»Abhauen!« knurrt Kropp.

»Das ist klar. Und dann?«

»Mich besaufen«, sagt Albert.

»Rede keinen Quatsch, ich meine es ernst -«

»Ich auch«, sagt Albert,»was soll man denn anders machen.«

Kat interessiert sich fur die Frage. Er fordert von Kropp seinen Tribut an den Linsen, erhalt ihn, uberlegt dann lange und meint:»Besaufen konnte man sich ja, sonst aber auf die nachste Eisenbahn – und ab nach Muttern. Mensch, Frieden, Albert -«

Er kramt in seiner Wachstuchbrieftasche nach einer Fotografie und zeigt sie stolz herum. »Meine Alte!« Dann packt er sie weg und flucht:»Verdammter Lausekrieg -«

»Du kannst gut reden«, sage ich. »Du hast deinen Jungen und deine Frau.«

»Stimmt«, nickt er,»ich mu? dafur sorgen, da? sie was zu essen haben.«

Wir lachen. »Daran wird’s nicht fehlen, Kat, sonst requierierst du eben.«

Muller ist hungrig und gibt sich noch nicht zufrieden. Er schreckt Haie Westhus aus seinen Verprugeltraumen. »Haie, was wurdest du denn machen, wenn jetzt Frieden ware?«

»Er mu?te dir den Arsch vollhauen, weil du hier von so etwas uberhaupt anfangst«, sage ich,»wie kommt das eigentlich?«

»Wie kommt Kuhschei?e aufs Dach?« antwortet Muller lakonisch und wendet sich wieder an Haie Westhus.

Es ist zu schwer auf einmal fur Haie. Er wiegt seinen sommersprossigen Schadel:»Du meinst, wenn kein Krieg mehr ist?«

»Richtig. Du merkst auch alles.«

»Dann kamen doch wieder Weiber, nicht?«- Haie leckt sich das Maul. »Das auch.«

»Meine Fresse noch mal«, sagt Haie, und sein Gesicht taut auf,»dann wurde ich mir so einen strammen Feger schnappen, so einen richtigen Kuchendragoner, wei?t du, mit ordentlich was dran zum Festhalten, und sofort nichts wie ‘rin in die Betten! Stell dir mal vor, richtige Federbetten mit Sprungmatratzen, Kinners, acht Tage lang wurde ich keine Hose wieder anziehen.«

Alles schweigt. Das Bild ist zu wunderbar. Schauer laufen uns uber die Haut. Endlich ermannt sich Muller und fragt:»Und danach?«

Pause. Dann erklart Haie etwas verzwickt:»Wenn ich Unteroffizier ware, wurde ich erst noch bei den Preu?en bleiben und kapitulieren.«»Haie, du hast glatt einen Vogel«, sage ich. Er fragt gemutlich zuruck:»Hast du schon mal Torf gestochen? Probier’s mal.«

Damit zieht er seinen Loffel aus dem Stiefelschaft und langt damit in Alberts E?napf.

»Schlimmer als Schanzen in der Champagne kann’s auch nicht sein«, erwiderte ich.

Haie kaut und grinst:»Dauert aber langer. Kannst dich auch nicht drucken.«

»Aber, Mensch, zu Hause ist es doch besser, Haie.«»Teils, teils«, sagt er und versinkt mit offenem Munde in Grubelei.

Man kann auf seinen Zugen lesen, was er denkt. Da ist eine arme Moorkate, da ist schwere Arbeit in der Hitze der Heide vom fruhen Morgen bis zum Abend, da ist sparlicher Lohn, da ist ein schmutziger Knechtsanzug -»Hast beim Kommi? in Frieden keine Sorgen«, teilt er mit,»jeden Tag ist dein Futter da, sonst machst du Krach, hast dein Bett, alle acht Tage reine Wasche wie ein Kavalier, machst deinen Unteroffiziersdienst, hast dein schones Zeug; – abends bist du ein freier Mann und gehst in die Kneipe.«

Haie ist au?erordentlich stolz auf seine Idee. Er verliebt sich darin. »Und wenn du deine zwolf Jahre um hast, kriegst du deinen Versorgungsschein und wirst Landjager. Den ganzen Tag kannst du Spazierengehen.« Er schwitzt jetzt vor Zukunft. »Stell dir vor, wie du dann traktiert wirst. Hier einen Kognak, da einen halben Liter. Mit einem Landjager will doch jeder gutstehen.«»Du wirst ja nie Unteroffizier, Haie«, wirft Kat ein. Haie blickt ihn betroffen an und schweigt. In seinen Gedanken sind jetzt wohl die klaren Abende im Herbst, die Sonntage in der Heide, die Dorfglocken, die Nachmittage und Nachte mit den Magden, die Buchweizenpfannkuchen mit den gro?en Speckaugen, die sorglos verschwatzten Stunden im Krug – Mit soviel Phantasie kann er so rasch nicht fertig werden; deshalb knurrt er nur erbost:»Was ihr immer fur Blodsinn zusammenfragt.«

Er streift sein Hemd uber den Kopf und knopft den Waffenrock zu.

»Was wurdest du machen, Tjaden?« ruft Kropp.

Tjaden kennt nur eins. »Aufpassen, da? mir Himmelsto? nicht durchgeht.«

Er mochte ihn wahrscheinlich am liebsten in einen Kafig sperren und jeden Morgen mit einem Knuppel uber ihn herfallen. Zu Kropp schwarmt er:»An deiner Stelle wurde ich sehen, da? ich Leutnant wurde. Dann kannst du ihn schleifen, da? ihm das Wasser im Hintern kocht.«

»Und du, Detering?« forscht Muller weiter. Er ist der geborene Schulmeister mit seiner Fragerei.

Detering ist wortkarg. Aber auf dieses Thema gibt er Antwort. Er sieht in die Luft und sagt nur einen Satz:»Ich wurde gerade noch zur Ernte zurechtkommen.« Damit steht er auf und geht weg.

Er macht sich Sorgen. Seine Frau mu? den Hof bewirtschaften. Dabei haben sie ihm noch zwei Pferde weggeholt. Jeden Tag liest er die Zeitungen, die kommen, ob es in seiner oldenburgischen Ecke auch nicht regnet. Sie bringen das Heu sonst nicht fort.

In diesem Augenblick erscheint Himmelsto?. Er kommt direkt auf unsere Gruppe zu. Tjadens Gesicht wird fleckig. Er legt sich langelang ins Gras und schlie?t die Augen vor Aufregung.

Himmelsto? ist etwas unschlussig, sein Gang wird langsamer. Dann marschiert er dennoch zu uns heran. Niemand macht Miene, sich zu erheben. Kropp sieht ihm interessiert entgegen.

Er steht jetzt vor uns und wartet. Da keiner etwas sagt, la?t er ein »Na?« vom Stapel.

Ein paar Sekunden verstreichen; Himmelsto? wei? sichtlich nicht, wie er sich benehmen soll. Am liebsten mochte er uns jetzt im Galopp schleifen. Immerhin scheint er schon gelernt zu haben, da? die Front kein Kasernenhof ist. Er versucht es abermals und wendet sich nicht mehr an alle, sondern an einen, er hofft, so leichter Antwort zu erhalten. Kropp ist ihm am nachsten. Ihn beehrt er deshalb. »Na, auch hier?«

Aber Albert ist sein Freund nicht. Er antwortet knapp:»Bi?chen langer als Sie, denke ich.« Der rotliche Schnurrbart zittert. »Ihr kennt mich wohl nicht mehr, was?« Tjaden schlagt jetzt die Augen auf. »Doch.«

Himmelsto? wendet sich ihm zu:»Das ist doch Tjaden, nicht?«

Tjaden hebt den Kopf.

»Und wei?t du, was du bist?«

Himmelsto? ist verblufft. »Seit wann duzen wir uns denn? Wir haben doch nicht zusammen im Chausseegraben gelegen.«

Er wei? absolut nichts aus der Situation zu machen. Diese offene Feindseligkeit hat er nicht erwartet. Aber er hutet sich vorlaufig; sicher hat ihm jemand den Unsinn von Schussen in den Rucken vorgeschwatzt.

Tjaden wird auf die Frage nach dem Chausseegraben vor Wut sogar witzig.

»Nee, das warst du alleine.«

Jetzt kocht Himmelsto? auch. Tjaden kommt ihm jedoch eilig zuvor. Er mu? seinen Spruch loswerden. »Was du bist, willst du wissen? Du bist ein Sauhund, das bist du! Das wollt’ ich dir schon lange mal sagen.« Die Genugtuung vieler Monate leuchtet ihm aus den blanken Schweinsaugen, als er den Sauhund hinausschmettert.

Auch Himmelsto? ist nun entfesselt:»Was willst du Mistkoter, du dreckiger Torfdeubel? Stehen Sie auf, Knochen zusammen, wenn ein Vorgesetzter mit Ihnen spricht!«

Tjaden winkt gro?artig. »Sie konnen ruhren, Himmelsto?. Wegtreten.«

Himmelsto? ist ein tobendes Exerzierreglement. Der Kaiser konnte nicht beleidigter sein. Er heult:»Tjaden, ich befehle Ihnen dienstlich: Stehen Sie auf!«

»Sonst noch was?« fragt Tjaden.

»Wollen Sie meinem Befehl Folge leisten oder nicht?«

Tjaden erwidert gelassen und abschlie?end, ohne es zu wissen, mit dem bekanntesten Klassikerzitat. Gleichzeitig luftet er seine Kehrseite.

Himmelsto? sturmt davon:»Sie kommen vors Kriegsgericht!«

Wir sehen ihn in der Richtung zur Schreibstube verschwinden.

Haie und Tjaden sind ein gewaltiges Torfstechergebrull. Haie lacht so, da? er sich die Kinnlade ausrenkt und mit offenem Maul plotzlich hilflos dasteht. Albert mu? sie ihm mit einem Faustschlag erst wieder einsetzen.

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