“Auch mag es Gott erbarmen, dass ich gewann den Sohn,Der nun auf alle Zeiten bescholten ist davon,Dass seine Freunde jemand meuchlerisch erschlagen:Hätt ich Zeit und Weile, das müsst ich billig beklagen. (1022)* Niemand je auf Erden größern Mord begann,”Sprach er zu dem Könige, “als ihr an mir getan:Ich erhielt euch unbescholten in großer Angst und Not;Ihr habt mir schlimm vergolten, dass ich so wohl es euch bot.” (1023)Da sprach im Jammer weiter der todwunde Held:“Wollt ihr, edler König, noch je auf dieser WeltAn jemand gutes üben, so lasst befohlen seinAuf Treue und auf Gnaden euch die liebe Traute mein. (1024)Lasst sie des genießen, dass sie eure Schwester sei:Bei aller Fürsten Tugend, steht ihr mit Treue bei!Mein mögen lange harren mein Vater und sein Bann:Es ward am lieben Freunde nimmer übler getan.” (1025)* Er krümmte sich in Schmerzen, wie ihm die Not gebotUnd sprach aus jammerndem Herzen: “Mein mordlicher TodMag euch noch gereuen in der Zukunft Tagen:Glaubt mir in rechter Treue, dass ihr euch selber habt erschlagen.” (1026)Die Blumen allenthalben waren vom Blute nass.Da rang er mit dem Tode, nicht lange tat er das,Denn des Todes Waffe schnitt immer allzu sehr.Auch musste bald ersterben dieser Degen kühn und hehr. (1027)* Von demselben Brunnen, wo Siegfried ward erschlagen,Sollt ihr die rechte Wahrheit von mir hören sagen.Vor dem Odenwalde ein Dorf liegt Odenheim:Da fließet noch der Brunnen, es kann da kein Zweifel sein. (1028)Als die Herren sahen, der Degen sei tot,Sie legten ihn auf einen Schild, der war von Golde rot:Da gingen sie zu Rate, wie es sollt ergehn,Dass es verhohlen bliebe, es sei von Hagen geschehn. (1029)Da sprachen ihrer viele: “Ein Unfall ist geschehn;Ihr sollt es alle hehlen und einer Rede stehn:Als er allein ritt jagen, der Kriemhilde Mann,Da schlugen ihn die Schächer, als er fuhr durch den Tann.” (1030)Da sprach von Tronje Hagen: “Ich bring ihn in das Land:Mich soll es nicht kümmern, wird es ihr auch bekannt,Die so betrüben konnte Brunhildens hohen Mut;Ich werde wenig fragen wie sie nun weinet und tut.” (1031)Da harrten sie des Abends und fuhren überrhein:Es mochte nie von Helden so schlimm gejaget sein.Ihr Beutewild beweinte noch manches edle Weib,Sein musste bald entgelten viel guter Weigande Leib. (1032)
17. Abenteuer
Wie Siegfried beklagt und begraben ward
Von großem Übermute mögt ihr nun hören sagenUnd grässlicher Rache. Bringen ließ HagenDen erschlagnen Siegfried von NibelungenlandVor eine Kemenate, worin sich Kriemhild befand. (1033)Er ließ ihn ihr verstohlen legen vor die Tür,Dass sie ihn finden müsste, wenn morgen sie herfürZu der Mette ginge lange vor dem Tag,Deren Frau Kriemhilde wohl selten eine verlag. (1034)Da hörte man wie immer zum Münster das Geläut:Die schöne Kriemhilde weckte manche Maid.Ein Licht hieß sie sich bringen und auch ihr Gewand;Da kam der Kämmrer einer hin wo er Siegfrieden fand. (1035)Er sah ihn rot von Blute, all sein Gewand war nass:Dass sein Herr es wäre, mit Nichten wusst er das.Da trug er in die Kammer das Licht in seiner Hand,Bei dem Frau Kriemhilde die leide Märe befand. (1036)