kommt. Er lasst den blutigen Baseballschlager fallen.

Erst jetzt merkt er den Unterschied. Diesmal, bei dieser Exekution bewegt sich niemand. April starrt ihn an. Brian lasst sie los und blickt ebenfalls fassungslos. Selbst Tara, die sich mittlerweile wieder hochgezogen hat und immer noch schluchzt, schaut ihn unglaubig, beinahe wie gelahmt an.

Das Merkwurdigste ist, dass sie nicht den blutigen Haufen auf dem Boden anstarren, sondern dass alle Augen auf ihn gerichtet sind.

Sie loschen die Flammen und raumen auf. Die Uberreste des Zombies werden eingewickelt und in den Korridor getragen. Dort liegt er sicher bis zur Beerdigung.

Zum Gluck hat Penny kaum etwas von dem grausamen Schauspiel im Nebenzimmer mitgekriegt. Aber sie hat genug gehort, um sich erneut in ihre einsame Welt zuruckzuziehen.

Auch den anderen hat es die Sprache verschlagen. Eine bedruckende Stille beherrscht den Rest des verbleibenden Tages.

Die Schwestern scheinen in eine stumpfe Benommenheit verfallen zu sein. Obwohl sie alles sauber machen, reden sie kein Wort miteinander. Die beiden haben sich die Augen trocken geweint und starren immer wieder Philip an, der ihre Blicke wie kalte Finger spurt, die uber seinen Rucken streifen. Was hatten sie erwartet? Sollte sich das Monster erst an Tara laben, ehe es auf sie losgegangen ware? Wollten sie, dass Philip sich gemutlich mit dem Wesen hinsetzt?

Gegen Mittag des folgenden Tages halten sie einen behelfsma?igen Gedenkgottesdienst auf einem kleinen, umzaunten Flecken Erde im Hinterhof ab. Philip besteht darauf, das Grab selbst zu schaufeln, und lehnt jegliche Hilfe von Nick ab. Es dauert Stunden. Atlanta ist auf gutem, solidem Georgia-Lehm gebaut, der auch fur die vielen Hochhauser der Stadt hartnackig genug ist. Aber im Laufe des Nachmittags ist der in Schwei? gebadete und kaputte Philip endlich so weit.

Am Grab singen die Schwestern Davids Lieblingslied – »Will the Circle Be Unbroken«. Sowohl Brian als auch Nick brechen in Tranen aus. Der Song ist herzzerrei?end, insbesondere als er in den wolkenlosen, blauen Himmel aufsteigt und sich mit dem allgegenwartigen Achzen, Stohnen und Jammern vermengt, das von der anderen Seite der Umzaunung kommt.

Spater sitzen alle bis auf Penny am Tisch im Wohnzimmer und teilen sich eine Flasche Schnaps, die sie in einer der Wohnungen fanden. Die Chalmers-Schwestern erzahlen Geschichten von ihrem Dad – aus seiner Kindheit, seinen Anfangen mit der Barstow Bluegrass Boys Band und seinen Tagen als DJ fur den WBLR-Sender, der Macon und Umgebung beschallte. Sie erzahlen von seinem Temperament, seiner Gro?mut, seinen Frauengeschichten und seinem Glauben an Jesus.

Philip lasst sie reden. Es ist gut, endlich wieder ihre Stimmen zu horen, und die Anspannung des Tages scheint ein wenig nachzulassen. Vielleicht ist das ein Teil des Loslassens. Oder sie mussen sich an die neue Situation gewohnen.

Spater sitzt Philip allein in der Kuche und schenkt sich den letzten Rest Whiskey ein, als April zu ihm tritt.

»Hor zu … Ich wollte mit dir reden … Daruber, was heute passiert ist …«

»Vergiss es«, erwidert Philip und starrt in das Whiskeyglas.

»Nein. Ich hatte … Ich hatte schon fruher etwas sagen sollen. Ich stand unter Schock.«

Er blickt sie an. »Aber das wei? ich doch. Tut mir leid, dass es so gelaufen ist. Wirklich. Es tut mir sehr leid, dass du das hast mit ansehen mussen.«

»Du hast das getan, was du tun musstest«, sagt April.

»Ich danke dir, dass du mir das sagst.« Philip legt ihr eine Hand auf die Schulter. »Ich habe deinen Daddy vom ersten Moment an gemocht. Er war ein Prachtkerl. Und er hatte ein gutes und langes Leben.«

Sie kaut auf der Innenseite ihrer Wange. Philip merkt, dass sie an sich halten muss, um nicht wieder loszuweinen. »Ich dachte, ich hatte mich damit abgefunden, ihn einmal zu verlieren.«

»Niemand ist auf so etwas vorbereitet.«

»Stimmt. Aber so … Ich versuche immer noch, das Ganze zu verstehen.«

Philip nickt. »Verdammt dumm gelaufen.«

»Ich meine … Das kann doch nicht einfach so passieren … Da wei? man ja gar nicht mehr, woran man sich noch festhalten soll.«

»Ich wei?, was du damit sagen willst«, erwidert Philip.

Sie senkt den Blick und schaut auf ihre zitternden Hande. Vielleicht spielt sich die Szene noch einmal vor ihrem inneren Auge ab, wie Philip mit dem Baseballschlager auf ihren Vater eindrischt. »Was ich eigentlich sagen wollte … Ich gebe dir keine Schuld fur das, was du getan hast.«

»Danke.«

Sie mustert sein Glas. »Haben wir noch etwas von dem billigen Wein ubrig?«

Philip findet den Wein und gie?t ihr ein Glas davon ein. Eine Weile sitzen sie schweigend da und trinken. Endlich ergreift Philip das Wort. »Und was ist mit deiner Schwester?«

»Was soll mit ihr sein?«

»Sie scheint nicht …« Er verstummt, da er die richtigen Worte nicht findet.

April nickt. »Nachtragend zu sein?«

»So ahnlich.«

Sie lachelt ihn bitter an. »Sie hat mir immer noch nicht verziehen, dass ich ihr in der Grundschule einmal ein paar Cent stibitzt habe.«

Wahrend der nachsten Tage ruckt die neu gefundene Familie enger zusammen. Die Chalmer-Schwestern durchleben ihre Trauer, indem sie sich uber Nichtigkeiten streiten, die anderen mit Schweigen strafen oder sich fur langere Zeit in ihre Zimmer einschlie?en, um zu weinen oder beleidigt zu sein.

April scheint diese Zeit besser zu verkraften als ihre Schwester. Sie raumt die Sachen ihres Vaters aus und zieht mit Sack und Pack ins Schlafzimmer, sodass Philip ihr altes Zimmer haben kann. Er richtet es fur Penny gemutlich ein und stellt unter anderem einige Malbucher, die er in den anderen Wohnungen gefunden hat, auf die Regale.

Das Madchen hat April ins Herz geschlossen. Sie verbringen Stunden zusammen, erkunden die anderen Zimmer, spielen miteinander und experimentieren, wie man ihre kargen Essensrationen auf einem Spiritusbrenner zu einem kreativen Abendessen umgestalten kann. Paradebeispiel wird ein Auflauf aus zerbroseltem Beef-Jerky, Pfirsich und Rosinen mit Gemuse aus der Dose – und dazu weiteres zerbroseltes Beef-Jerky als Garnitur.

Allmahlich losen sich die Schwaden der Untoten in der unmittelbaren Umgebung des Hauses auf. Einzelne Nachzugler hangen noch herum, sodass die Blake-Bruder und Nick bei ihren Einsatzen in der Nachbarschaft noch einmal so richtig wuten konnen. Philip merkt, dass Brian immer verwegener wird und sich sogar aus dem Haus traut – wenn auch nur kurz. Nick Parsons bluht geradezu auf.

Er richtet sich in einem Zimmer in einem Apartment am ostlichen Ende des Flurs im ersten Stock ein – es ist Wohnung 2F –, und sucht Bucher und Magazine aus den anderen Wohnungen zusammen, bis er sich einigerma?en bequem eingerichtet hat. Zudem verbringt er viel Zeit auf dem Balkon, wo er Skizzen von der Umgebung anfertigt, Karten herstellt, die Bibel liest, Gemuse anbaut und viel uber den Zustand der Menschheit im Allgemeinen nachdenkt.

Au?erdem baut er die wackelige Laufplanke zum angrenzenden Gebaude fertig.

Der schmale Steg besteht aus Sperrholz und Malerleitern, die mit Stricken und Isolierband – und einer gro?en Portion Hoffnung – zusammengehalten werden. Die Brucke weist immerhin eine Spannweite von acht Metern auf und fuhrt vom Sims ihres Gebaudes uber eine Gasse hin zur Feuerleiter des gegenuberliegenden Hauses.

Die Fertigstellung der Planke bewirkt so einiges bei Nick, denn schon bald nimmt er seinen ganzen Mut zusammen und lauft uber die wackelige Konstruktion. Genau wie er es vorhergesagt hat, gelingt es ihm, sich bis zu dem Gebaude an der sudostlichen Ecke der Kreuzung vorzuarbeiten, ohne einen Fu? auf die Stra?e setzen zu mussen. Druben findet er den Zugang zu der uberdachten Fu?gangerbrucke des Kaufhauses. Als er abends zuruckkommt, bringt er eine Ladung Geschenke mit, die er bei Dillard’s eingepackt hat. Seine Wiederkehr gleicht der eines Kriegshelden.

Als Erstes packt er feinste Naschereien und Nusse aus, dann folgen warme Kleidung, Schuhe und gestanztes Briefpapier, teure Federhalter und Kulis, ein zusammenklappbarer Camping-Kocher, Bettlaken aus Satin und luxuriose, dicht gewebte Bettwasche. Fur Penny hat er Stofftiere mitgebracht. Auch Tara freut sich beim Anblick

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