sie offnet. »Kennst du Kapitan Nemo?«

»Wen?«

»Aus einem alten Film: 20.000 Meilen unter dem Meer. Der alte, verruckte Kapitan spielt Orgel in einem U-Boot, wahrend ein Riesenkrake an den gro?en Panoramafenstern voruberschwimmt.«

»Nie gesehen.«

Philip lachelt sie an. »Nun, das wird sich gleich andern.«

April Chalmers ist es inzwischen gewohnt, dass ihr nichts au?er brutalste Gewalt die Sprache verschlagt. Sonst nichts. Mit dieser Erwartung folgt sie Philip durch die Metalltur auf die Fu?brucke hinaus. Auf der Schwelle halt sie inne.

Eine solche Fu?gangerbrucke ist nichts Neues fur sie, vielleicht war sie sogar schon einmal hier gewesen. Aber heute Abend ist es mit den letzten Lichtstrahlen und dem gro?en, uberdachten Raum zehn Meter uber der Kreuzung etwas ganz Besonderes. Durch das glaserne Dach sind feine Blitze in der Ferne zu erkennen, welche die Wolken erhellen. Die transparenten Wande geben den Blick auf die langer werdenden Schatten der Stadt frei, die vor Zombies nur so wimmelt. Ganz Atlanta gleicht einem riesigen Brettspiel, auf dem allerdings eine chaotische Unordnung herrscht.

»Jetzt verstehe ich«, sagt sie schlie?lich. Es ist eher ein Murmeln, so beschaftigt ist sie damit, alles in sich aufzunehmen. Au?erdem spurt sie eine merkwurdige Mischung aus Emotionen: Schwindelgefuhl, Angst und Aufregung.

Philip stellt sich in die Mitte der Brucke und wirft seine Tasche zu Boden, ehe er nach Suden nickt. »Ich mochte dir noch etwas zeigen«, erklart er. »Komm bitte mal hierher.«

Sie tritt zu ihm und lehnt ihr Gewehr an das Plexiglas. Die Tasche stellt sie daneben.

Philip deutet auf die roten Sterne, mit denen Nick Parsons die leer stehenden Autos, Busse und Eingange markiert hat. Dann erklart er die Idee mit den sogenannten Sicherheitszonen und lobt Nick fur seine Umsicht und Cleverness. »Ich glaube, dass er das richtig gut macht.«

April stimmt Philip zu. »Wir konnen die Verstecke gut gebrauchen, um den Generator zu finden, von dem jeder redet.«

»Das denke ich auch.«

»Nick ist ein netter Kerl.«

»Das ist er.«

Dunkelheit legt sich uber die Stadt, und in den blauen Schatten der Brucke erscheint Philips markantes Gesicht noch rauer und schroffer als gewohnlich. Mit seinem schwarzen Fu-Manchu-Schnurrbart und den dunklen, in Lachfalten eingenisteten Augen erinnert er April an eine Mischung aus einem jungen Clint Eastwood und … An wen noch? An ihren Vater als jungen Mann? Ist das der Grund, warum sie immer wieder diese Anziehung zu diesem gro?en, schlaksigen Landei verspurt? Geht es ihr denn so schlecht, dass allein die Ahnlichkeit zu ihrem Vater reicht, einen Mann attraktiv zu finden? Oder hat diese verruckte Schwarmerei mehr mit dem Stress zu tun, in einer Welt zu leben, die dem Untergang geweiht ist? Um Himmels willen, das ist der Mann, der ihrem Vater den Schadel gespalten hat! Aber das war nicht mehr David Chalmers. Wie hei?t es so schon? Die Seele ihres Vaters war schon langst zum Himmel gestiegen. Sie war bereits im Jenseits, als er aus dem Bett kletterte, um seine alteste Tochter zu bei?en.

»Ubrigens glaube ich«, fahrt Philip fort und beobachtet in der Finsternis einige Zombies und streunende Hunde, die auf der Suche nach Nahrung durch die Stra?en ziehen, »dass wir gar nicht so viel brauchen, um es uns auch langerfristig in der Wohnung gemutlich machen zu konnen.«

»Das denke ich auch. Zuerst aber brauchen wir Valium, damit wir es Tara heimlich zum Fruhstuck verabreichen konnen«, scherzt sie.

Philip lacht – ein sonores, echtes Lachen – und zeigt April eine Seite von ihm, die sie bisher noch nicht kannte. Er blickt sie an. »Das ist unsere Chance. Wir konnten das schaffen, und wir konnen mehr als nur uberleben. Und ich spreche jetzt nicht nur von einem bloden Generator.«

April erwidert seinen Blick. »Wie soll ich das verstehen?«

Er tritt naher zu ihr. »Ich habe ja schon die eine oder andere Frau in meinem Leben kennengelernt, aber keine war so zah wie du. So stark … Doch die Zuneigung und Zartlichkeit, die du Penny gegenuber an den Tag legst … Ich habe noch nie erlebt, dass Penny einen Menschen so schnell in ihr Herz schlie?t. Verdammt, und du hast uns vor dem sicheren Tod gerettet, als du uns von der Stra?e aufgelesen hast. Du bist eine ganz besondere Frau – wei?t du das?«

Plotzlich wird es April ganz hei?. Im Bauch hat sie ein flaues Gefuhl, und sie begreift, dass Philip sie auf einmal anders wahrnimmt. Seine Augen schimmern. Sie wei?, dass er das Gleiche gedacht haben muss wie sie. Sie blickt peinlich beruhrt zu Boden. »Da kannst du aber keine hohen Erwartungen haben«, murmelt sie.

Er streckt den Arm nach ihr aus und beruhrt ihre Wange mit seiner gro?en, schwieligen Hand. »Ich habe sogar deutlich hohere Erwartungen als die anderen.«

Drau?en am Himmel donnert es, die Brucke bebt, sodass April zusammenzuckt.

Philip kusst sie auf die Lippen.

Sie tritt einen Schritt zuruck. »Ich wei? nicht, Philip … Ich meine … Ich wei? nicht, ob … Verstehst du?«

April wird von unterschiedlichen Gefuhlen erfasst. Wenn sie sich darauf einlasst, es zulasst, was wird dann aus Tara? Wird es die Gemeinschaft in der Wohnung durcheinanderbringen? Wird dadurch alles noch komplizierter? Welche Auswirkungen hat es wohl auf ihre Sicherheit, auf ihre Uberlebenschancen, ihre Zukunft – wenn sie denn eine haben?

Philips Miene holt sie wieder in die Gegenwart zuruck. Er sieht sie mit einem beinahe glasigen, gefuhlvollen Blick an, der Mund ein wenig offen vor Verlangen.

Er beugt sich vor und kusst sie erneut. Diesmal kann sie nicht anders, als auch ihre Arme um ihn zu legen und seinen Kuss zu erwidern. Sie bemerkt gar nicht, dass die ersten Regentropfen auf die Plexiglasscheiben fallen.

April spurt, wie sich ihr Korper Philips starker Umarmung hingibt. Ihre Lippen offnen sich, und sie erbebt immer wieder, als sie sich mit ihren Zungen erkunden. Ihre Sinne sind von Philips Geschmack nach Kaffee, Pfefferminzkaugummi und seinem mannlichen Geruch ganz benommen, sodass sich ihre Brustwarzen unter dem gestrickten Pullover zusammenziehen.

Ein blaulicher Blitz erhellt die Finsternis und taucht alles in ein silbriges Licht.

April wei? nicht, wie ihr geschieht. Ihr wird fast schwindelig, und sie bemerkt gar nicht, dass Regen auf das Glasdach prasselt. Sie nimmt nicht einmal wahr, dass Philip sie langsam auf den Boden der Fu?gangerbrucke zieht. Ihre Lippen sind aufeinandergepresst, wahrend Philips Hande ihre Bruste liebkosen. Vorsichtig druckt er sie mit dem Rucken gegen eine Glaswand, und ehe sie wei?, wie ihr geschieht, drangt er sich gegen sie.

Ein Sturm tobt jetzt uber der Stadt, und es gie?t in Stromen. Der Donner rollt, Blitze schlagen in die hohen Gebaude ein und jagen Funken in die Luft, wahrend Philip in dem blauen Licht Aprils Pullover uber ihren nackten Bauch und ihren BH zieht.

Seine Finger offnen ihre Gurtelschnalle. Der Donner rollt unentwegt uber sie hinweg. April spurt die drangenden Bewegungen von Philips Lenden zwischen ihren Beinen. Blitze flackern. Ihre Jeans sind schon uber die Knie gestreift, ihre Bruste entblo?t.

Ein Finger liebkost ihren Bauch, und ganz plotzlich, als ob jemand einen Schalter in ihrem Inneren umgelegt hatte – gerade als ein lauter Donnerschlag ertont –, schie?t ihr der Gedanke durch den Kopf: WARTE.

BUUUUUUUUM!

WARTE!

Eine Flutwelle des Verlangens spult Philip Blake ins tosende Wasser der Lust.

Aus unendlicher Ferne glaubt er, Aprils Stimme zu horen. Sie fleht ihn an: Halt, warte, stopp, hor zu, hor zu, das ist mir zu viel, ich bin noch nicht so weit, bitte, bitte, hor auf, jetzt. Aber Philip nimmt sie kaum wahr. Sein Gehirn schwimmt auf einer Woge der Begierde, der Sehnsucht, des Schmerzes, der Einsamkeit und der absoluten Notwendigkeit, endlich wieder etwas zu spuren. In diesem Augenblick ist sein ganzes Wesen mit seiner Leistengegend verkabelt, und samtliche angestauten Gefuhle stromen an seinem Kopf vorbei in seine Lenden.

»Um Gottes willen, ich flehe dich an, hor endlich auf!«, ertont die Stimme in der Ferne erneut, und Aprils Korper erstarrt.

Philip reitet die sich windende Frau unter ihm, als ob er eine Pipeline wei?en Rauschens surft. Er wei?, dass sie ihn insgeheim will, ihn liebt, obwohl sie etwas anderes sagt. Also sto?t er immer und immer wieder in gro?en,

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