warten nur darauf, da? wir zugeschuttet werden. Plotzlich heult und blitzt es ungeheuer, der Unterstand kracht in allen Fugen unter einem Treffer, glucklicherweise einem leichten, dem die Betonklotze standgehalten haben. Es klirrt metallisch und furchterlich, die Wande wackeln, Gewehre, Helme, Erde, Dreck und Staub fliegen. Schwefeliger Qualm dringt ein. Wenn wir statt in dem festen Unterstand in einem der leichten Dinger sa?en, wie sie neuerdings gebaut werden, lebte jetzt keiner mehr.

Die Wirkung ist aber auch so schlimm genug. Der Rekrut von vorhin tobt schon wieder, und zwei andere schlie?en sich an. Einer rei?t aus und lauft weg. Wir haben Muhe mit den beiden andern. Ich sturze hinter dem Fluchtenden her und uberlege, ob ich ihm in die Beine schie?en soll; – da pfeift es heran, ich werfe mich hin, und als ich aufstehe, ist die Grabenwand mit hei?en Splittern, Fleischfetzen und Uniformlappen bepflastert. Ich klettere zuruck.

Der erste scheint wirklich verruckt geworden zu sein. Er rennt mit dem Kopf wie ein Bock gegen die Wand, wenn man ihn losla?t. Wir werden nachts versuchen mussen, ihn nach hinten zu bringen. Vorlaufig binden wir ihn so fest, da? man ihn beim Angriff sofort wieder losmachen kann.

Kat schlagt vor, Skat zu spielen; – was soll man tun, vielleicht ist es leichter dann. Aber es wird nichts daraus, wir lauschen auf jeden Einschlag, der naher ist, und verzahlen uns bei den Stichen oder bedienen nicht die Farbe. Wir mussen es lassen. Wie in einem gewaltig drohnenden Kessel sitzen wir, auf den von allen Seiten losgeschlagen wird.

Noch eine Nacht. Wir sind jetzt stumpf vor Spannung. Es ist eine todliche Spannung, die wie ein schartiges Messer unser Ruckenmark entlang kratzt. Die Beine wollen nicht mehr, die Hande zittern, der Korper ist eine dunne Haut uber muhsam unterdrucktem Wahnsinn, uber einem gleich hemmungslos ausbrechendem Gebrull ohne Ende. Wir haben kein Fleisch und keine Muskeln mehr, wir konnen uns nicht mehr ansehen, aus Furcht vor etwas Unberechenbarem. So pressen wir die Lippen auf einander – es wird vorubergehen – es wird vorubergehen- vielleicht kommen wir durch.

* * *

Mit einem Male horen die nahen Einschlage auf. Das Feuer dauert an, aber es ist zuruckverlegt, unser Graben ist frei. Wir greifen nach den Handgranaten, werfen sie vor den Unterstand und springen hinaus. Das Trommelfeuer hat aufgehort, dafur liegt hinter uns ein schweres Sperrfeuer.

Der Angriff ist da.

Niemand wurde glauben, da? in dieser zerwuhlten Wuste noch Menschen sein konnten; aber jetzt tauchen uberall aus dem Graben die Stahlhelme auf, und funfzig Meter von uns entfernt ist schon ein Maschinengewehr in Stellung gebracht, das gleich losbellt.

Die Drahtverhaue sind zerfetzt. Immerhin halten sie noch etwas auf. Wir sehen die Sturmenden kommen. Unsere Artillerie funkt. Maschinengewehre knarren, Gewehre knattern. Von druben arbeiten sie sich heran. Haie und Kropp beginnen mit den Handgranaten. Sie werfen, so rasch sie konnen, die Stiele werden ihnen abgezogen zugereicht. Haie wirft sechzig Meter weit, Kropp funfzig, das ist ausprobiert und wichtig. Die von druben konnen im Laufen nicht viel eher etwas machen, als bis sie auf drei?ig Meter heran sind.

Wir erkennen die verzerrten Gesichter, die flachen Helme, es sind Franzosen. Sie erreichen die Reste des Drahtverhaus und haben schon sichtbare Verluste. Eine ganze Reihe wird von dem Maschinengewehr neben uns umgelegt; dann haben wir viele Ladehemmungen, und sie kommen naher. Ich sehe einen von ihnen in einen spanischen Reiter sturzen, das Gesicht hoch erhoben. Der Korper sackt zusammen, die Hande bleiben hangen, als wollte er beten. Dann fallt der Korper ganz weg, und nur noch die abgeschossenen Hande mit den Armstumpfen hangen im Draht.

Im Augenblick, als wir zuruckgehen, heben sich vorn drei Gesichter vom Boden. Unter einem der Helme ein dunkler Spitzbart und zwei Augen, die fest auf mich gerichtet sind. Ich hebe die Hand, aber ich kann nicht werfen in diese sonderbaren Augen, einen verruckten Moment lang rast die ganze Schlacht wie ein Zirkus um mich und diese beiden Augen, die allein bewegungslos sind, dann reckt sich druben der Kopf auf, eine Hand, eine Bewegung, und meine Handgranate fliegt hinuber, hinein.

Wir laufen zuruck, rei?en spanische Reiter in den Graben und lassen abgezogene Handgranaten hinter uns fallen, die uns einen feurigen Ruckzug sichern. Von der nachsten Stellung aus feuern die Maschinengewehre.

Aus uns sind gefahrliche Tiere geworden. Wir kampfen nicht, wir verteidigen uns vor der Vernichtung. Wir schleudern die Granaten nicht gegen Menschen, was wissen wir im Augenblick davon, dort hetzt mit Handen und Helmen der Tod hinter uns her, wir konnen ihm seit drei Tagen zum ersten Male ins Gesicht sehen, wir konnen uns seit drei Tagen zum ersten Male wehren gegen ihn, wir haben eine wahnsinnige Wut, wir liegen nicht mehr ohnmachtig wartend auf dem Schafott, wir konnen zerstoren und toten, um uns zu retten und zu rachen.

Wir hocken hinter jeder Ecke, hinter jedem Stacheldrahtgestell und werfen den Kommenden Bundel von Explosionen vor die Fu?e, ehe wir forthuschen. Das Krachen der Handgranaten schie?t kraftvoll in unsere Arme, in unsere Beine, geduckt wie Katzen laufen wir, uberschwemmt von dieser Welle, die uns tragt, die uns grausam macht, zu Wegelagerern, zu Mordern, zu Teufeln meinetwegen, dieser Welle, die unsere Kraft vervielfaltigt in Angst und Wut und Lebensgier, die uns Rettung sucht und erkampft. Kame dein Vater mit denen druben, du wurdest nicht zaudern, ihm die Granate gegen die Brust zu werfen!

Die vorderen Graben werden aufgegeben. Sind es noch Graben? Sie sind zerschossen, vernichtet – es sind nur einzelne Grabenstucke, Locher, verbunden durch Laufgange, Trichternester, nicht mehr. Aber die Verluste derer von druben haufen sich. Sie haben nicht mit so viel Widerstand gerechnet.

* * *

Es wird Mittag. Die Sonne brennt hei?, uns bei?t der Schwei? in die Augen, wir wischen ihn mit dem Armel weg, manchmal ist Blut dabei. Der erste etwas besser erhaltene Graben taucht auf. Er ist besetzt und vorbereitet zum Gegensto?, er nimmt uns auf. Unsere Artillerie setzt machtig ein und riegelt den Vorsto? ab.

Die Linien hinter uns stocken. Sie konnen nicht vorwarts. Der Angriff wird zerfetzt durch unsere Artillerie. Wir lauern. Das Feuer springt hundert Meter weiter, und wir brechen wieder vor. Neben mir wird einem Gefreiten der Kopf abgerissen. Er lauft noch einige Schritte, wahrend das Blut ihm wie ein Springbrunnen aus dem Halse schie?t. Es kommt nicht ganz zum Handgemenge, die andern mussen zuruck. Wir erreichen unsere Grabenstucke wieder und gehen daruber hinaus vor.

Oh, dieses Umwenden! Man hat die schutzenden Reservestellungen erreicht, man mochte hindurchkriechen, verschwinden; – und mu? sich umdrehen und wieder in das Grauen hinein. Waren wir keine Automaten in diesem Augenblick, wir blieben liegen, erschopft, willenlos. Aber wir werden wieder mit vorwarts gezogen, willenlos und doch wahnsinnig wild und wutend, wir wollen toten, denn das dort sind unsere Todfeinde jetzt, ihre Gewehre und Granaten sind gegen uns gerichtet, vernichten wir sie nicht, dann vernichten sie uns!

Die braune Erde, die zerrissene, zerborstene braune Erde, fettig unter den Sonnenstrahlen schimmernd, ist der Hintergrund rastlos dumpfen Automatentums, unser Keuchen ist das Abschnarren der Feder, die Lippen sind trocken, der Kopf ist wuster als nach einer durchsoffenen Nacht – so taumeln wir vorwarts, und in unsere durchsiebten, durchlocherten Seelen bohrt sich qualend eindringlich das Bild der braunen Erde mit der fettigen Sonne und den zuckenden und toten Soldaten, die da liegen, als mu?te es so sein, die nach unsern Beinen greifen und schreien, wahrend wir uber sie hinwegspringen.

Wir haben alles Gefuhl fureinander verloren, wir kennen uns kaum noch, wenn das Bild des andern in unseren gejagten Blick fallt. Wir sind gefuhllose Tote, die durch einen Trick, einen gefahrlichen Zauber noch laufen und toten konnen.

Ein junger Franzose bleibt zuruck, er wird erreicht, hebt die Hande, in einer hat er noch den Revolver – man wei? nicht, will er schie?en oder sich ergeben -, ein Spatenschlag spaltet ihm das Gesicht. Ein zweiter sieht es und versucht, weiterzufluchten, ein Bajonett zischt ihm in den Rucken. Er springt hoch, und die Arme ausgebreitet, den Mund schreiend weit offen, taumelt er davon, in seinem Rucken schwankt das Bajonett. Ein dritter wirft das Gewehr weg, kauert sich nieder, die Hande vor den Augen. Er bleibt zuruck mit einigen andern Gefangenen, um Verwundete fortzutragen.

Plotzlich geraten wir in der Verfolgung an die feindlichen Stellungen.

Wir sind so dicht hinter den weichenden Gegnern, da? es uns gelingt, fast gleichzeitig mit ihnen anzulangen. Dadurch haben wir wenig Verluste. Ein Maschinengewehr klafft, wird aber durch eine Handgranate erledigt.

Вы читаете Im Westen nichts Neues
Добавить отзыв
ВСЕ ОТЗЫВЫ О КНИГЕ В ИЗБРАННОЕ

0

Вы можете отметить интересные вам фрагменты текста, которые будут доступны по уникальной ссылке в адресной строке браузера.

Отметить Добавить цитату