Kasernen wirken wie ausgestorben. Alles schlaft. Man hort nur Trommler uben, irgendwo haben sie sich aufgestellt und uben, ungeschickt, eintonig, stumpfsinnig. Welch ein Dreiklang: Mittagshitze, Kasernenhof und Trommeluben! Die Fenster der Kaserne sind leer und dunkel. Aus einigen hangen trocknende Drillichhosen. Man sieht sehnsuchtig hinuber. Die Stuben sind kuhl. – Oh, ihr dunklen, muffigen Korporalschaftsstuben mit den eisernen Bettgestellen, den gewurfelten Betten, den Spindschranken und den Schemeln davor! Selbst ihr konnt das Ziel von Wunschen werden; hier drau?en seid ihr sogar ein sagenhafter Abglanz von Heimat, ihr Gelasse voll Dunst von abgestandenen Speisen, Schlaf, Rauch und Kleidern!

Katczinsky beschreibt sie mit Farbenpracht und gro?er Bewegung. Was wurden wir geben, wenn wir zu ihnen zuruck konnten! Denn weiter wagen sich unsre Gedanken schon gar nicht – Ihr Instruktionsstunden in der Morgenfruhe -»Worin zerfallt das Gewehr 98?«- ihr Turnstunden am Nachmittag -»Klavierspieler vortreten. Rechts heraus. Meldet euch in der Kuche zum Kartoffelschalen«- Wir schwelgen in Erinnerungen. Kropp lacht plotzlich und sagt:»In Lohne umsteigen.«

Das war das liebste Spiel unseres Korporals. Lohne ist ein Umsteigebahnhof. Damit unsre Urlauber sich dort nicht verlaufen sollten, ubte Himmelsto? das Umsteigen mit uns in der Kasernenstube. Wir sollten lernen, da? man in Lohne durch eine Unterfuhrung zum Anschlu?zug gelangte. Die Betten stellten die Unterfuhrung dar, und jeder baute sich links davon auf. Dann kam das Kommando:»In Lohne umsteigen!«, und wie der Blitz kroch alles unter den Betten hindurch auf die andere Seite. Das haben wir stundenlang geubt. – Inzwischen ist das deutsche Flugzeug abgeschossen worden. Wie ein Komet sturzt es in einer Rauchfahne abwarts. Kropp hat dadurch eine Flasche Bier verloren und zahlt mi?mutig sein Geld.

»Der Himmelsto? ist als Brieftrager sicher ein bescheidener Mann«, sagte ich, nachdem sich Alberts Enttauschung gelegt hat,»wie mag es nur kommen, da? er als Unteroffizier ein solcher Schinder ist?«

Die Frage macht Kropp wieder mobil. »Das ist nicht nur Himmelsto? allein, das sind sehr viele. Sowie sie Tressen oder einen Sabel haben, werden sie andere Menschen, als ob sie Beton gefressen hatten.«

»Das macht die Uniform«, vermute ich.

»So ungefahr«, sagt Kat und setzt sich zu einer gro?en Rede zurecht,»aber der Grund liegt anderswo. Sieh mal, wenn du einen Hund zum Kartoffelfressen abrichtest und du legst ihm dann nachher ein Stuck Fleisch hin, so wird er trotzdem danach schnappen, weil das in seiner Natur liegt. Und wenn du einem Menschen ein Stuckchen Macht gibst, dann geht es ihm ebenso; er schnappt danach. Das kommt ganz von selber, denn der Mensch ist an und fur sich zunachst einmal ein Biest, und dann erst ist vielleicht noch, wie bei einer Schmalzstulle, etwas Anstandigkeit draufgeschmiert. Der Kommi? besteht nun darin, da? immer einer uber den andern Macht hat. Das Schlimme ist nur, da? jeder viel zuviel Macht hat; ein Unteroffizier kann einen Gemeinen, ein Leutnant einen Unteroffizier, ein Hauptmann einen Leutnant derartig zwiebeln, da? er verruckt wird. Und weil er das wei?, deshalb gewohnt er es sich gleich schon etwas an. Nimm nur die einfachste Sache: wir kommen vom Exerzierplatz und sind hundemude. Da wird befohlen: Singen! Na, es wird ein schlapper Gesang, denn jeder ist froh, da? er sein Gewehr noch schleppen kann. Und schon macht die Kompanie kehrt und mu? eine Stunde strafexerzieren. Beim Ruckmarsch hei?t es wieder: ›Singen!‹, und jetzt wird gesungen. Was hat das Ganze fur einen Zweck? Der Kompaniefuhrer hat seinen Kopf durchgesetzt, weil er die Macht dazu hat. Niemand wird ihn tadeln, im Gegenteil, er gilt als stramm. Dabei ist so etwas nur eine Kleinigkeit, es gibt doch noch ganz andere Sachen, womit sie einen schinden. Nun frage ich euch: Mag der Mann in Zivil sein, was er will, in welchem Beruf kann er sich so etwas leisten, ohne da? ihm die Schnauze eingeschlagen wird? Das kann er nur beim Kommi?! Seht ihr, und das steigt jedem zu Kopf! Und es steigt ihm umso mehr zu Kopf, je weniger er als Zivilist zu sagen hatte.«

»Es hei?t eben, Disziplin mu? sein -«, meint Kropp nachlassig.

»Grunde«, knurrt Kat,»haben sie immer. Mag ja auch sein. Aber es darf keine Schikane werden. Und mach du das mal einem Schlosser oder Knecht oder Arbeiter klar, erklare das mal einem Muskoten, und das sind doch die meisten hier; der sieht nur, da? er geschunden wird und ins Feld kommt, und er wei? ganz genau, was notwendig ist und was nicht. Ich sage euch, da? der einfache Soldat hier vorn so aushalt, das ist allerhand! Allerhand ist das!« Jeder gibt es zu, denn jeder wei?, da? nur im Schutzengraben der Drill aufhort, da? er aber wenige Kilometer hinter der Front schon wieder beginnt, und sei es mit dem gro?ten Unsinn, mit Gru?en und Parademarsch. Denn es ist eisernes Gesetz: Der Soldat mu? auf jeden Fall beschaftigt werden.

Doch nun erscheint Tjaden, mit roten Flecken im Gesicht. Er ist so aufgeregt, da? er stottert. Strahlend buchstabiert er:»Himmelsto? ist unterwegs nach hier. Er kommt an die Front.«

* * *

Tjaden hat eine Hauptwut auf Himmelsto?, weil der ihn im Barackenlager auf seine Weise erzogen hat. Tjaden ist Bettnasser, nachts beim Schlafen passiert es ihm eben. Himmelsto? behauptet steif und fest, es sei nur Faulheit, und er fand ein seiner wurdiges Mittel, um Tjaden zu heilen. Er trieb in der benachbarten Baracke einen zweiten Bettnasser auf, der Kindervater hie?. Den quartierte er mit Tjaden zusammen. In den Baracken standen die typischen Bettgestelle, zwei Betten ubereinander, die Bettboden aus Draht. Himmelsto? legte beide nun so zusammen, da? der eine das obere, der andere das darunter befindliche Bett bekam. Der untere war dadurch naturlich scheu?lich daran. Dafur wurde am nachsten Abend gewechselt, der untere kam nach oben, damit er Vergeltung hatte. Das war Himmelsto?’ Selbsterziehung.

Der Einfall war gemein, aber in der Idee gut. Leider nutzte er nichts, weil die Voraussetzung nicht stimmte: es war keine Faulheit bei den beiden. Das konnte jeder merken, der ihre fahle Haut ansah. Die Sache endete damit, da? immer einer von beiden auf dem Fu?boden schlief. Er hatte sich leicht dabei erkalten konnen. – Haie hat sich inzwischen auch neben uns niedergelassen. Er blinzelt mir zu und reibt andachtig seine Tatze. Wir haben zusammen den schonsten Tag unseres Kommi?lebens erlebt. Das war der Abend, bevor wir ins Feld fuhren. Wir waren einem der Regimenter mit der hohen Hausnummer zugeteilt, vorher aber zur Einkleidung in die Garnison zuruckbefordert worden, allerdings nicht zum Rekrutendepot, sondern in eine andere Kaserne. Am nachsten Morgen fruh sollten wir abfahren. Abends machten wir uns auf, um mit Himmelsto? abzurechnen. Das hatten wir uns seit Wochen geschworen. Kropp war sogar so weit gegangen, da? er sich vorgenommen hatte, im Frieden das Postfach einzuschlagen, um spater, wenn Himmelsto? wieder Brieftrager war, sein Vorgesetzter zu werden. Er schwelgte in Bildern, wie er ihn schleifen wurde. Denn das war es gerade, weshalb er uns nicht kleinkriegen konnte; wir rechneten stets damit, da? wir ihn schon einmal schnappen wurden, spatestens am Kriegsende.

Einstweilen wollten wir ihn grundlich verhauen. Was konnte uns schon passieren, wenn er uns nicht erkannte und wir ohnehin morgen fruh abfuhren.

Wir wu?ten, in welcher Kneipe er jeden Abend sa?. Wenn er von dort zur Kaserne ging, mu?te er durch eine dunkle, unbebaute Stra?e. Dort lauerten wir ihm hinter einem Steinhaufen auf. Ich hatte einen Bettuberzug bei mir. Wir zitterten vor Erwartung, ob er auch allein sein wurde. Endlich horten wir seinen Schritt, den kannten wir genau, wir hatten ihn oft genug morgens gehort, wenn die Tur aufflog und »Aufstehen!« gebrullt wurde. »Allein?« flusterte Kropp.

»Allein!«- Ich schlich mit Tjaden um den Steinhaufen herum.

Da blitzte schon sein Koppelschlo?. Himmelsto? schien etwas angeheitert zu sein; er sang.

Ahnungslos ging er voruber.

Wir fa?ten das Bettuch, machten einen leisen Satz, stulpten es ihm von hinten uber den Kopf, rissen es nach unten, so da? er wie in einem wei?en Sack dastand und die Arme nicht heben konnte. Das Singen erstarb. Im nachsten Moment war Haie Westhus heran. Mit ausgebreiteten Armen warf er uns zuruck, um nur ja der erste zu sein. Er stellte sich genu?reich in Positur, hob den Arm wie einen Signalmast, die Hand wie eine Kohlenschaufel und knallte einen Schlag auf den wei?en Sack, der einen Ochsen hatte toten konnen.

Himmelsto? uberschlug sich, landete funf Meter weiter und fing an zu brullen. Auch dafur hatten wir gesorgt, denn wir hatten ein Kissen bei uns. Haie hockte sich hin, legte das Kissen auf die Knie, packte Himmelsto? da, wo der Kopf war, und druckte ihn auf das Kissen. Sofort wurde er im Ton gedampfter. Haie lie? ihn ab und zu mal Luft schnappen, dann kam aus dem Gurgeln ein prachtvoller heller Schrei, der gleich wieder zart wurde. Tjaden knopfte jetzt Himmelsto? die Hosentrager ab und zog ihm die Hose herunter. Die Klopfpeitsche hielt er dabei mit den Zahnen fest. Dann erhob er sich und begann sich zu bewegen.

Es war ein wunderbares Bild: Himmelsto? auf der Erde, uber ihn gebeugt, seinen Kopf auf den Knien, Haie mit teuflisch grinsendem Gesicht und vor Lust offenem Maul, dann die zuckende, gestreifte Unterhose mit den X- Beinen, die in der heruntergeschobenen Hose bei jedem Schlag die originellsten Bewegungen machten, und daruber wie ein Holzhacker der unermudliche Tjaden. Wir mu?ten ihn schlie?lich geradezu wegrei?en, um auch

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