3.

Wir bekommen Ersatz. Die Lucken werden ausgefullt, und die Strohsacke in den Baracken sind bald belegt. Zum Teil sind es alte Leute, aber auch funfundzwanzig Mann junger Ersatz aus den Feldrekrutendepots werden uns uberwiesen. Sie sind fast ein Jahr junger als wir. Kropp sto?t mich an:»Hast du die Kinder gesehen?«

Ich nicke. Wir werfen uns in die Brust, lassen uns auf dem Hof rasieren, stecken die Hande in die Hosentaschen, sehen uns die Rekruten an und fuhlen uns als steinaltes Militar.

Katczinsky schlie?t sich uns an. Wir wandern durch die Pferdestalle und kommen zu den Ersatzleuten, die gerade Gasmasken und Kaffee empfangen. Kat fragt einen der jungsten:»Habt wohl lange nichts Vernunftiges zu futtern gekriegt, was?«

Der verzieht das Gesicht. »Morgens Steckrubenbrot – mittags Steckrubengemuse, abends Steckrubenkoteletts und Steckrubensalat.«

Katczinsky pfeift fachmannisch. »Brot aus Steckruben? Da habt ihr Gluck gehabt, sie machen es auch schon aus Sagespanen. Aber was meinst du zu wei?en Bohnen, willst du einen Schlag haben?«

Der Junge wird rot. »Verkohlen brauchst du mich nicht.« Katczinsky antwortet nichts als:»Nimm dein Kochgeschirr.«

Wir folgen neugierig. Er fuhrt uns zu einer Tonne neben seinem Strohsack. Sie ist tatsachlich halb voll wei?er Bohnen mit Rindfleisch. Katczinsky steht vor ihr wie ein General und sagt:»Auge auf, Finger lang! Das ist die Parole bei den Preu?en.«

Wir sind uberrascht. Ich frage:»Meine Fresse, Kat, wie kommst du denn dazu?«

»Die Tomate war froh, als ich ihr’s abnahm. Ich habe drei Stuck Fallschirmseide dafur gegeben. Na, wei?e Bohnen schmecken kalt doch tadellos.«

Er gibt gonnerhaft dem Jungen eine Portion auf und sagt:»Wenn du das nachstemal hier antrittst mit deinem Kochgeschirr, hast du in der linken Hand eine Zigarre oder einen Priem. Verstanden?«

Dann wendet er sich zu uns. »Ihr kriegt naturlich so.«

* * *

Katczinsky ist nicht zu entbehren, weil er einen sechsten Sinn hat. Es gibt uberall solche Leute, aber niemand sieht ihnen von vornherein an, da? es so ist. Jede Kompanie hat einen oder zwei davon. Katczinsky ist der gerissenste, den ich kenne. Von Beruf ist er, glaube ich, Schuster, aber das tut nichts zur Sache, er versteht jedes Handwerk. Es ist gut, mit ihm befreundet zu sein. Wir sind es, Kropp und ich, auch Haie Westhus gehort halb und halb dazu. Er ist allerdings schon mehr ausfuhrendes Organ, denn er arbeitet unter dem Kommando Kats, wenn eine Sache geschmissen wird, zu der man Fauste braucht. Dafur hat er dann seine Vorteile.

Wir kommen zum Beispiel nachts in einen vollig unbekannten Ort, ein trubseliges Nest, dem man gleich ansieht, da? es ausgepowert ist bis auf die Mauern. Quartier ist eine kleine, dunkle Fabrik, die erst dazu eingerichtet worden ist. Es stehen Betten darin, vielmehr nur Bettstellen, ein paar Holzlatten, die mit Drahtgeflecht bespannt sind. Drahtgeflecht ist hart. Eine Decke zum Unterlegen haben wir nicht, wir brauchen unsere zum Zudecken. Die Zeltbahn ist zu dunn.

Kat sieht sich die Sache an und sagt zu Haie Westhus:»Komm mal mit.« Sie gehen los, in den vollig unbekannten Ort hinein. Eine halbe Stunde spater sind sie wieder da, die Arme hoch voll Stroh. Kat hat einen Pferdestall gefunden und damit das Stroh. Wir konnten jetzt warm schlafen, wenn wir nicht noch einen so entsetzlichen Kohldampf hatten.

Kropp fragt einen Artilleristen, der schon langer in der Gegend ist:»Gibt es hier irgendwo eine Kantine?« Der lacht:»Hat sich was! Hier ist nichts zu holen. Keine Brotrinde holst du hier.«»Sind denn keine Einwohner mehr da?« Er spuckt aus. »Doch, ein paar. Aber die lungern selbst um jeden Kuchenkessel herum und betteln.« Das ist eine bose Sache. Dann mussen wir eben den Schmachtriemen enger schnallen und bis morgen warten, wenn die Furage kommt. Ich sehe jedoch, wie Kat seine Mutze aufsetzt, und frage:»Wo willst du hin, Kat?«

»Mal etwas die Lage spannen.« Er schlendert hinaus. Der Artillerist grinst hohnisch. »Spann man! Verheb dich nicht dabei.«

Enttauscht legen wir uns hin und uberlegen, ob wir die eisernen Portionen anknabbern sollen. Aber es ist uns zu riskant. So versuchen wir ein Auge voll Schlaf zu nehmen.

Kropp bricht eine Zigarette durch und gibt mir die Halfte. Tjaden erzahlt von seinem Nationalgericht, gro?en Bohnen mit Speck. Er verdammt die Zubereitung ohne Bohnenkraut. Vor allem aber soll man alles durcheinander kochen, um Gottes willen nicht die Kartoffeln, die Bohnen und den Speck getrennt. Jemand knurrte, da? er Tjaden zu Bohnenkraut verarbeiten wurde, wenn er nicht sofort still ware. Darauf wird es ruhig in dem gro?en Raum. Nur ein paar Kerzen flackern in den Flaschenhalsen, und ab und zu spuckt der Artillerist aus.

Wir duseln ein bi?chen, als die Tur aufgeht und Kat erscheint. Ich glaube zu traumen: er hat zwei Brote unter dem Arm und in der Hand einen blutigen Sandsack mit Pferdefleisch.

Dem Artilleristen fallt die Pfeife aus dem Munde. Er betastet das Brot. »Tatsachlich, richtiges Brot, und noch warm.«

Kat redet nicht weiter daruber. Er hat eben Brot, das andere ist egal. Ich bin uberzeugt, wenn man ihn in der Wuste aussetzte, wurde er in einer Stunde ein Abendessen aus Datteln, Braten und Wein zusammenfinden. Er sagt kurz zu Haie:»Hack Holz.« 40 Dann holt er eine Bratpfanne unter seinem Rock hervor und zieht eine Handvoll Salz und sogar eine Scheibe Fett aus der Tasche; – er hat an alles gedacht. Haie macht auf dem Fu?boden ein Feuer. Es prasselt durch die kahle Fabrikhalle. Wir klettern aus den Betten. Der Artillerist schwankt. Er uberlegt, ob er loben soll, damit vielleicht auch etwas fur ihn abfallt. Aber Katczinsky sieht ihn gar nicht, so sehr ist er Luft fur ihn. Da zieht er fluchend ab.

Kat kennt die Art, Pferdefleisch weichzubraten. Es darf nicht gleich in die Pfanne, dann wird es hart. Vorher mu? es in wenig Wasser vorgekocht werden. Wir hocken uns mit unsern Messern im Kreis und schlagen uns den Magen voll.

Das ist Kat. Wenn in einem Jahr in einer Gegend nur eine Stunde lang etwas E?bares aufzutreiben ware, so wurde er genau in dieser Stunde, wie von einer Erleuchtung getrieben, seine Mutze aufsetzen, hinausgehen, geradewegs wie nach einem Kompa? darauf zu, und es finden. Er findet alles; – wenn es kalt ist, kleine Ofen und Holz, Heu und Stroh, Tische, Stuhle – vor allem aber Fressen. Es ist ratselhaft, man sollte glauben, er zaubere es aus der Luft. Seine Glanzleistung waren vier Dosen Hummer. Allerdings hatten wir lieber Schmalz dafur gehabt.

* * *

Wir haben uns auf der Sonnenseite der Baracken hingehauen. Er riecht nach Teer, Sommer und Schwei?fu?en.

Kat sitzt neben mir, denn er unterhalt sich gern. Wir haben heute mittag eine Stunde Ehrenbezeigungen geubt, weil Tjaden einen Major nachlassig gegru?t hat. Das will Kat nicht aus dem Kopf. Er au?ert:»Pa? auf, wir verlieren den Krieg, weil wir zu gut gru?en konnen.« Kropp storcht naher, barfu?, die Hosen aufgekrempelt. Er legt seine gewaschenen Socken zum Trocknen aufs Gras. Kat sieht in den Himmel, la?t einen kraftigen Laut horen und sagt versonnen dazu:»Jedes Bohnchen gibt ein Tonchen.«

Die beiden fangen an zu disputieren. Gleichzeitig wetten sie um eine Flasche Bier auf einen Fliegerkampf, der sich uber uns abspielt.

Kat la?t sich nicht von seiner Meinung abbringen, die er als altes Frontschwein wieder in Reimen von sich gibt:»Gleiche Lohnung, gleiches Essen, war’ der Krieg schon langst vergessen.«- Kropp dagegen ist ein Denker. Er schlagt vor, eine Kriegserklarung solle eine Art Volksfest werden mit Eintrittskarten und Musik wie bei Stiergefechten. Dann mu?ten in der Arena die Minister und Generale der beiden Lander in Badehosen, mit Knuppeln bewaffnet, aufeinander losgehen.

Wer ubrigbliebe, dessen Land hatte gesiegt. Das ware einfacher und besser als hier, wo die falschen Leute sich bekampfen. Der Vorschlag gefallt. Dann gleitet das Gesprach auf den Kasernendrill uber.

Mir fallt dabei ein Bild ein. Gluhender Mittag auf dem Kasernenhof. Die Hitze steht uber dem Platz. Die

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