mann gerichtet, aber das Adrenalin in seinen Venen ist abgeebbt. »Sind da Maschinengewehre drin?«

Der alte Mann kann ein freudloses Lachen nicht verkneifen. Er legt das Gewehr quer uber den Scho?, sichert es, und die Anspannung verschwindet auf einmal aus seinem hageren Gesicht. Der Sauerstofftank pfeift weiter vor sich hin. »Mein Freund. Du blickst auf die Reste der einst weltberuhmten Chalmers Family Band – Stars der Buhne, Leinwand und der Volksfeste im ganzen Suden der Vereinigten Staaten.« Er nimmt das Gewehr und lehnt es an die Wand neben sich. Er blickt Philip an. »Ich sollte mich wohl besser fur die unfeine Begru?ung entschuldigen.« Er rappelt sich muhsam hoch, und es dauert ein Weilchen, bis er ganz aufgerichtet ist. Irgendwie erinnert er an einen verdorrten Abraham Lincoln. »Ich hei?e David Chalmers. Mandoline und Gesang sowie Vater dieser beiden Lumpenkinder.«

Philip steckt seine Pistole in den Gurtel. »Philip Blake. Das ist mein Bruder Brian. Und das Mauerblumchen da druben ist Nick Parsons. Vielen Dank, dass Sie uns vor den Horrorgestalten da drau?en gerettet haben.«

Die beiden Manner schutteln einander die Hand, und die Anspannung im Zimmer verpufft.

Es stellt sich heraus, dass es ursprunglich noch ein viertes Mitglied der Chalmers Family Band gab – Mrs. Chalmers –, eine beleibte kleine Frau aus Chattanooga, die bei Bluegrass und alteren Stucken der Gruppe Sopran sang. Laut April war es Gluck im Ungluck, dass ihre Mutter vor funf Jahren an einer Lungenentzundung erkrankte und starb. Wenn sie dieses Desaster miterlebt hatte, wurde es ihr wohl das Herz gebrochen haben. Sie hatte das Ganze als Apokalypse gedeutet und ware wohl direkt vom Pier des Clark’s Hill Lake in die Fluten gesprungen.

So kam es, dass die Chalmers Family Band zu einem Trio wurde. Sie fuhrten weiterhin ihre Stucke auf und tourten hauptsachlich durch die drei anliegenden Staaten. Tara spielte Bass, April Gitarre und Daddy die Mandoline. Als alleinerziehender Vater hatte der sechzigjahrige David keine Zeit, um auf dumme Gedanken zu kommen. Tara war eine Kifferin, und April hatte das Temperament und die Sturheit ihrer Mutter geerbt.

Als die Plage uber das Land fegte, befanden sie sich gerade auf einem Bluegrass-Festival in Tennessee und fuhren in ihrem Camper zuruck nach Hause, kamen aber nur bis zur Grenze nach Georgia, als auf einmal der Wagen streikte. Sie hatten Gluck und fanden eine Bahnstation in der Nahe. Die Zuge liefen noch zwischen Dalton und Atlanta. Das Dumme war nur, dass sie in der Southeastside ausstiegen, an der King-Memorial-Station, wo es mittlerweile von Untoten nur so wimmelte. Irgendwie schafften sie es, sich nach Norden durchzuschlagen, ohne dass man sie angriff. Nachts nahmen sie einen leer herumstehenden Wagen und suchten nach dem Fluchtlingslager.

»Und so sind wir hier gelandet, in unserem kleinen, nicht gerade exklusiven Paradies«, erklart April Philip mit leiser Stimme spatnachts. Sie sitzt auf dem abgenutzten Sofa, wahrend Penny unter einem Berg von Decken unruhig

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